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GEMÜNDEN
Vorwürfe eines Insiders: Das System Felbinger
Fragwürdige Werkverträge: Ein Insider legt dieser Redaktion Verträge vor, die angeblich nur zum Schein geschlossen wurden. So hätte sich der Gemündener Landtagsabgeordnete auf Steuerzahlerkosten Geld gespart.
Andreas Brachs
 |  aktualisiert: 11.12.2019 19:00 Uhr

Nichts weniger als persönliche Bereicherung, die Verschwendung von Steuergeldern und falsche Rechnungen an den Bayerischen Landtag wirft ein ehemaliger Mitarbeiter dem Landtagsabgeordneten Günther Felbinger vor. Die belastenden Unterlagen, die aus Insider-Kreisen inzwischen an die Redaktion dieser Zeitung gelangt sind, spiegeln ein kompliziertes Netz von Werkverträgen wieder, die der Freie-Wähler-Abgeordnete aus Gemünden-Langenprozelten (Lkr. Main-Spessart) über Jahre teils sogar mit sich selbst als Vorsitzendem der Kreiswählergruppe Main-Spessart geschlossen haben soll.

Ebenfalls begünstigt von Zahlungen aus solchen Werkverträgen soll der Bezirksverband der Freien Wähler in Unterfranken gewesen sein, dem Felbinger bis zu seiner Rücktrittserklärung in dieser Woche vorgestanden hat. Und schließlich soll sogar der Sohn des Vermieters von Felbingers Abgeordnetenbüro von den Zahlungen per Werkvertrag profitiert haben. Solche Vereinbarungen, so der Vorwurf des Insiders, seien aber nur zum Schein geschlossen worden.

Wozu das alles? Letztlich, so formuliert es der Informant, habe Felbinger damit seine Büromiete und die von ihm erwartete finanzielle Unterstützung der Freien Wähler nicht aus eigener Tasche bezahlt, sondern über die Kostenerstattung des Landtags. Beides wäre nicht zulässig. Der Landtag stellt seinen Abgeordneten nämlich zusätzlich zu ihrer Diät jährlich eine Kostenerstattung von knapp 120 000 Euro zur Verfügung, um damit „parlamentarische Arbeiten im Rahmen von Arbeits-, Dienst- und Werkverträgen“ zu vergüten. Üblicherweise werden damit die Mitarbeiter der Abgeordneten entlohnt. Ihre Büromieten oder Zuwendungen an die Parteikassen müssen Abgeordnete dagegen selbst bezahlen. Deshalb bekommt jeder Parlamentarier zusätzlich zu seiner Diät eine Kostenpauschale von 3366 Euro.

Die Sache mit der Miete

Der Insider hat folgendes Beispiel aus dem „System Felbinger“ beschrieben: Statt einen Mietvertrag für das Abgeordnetenbüro abzuschließen, habe Felbinger den Vermietersohn mit einem Werkvertrag bedacht. Für 450 Euro monatlich sollte der Mann für den Abgeordneten „Recherchetätigkeiten, Betreuung meiner Aktivitäten im Web 3.0 und Pressearbeit“ erledigen; so ist es dem Arbeitsvertrag zu entnehmen. De facto, so der Vorwurf des Insiders, habe der Sohn des Vermieters diese Leistungen nicht erbracht, das Geld aber als Miete kassiert. Der Vorteil für Felbinger: Auf diese Weise habe der Landtag das Büro bezahlt und nicht Felbinger selbst von seiner Kostenpauschale.

In gleicher Weise habe es auch für die Bezirksgeschäftsstelle der Freien Wähler Unterfranken, die seit 2010 im gleichen Gebäude wie Felbingers Abgeordnetenbüro in Karlstadt untergebracht sei, keinen Mietvertrag gegeben. Die Miete soll über das Landtagsbudget für Mitarbeiter abgewickelt worden sein. Das habe dem Bezirksverband die Mietkosten erspart. Ähnlich habe es sich mit Werkverträgen verhalten, die direkt mit der Kreiswählergruppe Main-Spessart und dem Bezirksverband geschlossen worden seien, teilt der Insider mit. Sie hätten darüber Geld erhalten, ohne tatsächlich Gegenleistungen erbringen zu müssen – eine Form von „versteckter Parteienfinanzierung“, wie der Informant zusammenfasst. Auf diese Weise sollen mindestens 64 135 Euro Steuergelder „zweckentfremdet eingesetzt worden“ sein, behauptet der Informant.

Diese Behauptungen stützt eine anonyme Anzeige, die am 19. Oktober bei der Staatsanwaltschaft Würzburg einging und die die „systematische Veruntreuung von Steuergeldern durch den bayerischen Landtagsabgeordneten Günther Felbinger“ beklagt sowie auf acht Seiten Text und 31 Seiten Anlagen belegen will. Darin finden sich Kopien des E-Mail-Verkehrs der Beteiligten – von Werkverträgen, Kontoauszügen und anderen Dokumenten.

Erst zwei Wochen später, Anfang dieser Woche, hat Felbinger dann eine Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt und prompt angekündigt, 60 000 Euro aus eigener Tasche an den Landtag zurückzuzahlen. Zu dieser Zeit liefen schon Recherchen von Medien und eine Anfrage des Landtags an Felbinger, in der er aufgefordert wurde, offene Fragen zu beantworten. Die Staatsanwaltschaft München I, die den Eingang der Anzeigen bestätigt hat und inzwischen mit den Ermittlungen wegen „unrichtiger Rechnungslegung gegenüber dem Bayerischen Landtag“ betraut ist, hat am Mittwoch den Landtag informiert, die Aufhebung der Immunität beantragen zu wollen.

Und die Ermittler bekommen noch mehr zu tun: Laut der anonymen Anzeige soll der Landtagsabgeordnete sogar „private Helfer“ missbräuchlich aus dem Topf des Landtags für die parlamentarische Arbeit bezahlt haben. Beispiele dafür seien „Gartenarbeiten“, die „Bewachung“ von Felbingers privatem Anwesen oder „administrative Tätigkeiten für die vom Abgeordneten veranstalteten privaten Laufevents“ wie der Stadtlauf Gemünden oder der Zwei-Brücken-Lauf.

Außerdem habe der sportbegeisterte Landtagsabgeordnete selbst seine Mitarbeiter, die gemäß Abgeordnetengesetz ausschließlich für Landtagsarbeit eingestellt seien, regelmäßig für private Zwecke und Parteiarbeit eingebunden. Sie hätten beispielsweise in ihrer Arbeitszeit für Laufveranstaltungen Urkunden erstellt, Flyer und T-Shirts bestellt. Die Mitarbeiter seien den Wünschen ihres Chefs „willkürlich ausgesetzt“ gewesen, „ohne sich gegen derartige Privataufträge wehren zu können“.

Kritik am Bayerischen Landtag

Kritik äußert der Anzeigenerstatter auch am Bayerischen Landtag, der die Regeln für die Abgeordnetenfinanzierung nach der „Verwandtenaffäre“ erst verschärft hatte. Das Parlament „lässt den Abgeordneten anscheinend zu viel Spielraum, wodurch derartige Manipulationen erst ermöglicht werden“.

Und Felbinger selbst? Der Abgeordnete schweigt zu den Vorwürfen und geht auf Anfragen der Redaktion am Mittwoch nicht mehr ein. Über seinen Anwalt Martin Reymann-Brauer (Erlangen) lässt er ausrichten, dass die Vorgänge nun in den Details mit der Staatsanwaltschaft geklärt werden sollen, er dies aber nicht über die Medien austragen wolle.

Bei Parteifreunden habe sich Felbinger inzwischen für begangene Fehler entschuldigt. Außerdem hat er seinen Rücktritt vom Amt des unterfränkischen Bezirksvorsitzenden der Freien Wähler erklärt. Darüber, ob er sein Abgeordnetenmandat abgeben oder es zumindest ruhen lassen will, hat Felbinger dagegen noch nichts verlauten lassen.

 
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  • Machen wir uns nichts vor. Beiden bürgerlichen Partein kommen aus derselben Politischen Ecke. Wie bei allen großen, alten Organisationen, unabhängig von der politischen oder gesellschaftlichen Grundeinstellung, wächst der Filz und die Arroganz im Lauf der Jahre. Das ist auch bei vielen Gewerkschaften und der SPD so. Wenn wir wirklich eine grundlegende Änderumg wollen, müssen wir das nächste mal die verbliebenen demokratischen Alternativen wählen. Unserer Demokratie täte es gut .
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  • Lebenhan1965
    Hoffentlich zählen in Ihren Augen die Menschen der AfD nicht zu den verbliebenen demokratischen Alternativen.
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  • willi26
    ...Das ist in doppelter Weise den Staat bescheißen. Der Felbinger betrügt das Landtagsamt und der Bürovermieter muss seine Miete nicht in der Anlage V erklären, weil steuerfrei als "geringfügige Beschäftigung". Ein bayerischer Abgeordneter, der also nicht nur selbst betrügt, sondern dann auch noch Beihilfe zur Steuerhinterziehung leistet. Bravo, Herr Felbinger!!! So sehen Vorbilder aus. Aber immer schön am Mandat festhalten und bloß nicht auf die Idee kommen, zurück zu treten!
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  • felix52
    Gell ticktricktrack heute sind wie Sie lauter Gutmenschen unterwegs. Solche, die urteilen dürfen, weil sie gaaaanz sicher ohne Fehler sind! Solche welche bei ihrer Steuer noch nie was Falsches angegeben haben, solche die noch mit einem Bier zu viel gefahren, gell. Aber das sind ja nur Kleinigkeiten und nicht schlimm, denn das Schlimme fängt ja bei 65.000,-- € sieh Felbinger erst an. Aber liebe Gutmenschen, bei 45 Arbeitsjahren nur jedes Jahr um 200,-- € bei der Einkommensteuer betrogen sind schon mal locker 90.000,--, aber das macht ja keiner, davon bin ich voll überzeugt, sind ja alles nur Gutmenschen, gell, lieber ticktricktrack!
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  • st.bb@t-online.de
    Und Sie haben jetzt den Lesern erklärt, dass Sie nun schon auch mal mit einem Bierchen mehr unterwegs sind als erlaubt. Dann haben Sie offensichtlich den Staat in den letzten 45 Jahren jeweils um 200 € betrogen, was natürlich nicht 90.000,00 € sondern nur 9.000,00 € ausmacht, wurscht, heute sind wir großzügig. Aber mal ganz ehrlich, was wollten Sie eigentlich sagen?
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  • Lebenhan1965
    Das Abrechnungssytem des Bayerischen Landtags macht es den Abgeordneten viel zu leicht, frisierte oder falsche Abrechnung einzureichen und dafür Geld zu bekommen.
    Ich weiß ja nicht, wie Sie Ihre Steuererklärung erstellen, aber dort zusätzliches Geld, neben der erlaubten Steueroptimierung, zu erhalten, bedarf schon eines gewissen Aufwands.
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  • Laeufer61
    ...alles o.k. wenn nichts dagegen gesagt wird?
    Machen doch eh alle, gell?
    Und wer an das Steuergesetz erinnert und auf dessen Einhaltung verweist (mit den nötigen Konsequenzen bei Fehlverhalten) ist also dann bei ihnen ein "Gutmensch"? Was assoziieren sie denn mit diesem Begriff? Bei mir hat er einen schalen Beigeschmack, da meistens die so titulierten verunglimpft werden sollen!
    Hier geht's doch nicht nur um einzelne Beträge oder Summen sondern um systematisches Missbrauchen eines Schlupflochs in den MDL-Abrechnungen.
    Bei den Abrechnungen von Mitarbeitern und der Miete für ein Büro wurde so scheint's, der Parteiname hier ziemlich frei interpretiert.
    Tja und gerade wer in der Politik, der Wirtschaft oder im Spitzensport an führender Position tätig ist, steht nun mal besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Darüber sollte sich jeder in diesen Ämtern und Berufen im Klaren sein.
    Es ist doch kein Wunder, das die sog. "Politikverdrossenheit" immer mehr um sich greift.

    MfG
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  • "Edel sei der Mensch ...", wenn der Herr Felbinger, die Größe hat, die ihm der Landrat Herr Schiebel und auch seiner Partei den FW zugesteht, dann zieht Herr Felbinger die nötigen Konsequenzen und legt vor allem sein Landtagsmandat nieder. Und ich hoffe er tut dies in unser aller Interesse bald. Das Wetter ist schön, die Sonne scheint. Wie wäre es heute Nachmittag? Okay, also dann morgen früh, aber in aller Herrgottsfrüh. Versprochen? Das "Versprochen" bezieht sich auch auf den geleisteten Amtseid des noch Landtagsabgeordneten Günther Felbinger von den FW.
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  • Lebenhan1965
    Das ist kein System Felbinger, sondern ein Fehler im System des Bayerischen Landtags, der es unehrlichen Abgeordneten gar zu leicht gemacht hat und scheinbar immer noch macht, sich wie in einem Selbstbedienungsladen ohne Kasse zu bereichern.
    Viele sind davon verführt werden. Ich weiß im Moment nicht einmal, ob eine Partei hier ganz ohne "Sünder" ist.
    Jedenfalls kann allgemein festgestellt werden, dass die Gewissensbildung bei den bayerischen MdL zu wünschen übrig lässt.
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  • rebnik
    Ich wohne ja in MSP und vom Felbinger war ich schon positiv angetan. Und jetzt sowas... traurig
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  • Funkenstern
    Für mich war das Konglomerat Filbinger schon immer sehr suspekt. Sein Gehabe, sein Politischer Stil erinnern mich sehr stark an Gutsherrentum.
    Diese Affäre spiegelt knallhart seinen Charakter wider und jeder bekommt das was er verdient.
    Ich bin gespannt, wie diese Causa endet. Nach Rechtsstaatlichem Verständnis nur mit Gefängnis. Diese Selbstanzeige ist der letztlich logische Schritt vor dem Exodus. Der politische Selbstmord hat mit dem ersten gedanklichen Vergehen stattgefunden.
    Mitleid habe ich nicht mit ihm, vielmehr muss ihn die konsequente Härte unseres Rechtsstaates treffen. Er hat sich es redlich verdient und mehrmals darum gebettelt.
    Ein Sprichwort sagt: der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.
    Es hat viel zu lange gedauert.
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  • Laeufer61
    ...aber Zitat: "...war das Konglomerat Filbinger schon immer sehr suspekt."

    Ein Herr "Filbinger" hatte noch eine ganz andere Vita als Felbinger zwinkern

    MfG
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  • ammi187@gmail.com
    Hmmm.. zuerst einmal leidet das komplette Ansehen der Freien Wähler durch diesen Fehltritt. Weiterhin sehe ich hier natürlich, sofern die Behauptungen sich wirklich beweisen lassen, evtl. den Tatbestand des Betrugs erfüllt. Schade das Politiker die eh schon genug verdienen sich auch noch weiterhin persönlich bereichern. Vielleicht ist es nun an der Zeit dass Spitzenpositionen der Freien Wähler (Landrat, Bürgermeister Marktheidenfeld usw.) durch andere Parteien bei der nächsten Wahl abgelöst werden. Dies ist wohl der beste weg um die Freien Wähler abzustrafen.....
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  • renitent
    ... bei dieser Logik und Konsequenz, dürften wir in Bayern längst nicht mehr von der CSU regiert werden, wenn man die Zahl der Skandale (Fraktionsvorsitzender im Landtag, Landräte, Landesbank etc.) zusammen nimmt ... doch darauf warten wir (noch) vergebens ...
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  • al-holler@t-online.de
    Wollen 'Sie etwa das eine mit dem zweifellos geschehenen anderen rechtfertigen?
    Sie - die FW - sind doch mit dem hehren Anspruch an sich selbst angetreten, die besseren (was auch immer) zu sein und alles besser zu wissen.
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  • renitent
    Politisch weit gefehlt, aber egal... Meine Kritik bzw. Zweifel richtet sich an die Konsequenz und Erinnerungvermögen oder -willen der Wahlberechtigten. Weder bei der CSU noch bei der FW werden wir erleben, dass solche Skandale ernsthafte Folgen für den Ausgang von Wahlen in zwei bis vier Jahren haben werden. Sonst hätte auch die CDU auf Jahre hinaus keine Kanzlerin mehr stellen dürfen nach Kohl, oder?
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