
Rote Holzvertäfelung, weiße Fensterrahmen – das zukünftige Zuhause von Karolin Siebke und Linus Weyer könnte auch in Schweden stehen. Und weil dieses Zuhause ein sogenanntes Tiny House mit nur 20 Quadratmetern ist, könnte das Paar es jederzeit auf einen Lkw laden und damit von Roden nach Schweden umziehen. Schlüsselfertig kaufen kann man so ein Mini-Haus ab circa 40.000 Euro, doch Weyer und Siebke haben sich für einen anderen Weg entschieden: Im Hof der Holzbaufirma, die Weyers Familie betreibt, bauen sie das Tiny House Schraube für Schraube und Latte für Latte selbst zusammen.
Zurzeit verbringen sie jede freie Minute mit dem Ausbau. "Wir sind jeden Abend von 19 bis 22 Uhr und samstags am Arbeiten", so Siebke. Ungefähr 95 Prozent hat das Paar selbst gemacht, hier und da mit ein bisschen Unterstützung von Freunden und Familie. Professionell vergeben haben sie nur die Elektriker- und Sanitärarbeiten. Siebke hat gerade ihren Architektur-Master abgeschlossen, Weyer ist Zimmerer- und Dachdeckermeister und Bautechniker – damit waren die Voraussetzungen für den Eigenbau also perfekt. Hätten sie so ein Projekt auch gestartet, wenn sie nicht dieses Know-How hätten? "Eher nicht", lautet die ehrliche Antwort von Weyer. "Wer nicht selbst Ahnung oder gute Connections zum Handwerk hat, dem würde ich empfehlen, ein fertiges Tiny House zu kaufen."
Tiny House braucht keine Baugenehmigung
Vor eineinhalb Jahren haben sie mit der Planung angefangen, die Bauphase hat dann dieses Jahr im Januar begonnen. Bereut haben sie den Entschluss noch nicht. "Es macht total Spaß, am Ende des Tages zu sehen, wie weit man vorangekommen ist", sagt Siebke. "Wenn man für sich selbst baut, dann kann man auch einfach mal etwas ausprobieren", sagt Weyer.

Warum ein Tiny House? Das Paar war auf der Suche nach einer Übergangslösung. "Wenn man Miete für eine kleine Wohnung zahlt, dann ist das Geld weg. Das Tiny House bleibt uns", erklärt Siebke. Die 25-Jährige hatte anfangs schon Bedenken, dass in dem knapp drei Meter breiten und 8,44 Meter langen Häuschen zu wenig Platz sein könnte. Ein größeres Tiny House war jedoch keine Option. Mit den Maßen, die das Haus jetzt hat, ist der Transport auf einem Lkw relativ einfach möglich und eine Baugenehmigung für das Grundstück nicht nötig – das spart Geld.
Solange es zu ihrem Leben passt, möchten sie in dem Haus wohnen und gegebenenfalls damit umziehen. Ab Herbst wollen sie auf einem kleinen Grundstück in Roden wohnen, das für ein normales Einfamilienhaus viel zu klein wäre. Ein spezielles Fundament braucht das Haus nicht, es wird auf normalen Terassenplatten stehen. Sollte ihnen das Tiny House endgültig zu klein werden, möchten sie es als Ferienhaus bei Siebkes Eltern nördlich von Berlin abstellen.
Kombination aus Bett und Kleiderschrank wird selbstgebaut
Kochen, essen, schlafen, wohnen werden sie in nur einem Zimmer, nur das Badezimmer ist ein abgeschlossener Raum mit Tür. "Wir haben ganz genau beobachtet, welche Gegenstände und Wohnbereiche wir im Alltag wirklich häufig nutzen. Alles andere haben wir bei der Planung rausgeworfen – zum Beispiel das Sofa", erklärt Linus Weyer. Sie wollten kein Klappsofa, das sich zum Bett umwandeln lässt. Stattdessen bauen sie das Bett jetzt selbst und etwas erhöht, sodass der Kleiderschrank darunter passt. Esstisch und Stühle werden sich komplett einklappen lassen.

Die Küche dagegen war den beiden wichtig und nimmt ungefähr ein Drittel des Hauses ein. Eine Spezialanfertigung ist nicht nötig, die Küche kommt von Ikea. "Der Planer dort hat unseren Grundriss gesehen und das Projekt dann als 'Wohnklo' bezeichnet", erinnert sich Siebke lachend. Nach dieser ersten Reaktion sei der Mitarbeiter dann aber sehr interessiert gewesen und habe die Küchenplanung als Herausforderung verstanden.
Tiny House interessiert auch viele Menschen kurz vor dem Ruhestand
Überhaupt reagieren die Menschen ganz unterschiedlich auf das Wohnkonzept von Weyer und Siebke. "Am meisten Interesse haben junge Menschen ohne Familie und Personen, die kurz vor der Rente stehen", beobachtet der 27-jährige Weyer. Viele fänden toll, dass man mit dem Tiny House nicht an einen Ort gebunden ist, dass es wenig zu putzen gibt und man automatisch einen minimalistischen Lebensstil führen muss. Dass es wenig Stauraum und Rückzugsmöglichkeiten gibt, schrecke viele ab.
Ob der Stauraum reicht, da sind sich die Hausherren auch noch nicht sicher. Wenn es gut läuft, wollen sie im Oktober einziehen, dann entscheidet sich, welche Gegenstände mitkommen und was sie vielleicht vorübergehend bei Weyers Eltern lagern. Dass sie sich auf so engem Raum auf die Nerven gehen könnten, glauben die beiden nicht. Und wenn mal Besuch kommt? "Theoretisch passt eine ein Meter breite Luftmatratze zwischen die beiden Küchenzeilen", sagt Linus Weyer. "Aber das Bad kann man dann nicht mehr betreten."