Gleicher Lohn, weniger Arbeitszeit und einen zusätzlichen freien Tag pro Woche. Wer will das nicht? Zum 1. Mai führte das Familienunternehmen Seho Systems in Wiebelbach die Vier-Tage-Arbeitswoche für die Bereiche Produktion und Logistik ein. Es folgt damit dem Beispiel der Firma Wenzel aus Wiesthal. Dort wird in der Fertigung seit Jahresbeginn in dem veränderten Arbeitszeitmodell gearbeitet.
Seho entwickelt und fertigt mit rund 230 Mitarbeitenden Lötanlagen und Automatisierungstechnik für die Elektroindustrie. Am Produktionsstandort in Wiebelbach werden überwiegend Baugruppen montiert. Ähnlich wie auch bei Wenzel gibt es keine Fertigungsmaschinen, die möglichst rund um die Uhr laufen müssen, damit sich der Betrieb rentiert.
Ziel der Vier-Tage-Woche ist eine Verbesserung der Produktivität
Aufgrund der Erfahrungen mehrerer Pilotprojekte in Europa sowie dem Austausch mit der Firma Wenzel geht Markus Walter, geschäftsführender Gesellschafter bei Seho, davon aus, dass durch die Einführung der Vier-Tage-Woche die Produktivität verbessert werde.
Während die Mitarbeitenden der Verwaltung seit einiger Zeit von modernen Arbeitsformen wie Home Office profitieren können, ist dies insbesondere für die Fertigung deutlich schwieriger. "Eine Lötmaschine oder ein Automatisierungskonzept kann nun mal nicht von zu Hause gebaut werden", so Walter.
Ein Geschenk für die Mitarbeitenden
Es war ihm ein Anliegen, sich mit einem "Geschenk" für die Bereitschaft zu Kurzarbeit und Home Office während der Corona-Krise zu bedanken: Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit für alle Mitarbeitenden im Produktionsbereich und im Lager wurde auf 37 Stunden pro Woche gesenkt, der Lohn blieb gleich. Gearbeitet wird von Montag bis Donnerstag jeweils 9,25 Stunden.
Die Mitarbeitenden sind erst seit wenigen Tagen im neuen Arbeitsmodell tätig. Nachfragen bei Einzelnen hätten ergeben, dass sie zufrieden seien, so Walter. "Sie haben bestätigt, dass die längere tägliche Arbeitszeit machbar sei." Eine negative Reaktion habe er nicht gehört, ebenso wenig die Betriebsratsvertreter Manuela Riemer und Martin Schmidt.
Die meisten Mitarbeitenden freuten sich auf die Vier-Tage-Woche
Betriebsrat Schmidt erzählt, dass er nach der Ankündigung der Vier-Tage-Woche durch die Geschäftsführung mit etwa 30 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesprochen habe. Grundsätzlich haben sich die meisten auf die Aussicht eines zusätzlichen freien Tags pro Woche gefreut. "Doch viele von ihnen hatten Bedenken, ob sie das leisten können", so Schmidt. Wenn die Temperaturen draußen steigen, wird es auch im Lager und in den Produktions- und Montagehallen unangenehm heiß. Eine Klimaanlage kann da nicht viel ausrichten, weiß Walter. Da können die täglichen 9,25 Stunden Arbeitszeit lange und anstrengend werden.
Vier-Tage-Woche wird drei Monate lang getestet
In den kommenden drei Monaten, die die Geschäftsführung als Testphase ausgerufen hat, will man prüfen, ob das Arbeitszeitmodell die Erwartungen erfüllt. Walter ist jedoch überzeugt: "Wir haben die Vier-Tage-Woche nicht eingeführt, um sie nach drei Monaten wieder einzustampfen." Er sagt, dass die Veränderungen jetzt möglich seien, weil es in jüngerer Vergangenheit bei Seho in vielen Führungspositionen und im Betriebsrat einen Generationenwechsel gab.
Den Fachkräftemangel spürt man bei Seho Systems enorm. Hinzu kommt: Die Anbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln an Wiebelbach, das "auf der grünen Wiese" zwischen Marktheidenfeld und Wertheim liegt, ist "miserabel", bemängelt Walter seit vielen Jahren. Deshalb würden sich potenzielle Auszubildende oft für andere Betriebe entscheiden.
Vier-Tage-Woche als attraktives Angebot für Bewerberinnen und Bewerber
"Wir arbeiten mit Hochschulen zusammen, bieten Praktikumsplätze und Abschlussarbeiten an", so Walter. Das werde genutzt, die Absolventinnen und Absolventen würden jedoch selten langfristig als Mitarbeitende bleiben. Er hofft, mit der Einführung der Vier-Tage-Woche ein attraktives Angebot vor allem für junge Bewerberinnen und Bewerber zu bieten, das Seho positiv von anderen potenziellen Arbeitgebern abhebt.
Für diese sei es essenziell, dass Arbeits- und Privatleben miteinander im Einklang sind, weiß Walter aus Bewerbungsgesprächen. Betriebsrat Schmidt bestätigt: "Ich habe schon Mitarbeiter sagen hören, dass sie lieber ein paar weniger Stunden arbeiten würden, anstatt mehr Geld zu bekommen."
Das kann ein Vorbild für viele in der Produktion sein.