Montagabend in der Ringerhalle des TV Unterdürrbach, es riecht nach Turnhalle und Schweiß. Franziska Freudenberger wärmt sich gemeinsam mit anderen Ju-Jutsu-Sportlerinnen und -Sportlern auf den weichen Bodenmatten auf. Heute steht ein leichtes Training an, zum Aufwärmen üben sie lockere Tritte und Schläge, die deutsche Meisterschaft in München ist erst eine Woche her.
Im Würzburger Stadtteil Unterdürrbach trainiert Freudenberger, die in Sachsenheim in der Nähe von Gemünden (Lkr. Main-Spessart) lebt, an einem der vier deutschen Stützpunkte des Bundeskaders für Ju-Jutsu, Disziplin Fighting. Die 28-Jährige trainiert hier jeden Montag, Mittwoch und Freitag. Sie sei nicht gut darin, nach Meisterschaften Pausen einzulegen, verrät Bundestrainer Roland Köhler mit einem Augenzwinkern. Er ist auch Präsident des deutschen Ju-Jutsu-Verbandes. "Sie trainiert wahnsinnig viel, manchmal sogar zu viel. Und sie ist wahnsinnig talentiert" – so beschreibt er die Sportlerin.
Zweimalige Ju-Jutsu-Weltmeisterin
Ihr Talent und Fleiß hat Freudenberger in den Bundeskader und an die Weltspitze im Ju-Jutsu gebracht. In ihrer Alters- und Gewichtsklasse wurde sie 2017 und 2022 Weltmeisterin, europäische Meisterin im Jahr 2021, deutsche Meisterin 2012 und 2019, und erlangte unzählige weitere Platzierungen auf den Siegertreppchen der Welt, Europas, Deutschlands.
Zusätzlich zu drei Trainingsabenden in Unterdürrbach, einem weiteren in Prichsenstadt und Lehrgängen an den meisten Wochenenden absolviert Freudenberger Kraft- und Ausdauertraining in den eigenen vier Wänden in Sachsenheim oder joggend in der Natur. Zuhause hat sie mittlerweile sogar eine eigene Mattenfläche. Etwa ein Wochenende im Monat hat die Sportlerin frei. Vor großen Meisterschaften wird das Training intensiver, aber nicht unbedingt umfangreicher.
Um so weit wie Franziska Freudenberger zu kommen, bedarf es eines hohen Investments. Wieso macht sie das? "Ich glaube, es ist eine Mischung aus vielem", sagt die 28-Jährige. "Man wächst in die Gemeinschaft rein, hat alle Freunde hier. Ich finde den Sport mega cool, man kann sich in den Kämpfen komplett auspowern. Es ist ein guter Ausgleich von der Arbeit."
Durch die verschiedenen Techniken in den Bereichen Schlagen, Treten, Werfen und Bodenkampf sei der Sport vielseitig. Je mehr man lernt, desto mehr taktische Möglichkeiten würden sich in den Kämpfen eröffnen. "Das macht Spaß, wenn man merkt, dass man sich entwickeln kann, obwohl man es schon so lange macht", erklärt Freudenberger. Zum Ju-Jutsu kam sie 2008 über Bekannte, die sie – bis dahin Judoka – zum Training mitnahmen. So kam es auch zur Entscheidung für die Disziplin Fighting: "Es war dem ähnlich, was ich aus dem Judo kannte." Seit 15 Jahren also trainiert sie beim SV Oberdürrbach, der die Halle des TV Unterdürrbach nutzt.
Keine Preisgelder im Ju-Jutsu
Preisgelder bekam Freudenberger für ihre Titel nie, aber das sei schon okay, sagt sie. "Ich mache ja bewusst diese Sportart", findet sie. "Durch Preisgelder würde der Druck steigen, es würde die Konkurrenz untereinander zunehmen, nicht mehr so fair und kollegial in der Gruppe sein." Durch eine Förderung der Deutschen Sporthilfe kommt sie zurecht. Dennoch: Wer nicht über die Bundeswehr oder Polizei in diesem Leistungssport landet, müsse arbeiten. Das tut sie, als Psychologin in einem Forschungsprojekt, zu dem sie nun auch ihre Promotion schreiben will. Es geht um Medienkompetenz im Kindergartenalter. Psychologie und Ju-Jutsu, sie würde keines von beidem zugunsten des anderen aufgeben wollen.
Mindestens zweimal im Jahr gehören zum Sport und dem Platz im Bundeskader Drogenscreenings, meistens via Urinprobe. "Ab einer bestimmten Platzierung auf einer WM oder EM fällt man in die engeren Testpools, bei denen man Übernachtungsort und regelmäßige Tätigkeiten angeben muss, die mehr als eine halbe Stunde vom normalen Aufenthaltsort entfernt sind. Die kontrollieren natürlich immer unangekündigt." Einmal wurde sie auf der Arbeit aufgesucht, einmal am frühen Morgen in ihrem Zuhause, auch schon im Training. Sobald sie sich angekündigt haben, dürfen die Kontrolleure die Sportlerin nicht aus den Augen lassen, bis die aufs Klo muss. "Schon komisch" seien die Kontrollen, "es gibt Angenehmeres", sagt Freudenberger. Aber sie nimmt es pragmatisch: "Man kann nicht so viel machen. Man kann mal das Bad zuhause putzen."
Und wie lassen sich Sport und Promotion mit dem Leben auf dem Land im 330-Einwohner-Dorf Sachsenheim vereinbaren? "Ich finde es angenehm", sagt Freudenberger. "Für die Arbeit muss ich eh nach Würzburg fahren, das ist in der Regel eine halbe Stunde." Und dann sei es egal, ob man reinpendelt oder auf dem Weg von einem Stadtteil in den anderen im Stau steht.
"Ich wohne lieber auf dem Land. Ich mag es, dass man rausgeht und direkt auf den Feldern oder im Wald ist und ein bisschen Abstand zu allem hat", erzählt die Sportlerin. Sich aktiv in der Dorfgemeinschaft einzubringen, so wie andere es etwa bei der Feuerwehr tun, sei bei zehn bis zwölf Sporteinheiten pro Woche aber schwierig.
Das jetzige Pensum will sie noch eine Weile aufrechterhalten. "Man kann das schon recht lange machen", sagt Freudenberger. "Man ist nicht so wie im Turnen ganz stark an die Beweglichkeit der Jugend gebunden. Ich würde das bis Anfang 30 machen und dann schaue ich mal, wie es kommt." Weiter geht es zunächst mit den Paris Open am 22. und 23. April. Dort kann sie an ihrer Qualifikation für die World Games 2025 in China arbeiten – eine Teilnahme und ein Sieg bei den alle vier Jahre stattfindenden Spielen fehlen ihr noch in der Sammlung.
Es ist gut, etwas zu lesen von Sport, bei dem kein Geld und keine Prämien dahinter stehen.
Sich da zu engagieren, Zeit investieren und Trainingsleistung zu erbringen muss wiklich respektiert werden!