
Die Einführung der Vier-Tage-Woche sei die richtige Entscheidung gewesen, sagt Heike Wenzel, Geschäftsführerin der Wenzel Group in Wiesthal (Lkr. Main-Spessart). Der weltweit tätige Maschinenbauer hat zum Jahresbeginn in der Produktion am Stammsitz die kurze Woche eingeführt, optional auch für die Mitarbeitenden in der Verwaltung. Er ist damit Vorreiter in der Branche und in der Region.
"Ich würde sagen: Experiment geglückt", ist Wenzels Fazit. Wobei die Einführung des neuen Arbeitszeitmodells für sie nie ein Experiment gewesen sei, sondern von Anfang an auf Dauer angelegt war. "Es hat eine Weile gedauert, bis sich alles eingespielt hat und die vertraglichen Details für den Einzelnen geregelt waren."

Etwa 50 Prozent der Mitarbeitenden, also 150 Beschäftigte am Standort in Wiesthal, arbeiten jetzt von Montag bis Donnerstag. Wer das Arbeitszeitmodell gewechselt hat, profitiert von einer Reduktion der vertraglich festgelegten Arbeitszeit von 37,5 auf 36 Wochenstunden ohne Lohnverzicht. Angestellte mit 40-Stunden-Verträgen konnten entscheiden, ob sie mit einer "Selbstbeteiligung" ebenfalls auf eine Vier-Tage-Woche mit 36 Stunden reduzieren oder ihre bisherigen vertraglichen Bedingungen beibehalten wollten.
Vier-Tage-Woche auf Probe bei Seho Systems
Seho Systems in Wiebelbach (Lkr. Main-Spessart) folgte Wenzels Beispiel und führte zum 1. Mai die Vier-Tage-Woche ein. Die rund 100 Mitarbeitenden in der Produktion haben ihre Arbeitszeit von 40 auf 37 Stunden reduziert. "Wir hatten eine dreimonatige Testphase vereinbart", berichtet Personalleiterin Larissa Hepp. Danach sollte geprüft werden, wie die Beschäftigten dazu stehen und ob es sich für den Betrieb rechnet.
Nach wenigen Wochen habe man festgestellt, dass der Zeitraum zu kurz sei, um Aussagen treffen zu können. Die Testphase wurde auf Ende des Jahre verlängert. Seit September arbeiten auch das fertigungsnahe Global-Process-Team sowie die Auszubildenden – sofern es das Jugendarbeitsschutzgesetz zulässt – in einer Vier-Tage-Woche.

85 Prozent sind für eine Fortführung der Vier-Tage-Woche
Mehrere Umfragen bei den Mitarbeitenden durch den Betriebsrat hätten jedoch gezeigt, dass der Großteil auf Dauer in diesem Arbeitszeitmodell arbeiten möchte, so Hepp. Erst kürzlich hätten sich 85 Prozent der Befragten im Produktionsbereich dafür ausgesprochen. Vor allem Ältere würden die tägliche Arbeitszeit von mehr als neun Stunden als anstrengend empfinden.
In einer Online-Umfrage dieser Redaktion stimmten auch 79 Prozent der teilnehmenden Leserinnen und Leser für eine Vier-Tage-Woche, wenn sie die Wahl hätten. 25 der 175 Befragten könnten sich dies – abhängig von den Bedingungen – ebenfalls vorstellen. Elf Teilnehmende sind mit ihrer derzeitigen beruflichen Situation zufrieden.
Der Controller von Seho wertet nun verschiedene Kennzahlen aus. "Unter dem Strich muss das gleiche rauskommen wie vorher", beschreibt Hepp das Ziel. "Ende November gibt es Gespräche mit der Geschäftsleitung und dem Betriebsrat. Dann werden wir den Mitarbeitern mitteilen, wie es weitergeht." Es sehe danach aus, dass die Vier-Tage-Woche beibehalten werde.
Mitarbeitende mit Vier-Tage-Woche arbeiten bei Wenzel effizienter als zuvor
Bei Wenzel ist die Produktivität seit Jahresanfang nicht gesunken, sagt die Chefin. Im Gegenteil: "Unsere Mitarbeiter arbeiten effizienter. Sie wollen bis Donnerstagabend ihre Arbeit fertigstellen, um dann ins lange Wochenende zu starten." So bleibe mehr Zeit für eigene Interessen, die Familie und Freundschaften. "Wir schenken den Mitarbeitern einen Tag mehr freie Zeit."
Das neue Arbeitszeitmodell sei aber auch eine Möglichkeit, als attraktiver Arbeitgeber im Wettbewerb um die besten Talente am Arbeitsmarkt zu punkten, sagt Wenzel. Ihr Unternehmen verzeichne seit Jahresanfang mehr Bewerbungen auf offene Arbeitsstellen. In Vorstellungsgesprächen würden Bewerberinnen und Bewerber die Vier-Tage-Woche des Öfteren ansprechen.
Das kann auch Larissa Hepp von Seho bestätigen: "Sonst haben wir im Hochsommer eine Bewerbungsflaute, das war in diesem Jahr anders." Ihr Unternehmen hat offene Stellen zudem aktiv beworben – mit Stellenanzeigen, in Radiospots und auf großflächigen Plakaten.
Beide Unternehmen bestätigen, dass das neue Arbeitszeitmodell auch nachhaltig wirkt. Denn viele der energieintensiven Maschinen können nun bereits am Donnerstagabend ausgeschaltet werden. Dies hat beispielsweise bei Wenzel in Wiesthal Energieeinsparungen von zehn bis 15 Prozent bei gleicher Produktionsleistung zur Folge. "Wir haben die Vier-Tage-Woche auch eingeführt, um Strom zu sparen", so Hepp.
Zufriedene Mitarbeitende sind wichtiger als Maschinenauslastung
Die Motivation und die Zufriedenheit der Angestellten sei wichtiger als die Auslastung der für die Produktion notwendigen Maschinen, sagt Heike Wenzel. Sicherlich sei eine Vier-Tage-Woche nicht in jedem Unternehmen möglich, bei Wenzel schon: "Bei uns gibt der Mensch den Takt vor." Denn die Produktion besteht hauptsächlich aus der Montage von Maschinenbauteilen.
Wenzel sagt, bei ihr hätten sich in den vergangenen Monaten einige Firmen gemeldet, die ebenfalls darüber nachdenken würden, die Vier-Tage-Woche einzuführen. "Ich kann das nur jedem empfehlen – vorausgesetzt, es passt zum Unternehmen."
Wer konzentriert und effektiv seine Aufgaben erledigt und pünktlich geht, gilt als faul.
Gut, dass kluge Chefs nun erkennen, dass nicht Zeitschinderei sondern zeitökonomische Leistungserbringung die richtige Lösung ist.