Nichts weniger als persönliche Bereicherung, die Verschwendung von Steuergeldern und falsche Rechnungen an den Bayerischen Landtag wirft ein ehemaliger Mitarbeiter dem Landtagsabgeordneten Günther Felbinger vor. Die belastenden Unterlagen, die aus Insider-Kreisen inzwischen an die Redaktion dieser Zeitung gelangt sind, spiegeln ein kompliziertes Netz von Werkverträgen wieder, die der Freie-Wähler-Abgeordnete aus Gemünden-Langenprozelten (Lkr. Main-Spessart) über Jahre teils sogar mit sich selbst als Vorsitzendem der Kreiswählergruppe Main-Spessart geschlossen haben soll.
Ebenfalls begünstigt von Zahlungen aus solchen Werkverträgen soll der Bezirksverband der Freien Wähler in Unterfranken gewesen sein, dem Felbinger bis zu seiner Rücktrittserklärung in dieser Woche vorgestanden hat. Und schließlich soll sogar der Sohn des Vermieters von Felbingers Abgeordnetenbüro von den Zahlungen per Werkvertrag profitiert haben. Solche Vereinbarungen, so der Vorwurf des Insiders, seien aber nur zum Schein geschlossen worden.
Wozu das alles? Letztlich, so formuliert es der Informant, habe Felbinger damit seine Büromiete und die von ihm erwartete finanzielle Unterstützung der Freien Wähler nicht aus eigener Tasche bezahlt, sondern über die Kostenerstattung des Landtags. Beides wäre nicht zulässig. Der Landtag stellt seinen Abgeordneten nämlich zusätzlich zu ihrer Diät jährlich eine Kostenerstattung von knapp 120 000 Euro zur Verfügung, um damit „parlamentarische Arbeiten im Rahmen von Arbeits-, Dienst- und Werkverträgen“ zu vergüten. Üblicherweise werden damit die Mitarbeiter der Abgeordneten entlohnt. Ihre Büromieten oder Zuwendungen an die Parteikassen müssen Abgeordnete dagegen selbst bezahlen. Deshalb bekommt jeder Parlamentarier zusätzlich zu seiner Diät eine Kostenpauschale von 3366 Euro.
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Die Sache mit der Miete
Der Insider hat folgendes Beispiel aus dem „System Felbinger“ beschrieben: Statt einen Mietvertrag für das Abgeordnetenbüro abzuschließen, habe Felbinger den Vermietersohn mit einem Werkvertrag bedacht. Für 450 Euro monatlich sollte der Mann für den Abgeordneten „Recherchetätigkeiten, Betreuung meiner Aktivitäten im Web 3.0 und Pressearbeit“ erledigen; so ist es dem Arbeitsvertrag zu entnehmen. De facto, so der Vorwurf des Insiders, habe der Sohn des Vermieters diese Leistungen nicht erbracht, das Geld aber als Miete kassiert. Der Vorteil für Felbinger: Auf diese Weise habe der Landtag das Büro bezahlt und nicht Felbinger selbst von seiner Kostenpauschale.
In gleicher Weise habe es auch für die Bezirksgeschäftsstelle der Freien Wähler Unterfranken, die seit 2010 im gleichen Gebäude wie Felbingers Abgeordnetenbüro in Karlstadt untergebracht sei, keinen Mietvertrag gegeben. Die Miete soll über das Landtagsbudget für Mitarbeiter abgewickelt worden sein. Das habe dem Bezirksverband die Mietkosten erspart. Ähnlich habe es sich mit Werkverträgen verhalten, die direkt mit der Kreiswählergruppe Main-Spessart und dem Bezirksverband geschlossen worden seien, teilt der Insider mit. Sie hätten darüber Geld erhalten, ohne tatsächlich Gegenleistungen erbringen zu müssen – eine Form von „versteckter Parteienfinanzierung“, wie der Informant zusammenfasst. Auf diese Weise sollen mindestens 64 135 Euro Steuergelder „zweckentfremdet eingesetzt worden“ sein, behauptet der Informant.
Diese Behauptungen stützt eine anonyme Anzeige, die am 19. Oktober bei der Staatsanwaltschaft Würzburg einging und die die „systematische Veruntreuung von Steuergeldern durch den bayerischen Landtagsabgeordneten Günther Felbinger“ beklagt sowie auf acht Seiten Text und 31 Seiten Anlagen belegen will. Darin finden sich Kopien des E-Mail-Verkehrs der Beteiligten – von Werkverträgen, Kontoauszügen und anderen Dokumenten.
Erst zwei Wochen später, Anfang dieser Woche, hat Felbinger dann eine Selbstanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt und prompt angekündigt, 60 000 Euro aus eigener Tasche an den Landtag zurückzuzahlen. Zu dieser Zeit liefen schon Recherchen von Medien und eine Anfrage des Landtags an Felbinger, in der er aufgefordert wurde, offene Fragen zu beantworten. Die Staatsanwaltschaft München I, die den Eingang der Anzeigen bestätigt hat und inzwischen mit den Ermittlungen wegen „unrichtiger Rechnungslegung gegenüber dem Bayerischen Landtag“ betraut ist, hat am Mittwoch den Landtag informiert, die Aufhebung der Immunität beantragen zu wollen.
Und die Ermittler bekommen noch mehr zu tun: Laut der anonymen Anzeige soll der Landtagsabgeordnete sogar „private Helfer“ missbräuchlich aus dem Topf des Landtags für die parlamentarische Arbeit bezahlt haben. Beispiele dafür seien „Gartenarbeiten“, die „Bewachung“ von Felbingers privatem Anwesen oder „administrative Tätigkeiten für die vom Abgeordneten veranstalteten privaten Laufevents“ wie der Stadtlauf Gemünden oder der Zwei-Brücken-Lauf.
Außerdem habe der sportbegeisterte Landtagsabgeordnete selbst seine Mitarbeiter, die gemäß Abgeordnetengesetz ausschließlich für Landtagsarbeit eingestellt seien, regelmäßig für private Zwecke und Parteiarbeit eingebunden. Sie hätten beispielsweise in ihrer Arbeitszeit für Laufveranstaltungen Urkunden erstellt, Flyer und T-Shirts bestellt. Die Mitarbeiter seien den Wünschen ihres Chefs „willkürlich ausgesetzt“ gewesen, „ohne sich gegen derartige Privataufträge wehren zu können“.
Kritik am Bayerischen Landtag
Kritik äußert der Anzeigenerstatter auch am Bayerischen Landtag, der die Regeln für die Abgeordnetenfinanzierung nach der „Verwandtenaffäre“ erst verschärft hatte. Das Parlament „lässt den Abgeordneten anscheinend zu viel Spielraum, wodurch derartige Manipulationen erst ermöglicht werden“.
Und Felbinger selbst? Der Abgeordnete schweigt zu den Vorwürfen und geht auf Anfragen der Redaktion am Mittwoch nicht mehr ein. Über seinen Anwalt Martin Reymann-Brauer (Erlangen) lässt er ausrichten, dass die Vorgänge nun in den Details mit der Staatsanwaltschaft geklärt werden sollen, er dies aber nicht über die Medien austragen wolle.
Bei Parteifreunden habe sich Felbinger inzwischen für begangene Fehler entschuldigt. Außerdem hat er seinen Rücktritt vom Amt des unterfränkischen Bezirksvorsitzenden der Freien Wähler erklärt. Darüber, ob er sein Abgeordnetenmandat abgeben oder es zumindest ruhen lassen will, hat Felbinger dagegen noch nichts verlauten lassen.
Ich weiß ja nicht, wie Sie Ihre Steuererklärung erstellen, aber dort zusätzliches Geld, neben der erlaubten Steueroptimierung, zu erhalten, bedarf schon eines gewissen Aufwands.
Machen doch eh alle, gell?
Und wer an das Steuergesetz erinnert und auf dessen Einhaltung verweist (mit den nötigen Konsequenzen bei Fehlverhalten) ist also dann bei ihnen ein "Gutmensch"? Was assoziieren sie denn mit diesem Begriff? Bei mir hat er einen schalen Beigeschmack, da meistens die so titulierten verunglimpft werden sollen!
Hier geht's doch nicht nur um einzelne Beträge oder Summen sondern um systematisches Missbrauchen eines Schlupflochs in den MDL-Abrechnungen.
Bei den Abrechnungen von Mitarbeitern und der Miete für ein Büro wurde so scheint's, der Parteiname hier ziemlich frei interpretiert.
Tja und gerade wer in der Politik, der Wirtschaft oder im Spitzensport an führender Position tätig ist, steht nun mal besonders im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Darüber sollte sich jeder in diesen Ämtern und Berufen im Klaren sein.
Es ist doch kein Wunder, das die sog. "Politikverdrossenheit" immer mehr um sich greift.
MfG
Viele sind davon verführt werden. Ich weiß im Moment nicht einmal, ob eine Partei hier ganz ohne "Sünder" ist.
Jedenfalls kann allgemein festgestellt werden, dass die Gewissensbildung bei den bayerischen MdL zu wünschen übrig lässt.
Diese Affäre spiegelt knallhart seinen Charakter wider und jeder bekommt das was er verdient.
Ich bin gespannt, wie diese Causa endet. Nach Rechtsstaatlichem Verständnis nur mit Gefängnis. Diese Selbstanzeige ist der letztlich logische Schritt vor dem Exodus. Der politische Selbstmord hat mit dem ersten gedanklichen Vergehen stattgefunden.
Mitleid habe ich nicht mit ihm, vielmehr muss ihn die konsequente Härte unseres Rechtsstaates treffen. Er hat sich es redlich verdient und mehrmals darum gebettelt.
Ein Sprichwort sagt: der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.
Es hat viel zu lange gedauert.
Ein Herr "Filbinger" hatte noch eine ganz andere Vita als Felbinger
MfG
Sie - die FW - sind doch mit dem hehren Anspruch an sich selbst angetreten, die besseren (was auch immer) zu sein und alles besser zu wissen.