Ist die Schweinehaltung in Deutschland in großer Gefahr? Für den Bayerischen Bauernverband (BBV) gibt es nur eine Antwort: ja! "Die Stimmung ist katastrophal", sagt Stefan Köhler. "Es heißt, die Bauern jammern immer. Aber bald nicht mehr, denn dann sind keine deutschen Schweinebauern mehr da", warnt der unterfränkische BBV-Präsident. Es gehe um Existenzen, sagt auch BBV-Geschäftsführer Elmar Konrad: "Es herrscht riesiger Frust. Es gibt Kollegen, die mit Tränen in den Augen erklären, dass sie aufhören."
Hofbesuch bei Christian Endres, der einen Betrieb mit 1600 Schweinen in Karlstadt-Rohrbach (Lkr. Main-Spessart) leitet. Wenn Landwirte ihre Schweine verkaufen wollen, würden sie teils hohe Verluste machen, sagt Endres. "Wenn es optimal läuft, komme ich mit Glück auf null raus. Aber das ist ja keine Perspektive."
Endres' Hauptproblem: hohe Ausgaben einerseits, geringe Erlöse andererseits. Seit September erhalte er beim Verkauf rund 1,20 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht, berichtet der Schweinehalter. Anfang 2020 habe der Erlös noch bei rund 2 Euro gelegen. Futter sei gleichzeitig so teuer wie nie. Endres füttert zwar hauptsächlich eigens angebautes Getreide, allerdings kauft er Sojaschrot, Rapsschrot und Vitamine zu. Bis Mitte 2021 habe das Ergänzungsfutter 34 Euro pro Doppelzentner gekostet, jetzt seien es 52 Euro.
"5D": Tiere werden in Deutschland geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet, verarbeitet
Die Hoffnung setzt man beim Bauernverband auf die Verbraucherinnen und Verbraucher – und auf "5D". Die Abkürzung bedeutet, dass alle Prozesse rund um das Tier in Deutschland stattfinden: Das Schwein wird im Land geboren, aufgezogen, gemästet, geschlachtet und verarbeitet. Aldi, Lidl, Rewe, Penny und Kaufland haben angekündigt, ihr Sortiment 2022 ganz oder weitgehend auf 5D umstellen zu wollen. Ein großer Fortschritt, sagen Landwirte wie Christian Endres. Doch bei Aldi beispielsweise gelte "5D" nur für Frischfleisch, also nur für etwa 50 Prozent des Fleischsortiments. "5D hätten wir schon lange gebraucht", sagt Endres, "und am besten müsste es ganz groß vorne draufstehen, nicht hinten".
Die Landwirte mahnen: Wenn nicht bald etwas passiere, falle das erste "D" weg – die Aufzucht in Deutschland. Wenn er ein Ferkel kaufe, zahle er dafür aktuell 45 Euro, sagt Agrarbetriebswirt Endres: "Für die Ferkelerzeuger ist das viel zu wenig, die legen 30 Euro drauf."
Der 48-jährige Landwirt hat den Hof in Karlstadt-Rohrbach 2013 von seinem Vater Gerhard übernommen. Seinem 13-jährigen Enkel könne er nicht mehr raten, auch Bauer zu werden, sagt Senior Gerhard Endres. "Sonst könnte ich nachts nicht mehr schlafen."
Steigende Auflagen, zunehmende Dokumentationspflichten - die Bürokratie werde mehr und mehr. Daniela Endres, die Frau von Christian Endres, hilft im Betrieb bei der Büroarbeit mit - zusätzlich. "Meine Frau muss auf Arbeit", sagt der Landwirt, "sie muss mein Hobby finanzieren." Aufhören? "Das ist verlockend", sagt Endres. Dann müsste er nicht mehr früh und abends in den Stall - egal ob Montag oder Sonntag ist, ob Feiertag oder Silvester. Der 48-Jährige deutet auf seine vollen Silos: Würde er sein Futter verkaufen, würde er rund 200 000 Euro erhalten. Aber er hänge zu sehr an seinem Beruf.
Auch Peter Köhler, der bei Endres seine Ausbildung zum Landwirt gemacht hat, sagt: "Die Zeit ist extrem schnelllebig, es gibt keine langfristige Sicherheit mehr." Wenn das deutsche Fleisch weg sei, komme es eben aus Chile oder Spanien: "Dort werden noch Mittel eingesetzt, die bei uns seit 30 Jahren zu Recht verboten sind."
Seit Jahren verwende er keine Antibiotika mehr, sagt Endres: "Wenn man gute Ferkel hat, einen guten Stall, eine gute Lüftung und gutes Futter, dann sind Krankheiten kein Problem." Im vergangenen Jahr hat er auf "Haltungsstufe 2" umgestellt und die Zahl der Schweine von 2000 auf 1600 reduziert, sie haben jetzt 20 Prozent mehr Platz. Dafür erhält der Landwirt einen Zuschlag von 5,28 Euro pro Schwein. Der Aufwand dafür aber sei groß: "Würde ich die Arbeitszeit rechnen, würde es sich überhaupt nicht lohnen."
BBV wirbt für Fleisch aus der Region: gut für Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Umweltschutz
"Jeder will Klimaschutz, aber wir schippern das Fleisch durch die halbe Welt", beklagt Stefan Köhler, der unterfränkische BBV-Präsident. Dabei trage die regionale Produktion vor Ort sowohl zur Nachhaltigkeit als auch zum Klimaschutz bei, ergänzt BBV-Geschäftsführer Elmar Konrad.
Der Betrieb von Christian Endres ist autark: Auf den Dächern sind Photovoltaikanlagen, Wohnung und Büro werden über die Biogasanlage beheizt. Auf rund der Hälfte der 240 Hektar baut der Landwirt Weizen und Gerste für die Schweine an, dazu kommen Mais für die Biogasanlage und Braugerste. "Flächengebundene Tierhaltung, wie man sie will", sagt Elmar Konrad. Die einen würden bei seinem Hof von bäuerlichem Familienbetrieb sprechen, meint Christian Endres. Andere dagegen würden ihn in die Schublade "Massentierhaltung" stecken.
"Wer kein deutsches Fleisch kauft, ist gegen Tierwohl und Umweltstandards", sagen Köhler und Konrad beim Hofrundgang. Doch häufig erkenne der Verbraucher gar nicht, woher die Ware komme. Große Hoffnung setzten die Landwirte auf den neuen Landwirtschaftsminister, Cem Özdemir (Grüne). "Ich denke, dass er positiv etwas bewirken kann", meint auch Christian Endres. Und Manuela Rottmann, als Staatssekretärin ins Ministerium berufen, sei "sehr an den persönlichen Kontakten in die Region interessiert", sagt Köhler. Die Hammelburgerin habe etwa zugesichert, dass die Haltungskennzeichnung ganz oben auf der Prioritätenliste stehe.
Man wolle keinen Jammerbericht, sondern die Verbraucherinnen und Verbraucher wachrütteln. Es mache einen Unterschied, woher das Fleisch komme, sagt der unterfränkische BBV-Chef, der in diesem Jahr für das Amt des bayerischen Bauernpräsidenten kandidieren will: "Ich appelliere an den Patriotismus von jedem Verbraucher. Deutsche Qualität erhält man nur mit 5D!"
Da steht auf der Terrasse der 2000€ teure Webergrill , und gegrillt wird das billigste Gelump vom Discounter
Mit welchen Subventionen und Zuschüssen habe Sie die Anlagen gebaut und welche Subventionen bekommen Sie sonst noch so aus Brüssel?
Vom BBV können andere Verbände viel lernen. Egal ob gut oder schlecht, der BBV hat immer einen Grund Subventionen und Zuschüsse zu verlangen.
Wenn ein Handwerker der das falsche Produkt baut oder die nicht gefragte Dienstleistung anbietet und von seiner Arbeit nicht leben kann, dann ist er ein schlechter Geschäftsmann.
Wenn ein Landwirt von seiner Arbeit nicht leben kann, dann hilft die Gemeinschaft über Subventionen.
Beide Fälle sind schlimm, aber warum wird ein Berufsstand massiv subventioniert, nur weil er Lebensmittelanbaut und somit "wichtiger" ist als der Heizungsbauer?
🙂🙂
Bevölkerung in Deutschland 83,24 Millionen Menschen.
Das ergibt 61,27kg Schwein pro Bewohner. Nicht alles davon kann man essen, aber 40kg sollten essbar sein.
Jetzt sollen wir aber auch noch 1,1 Millionen Tonnen Rinder und 1,61 Millionen Tonnen Geflügel verputzen.
Also beim besten Willen, ich kann nicht drei Schäuferl in der Woche futtern.
Vermute aber eher, hier klappt das Konzept der Marktwirtschaft mit immer größer, mehr und billiger in der Landwirtschaft nicht.
Selbst die CSU will nicht mehr an ihren Unsinn „Wachsen oder Weichen“ erinnert werden.
https://www.ludwighartmann.de/erwiderung-regierungserklaerung-kaniber-landwirtschaft-2030-210521/
Damit haben sie eine viel stärkere Verhandlungsposition als Landwirte.
Lebensmittelindustrie allgemein kann sogar umgekehrt auch den Handel unter Druck setzen.
Im Gegensatz dazu sind Landwirte oft Handelskonzernen hilflos ausgeliefert, selbst der Zusammenschluss zu Genossenschaften bringt kaum etwas.
Der beste Weg für Landwirte wäre Direktvermarktung.
Ich persönlich verzichte bereits seit Jahren auf Fleisch - aus ethischen Gründen. Als freiheitsliebender Mensch besteht für mich ein zu großer Widerspruch, wenn ich Fleisch von Tieren esse, die in Unfreiheit leben. Da ist es auch egal, ob das Tier auf einem Biohof oder auf einem konventionellen Betrieb lebt. Deswegen sehe ich die Zukunft einerseits in Fleischersatz (es gibt bereits hervorragende Fleischersatz-Produkte am Markt) und andererseits in „In-Vitro-Fleisch“, also unter Laborbedingungen gezüchtetem Muskelfleisch.
Natürlich schaue ich mir die Zutatenliste an, bevor ich ein neues Produkt ausprobiere. Bisher habe ich keine Zutaten identifizieren können, die potenziell gesundheitsgefährdend wären. Haben Sie vielleicht ein Beispiel für mich? Und Gegenfrage: Studieren Sie die Zutatenliste, bevor Sie Bratwörschd oder Leberkäs an der Fleischtheke kaufen?
Sie gehören anscheinend zu der privilegierten Klasse die sich teuren Fleischersatz und BIO leisten kann.
Viele Familien können sich BIO einfach nicht leisten weil am Ende vom Geld noch Monat ist.
Teuren Fleischersatz kann man sich dann leisten, wenn man sich von der Vorstellung verabschiedet, dieser müsse jeden Tag auf den Teller kommen. Und so viel teurer als Fleisch ist er gar nicht. Selbst in Schnellrestaurants gibt es inzwischen vegane Burger, die geschmacklich und preislich mit den Fleisch-Burgern konkurrieren können. Und ein Falafel-Döner schmeckt mindestens genauso gut wie ein normaler Döner, bei gleichem Preis. Sie sehen: Man kann schon, wenn man nur will.
Ich gebe Ihnen aber gerne Recht, dass sich viele Menschen Bio-Produkte einfach nicht leisten können.