Lukas Winzenhöler hat es geschafft, er hat den Wettstreit zwischen Läufer und Sammler beim Remlinger Eierlauf gewonnen. Der Eierlauf ist das älteste Fest in Remlingen. Das Besondere: Es ist ein Fest, das schon seit 285 Jahren gefeiert wird. Zurück geht diese Tradition auf einen Erlass von Gräfin Dorothea Renata von Castell-Remlingen. Damals war es für jeden Bauern Pflicht, den zehnten Teil ihrer Ernte dem örtlich regierenden Grafen oder Fürsten zu übergeben. Doch die Gräfin verzichtete auf einen Teil ihres Cent (Zehnt). Unter all den abzugebenden Gütern waren eine Menge Eier. Im Jahre 1738 verzichtete die Gräfin auf diese "Hubeier", wie sie im Volksmund genannt wurden. Ihre Forderung war jedoch, jährlich am Ostermontag ein Volksfest zu feiern, bei dem die erlassenen Eier der Dorfjugend übergeben wurden.
Hieraus entstand der Eierlauf, ein Wettkampf um die geschenkten Eier, an dem nur junge, unverheiratete, unbescholtene Burschen teilnehmen durften. Bis heute findet der Eierlauf Jahr für Jahr statt – nur während der beiden Weltkriege gab es keine Läufe. Auch in den zurückliegenden Corona-Jahren wurde der Wettbewerb im kleinen Kreis durchgeführt. Mehr als 1000 Gäste nahmen in diesem Jahr an diesem traditionellen Fest teil und unterstützten die Eierläufer lautstark. Walter Schwab, der seit vielen Jahrzehnten das Spektakel mit seiner Kamera festhält, war über das große Interesse der vielen Zuschauer begeistert. "Es sind gefühlt viel mehr Menschen hier wie in den Jahren vor Corona."
Läufer und Sammler müssen Losglück haben
Bereits um 9 Uhr trafen sich die jungen Burschen zum Ökumenischen Gottesdienst und zogen danach vom Marktplatz aus in Gruppen von Haus zu Haus, um Eier für den Wettkampf einzusammeln. Die Burschen, die das erste Jahr dabei sind, nennt man die "Hasen", sie sind für das Klingeln an den Haustüren und das Fragen mit den Worten "Hat der Has scho gelächt?" zuständig.
Der Eierlauf hat seine eigenen Gesetze. Um einen reibungslosen Ablauf, auch des anschließenden Festes mit Festzelt am Sportplatz zu organisieren, wählen die Teilnehmer des Eierlaufes für ein Jahr einen Bürgermeister und dessen Stellvertreter. In diesem Jahr hatten Luca Philipp ("Eierlauf Bürgermeister") und sein Stellvertreter, Adrian Stenke, diese Ämter inne. Um 14 Uhr trafen sich die Eierläufer am Schafstall, um von dort mit der Kapelle zum Marktplatz zu ziehen. Hier wurde aus den mehr als 50 Eierläufern per Los der Läufer und der Sammler ermittelt. Anschließend ging es im Festzug zum Sportgelände am Centberg. "Für die jungen Männer in Remlingen ist es selbstverständlich, dass sie am Eierlauf teilnehmen", berichtet Johannes Wehr. Wehr war selbst schon Läufer und Eierlauf Bürgermeister.
Gewinner darf den Festabend eröffnen
Während der "Läufer" zum 2130 Meter entfernten Eierlaufstein eilt und dort ein rohes Ei zerwirft, beginnt der "Sammler" auf dem Sportplatz mit dem Einsammeln von 75 Eiern, die jeweils im Abstand von zwei Fuß (62 Zentimeter) liegen. Jedes Ei muss er einzeln zu einem Korb bringen. Der "Läufer" kehrt derweil zum Sportplatz zurück. Wer als Erstes das Ziel erreicht, hat gewonnen. Sichtlich erschöpft warf Lukas Winzenhöler das letzte Ei in den Sammelkorb, bevor der Läufer Samuel Wehr das Sportgelände wieder erreichte. Der Sieger 2023 war ermittelt und stieß mit der traditionellen Eierbier-Maß an: In einen Liter Bier werden dafür vier Eier gerührt und getrunken. Auf den Sieger warten weder Pokal noch Preisgeld. Er hat lediglich den ersten Tanz am Abend mit seiner Auserwählten im Festzelt. Sein Lohn ist außerdem der Eintrag in die Siegerliste, die schon viele Jahrzehnte in Remlingen geführt wird.
Manches Paar fand sich beim Eierlauf
Die Teilnehmerzahl variieren von Jahr zu Jahr, denn mit der Heirat muss der junge Mann aus dem Kreis der Eierläufer ausscheiden. Wie Luca Philipp berichtet, haben sich auch nach der Pandemie sehr viele junge Männer zur Teilnahme gemeldet. Teilnehmen dürfen die Jugendlichen erst nach der Konfirmation, hier komme es natürlich auf die Jahrgangsstärke an. Dass keine Frauen als Eierläufer mitmachen dürfen, beantwortet Johannes Wehr mit der Tradition. Früher sei das Spektakel auch eine Art Brautschau gewesen. Hier haben sich die jungen Frauen aus den Nachbargemeinden eingefunden und so manches Paar habe sich hier gefunden.
Vor über 60 Jahren haben sich zum Beispiel Reinhold und Rosa Engelhart beim Eierlauf kennengelernt. Rosa Engelhart ist bereits verstorben, aber die Tradition, den Eierlauf jährlich am Ostermontag zu besuchen ist für den Sohn Rainer mit seiner Familie eine liebgewonnene Erinnerung.
Gäste des großen Spektakels waren auch einige Besucher aus der Remlinger Partnerstadt Effingen in der Schweiz. Hier gibt es einen ähnlichen Osterbrauch: das Eierleset. Auch hier steht das Ei als Symbol der Fruchtbarkeit im Mittelpunkt.