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Gössenheim
Verfassungsorden für den Zahnarzt auf Rädern: Wie ein Praxisteam aus Gössenheim die Betreuung älterer Menschen umkrempelt
Das mobile Behandlungskonzept von Dr. Volkmar Göbel und seinem Team hat sich bis nach München herumgesprochen. Auf die Idee mit den Hausbesuchen brachte ihn die Zahnprothese seiner Oma.
Die Auszeichnung mit dem bayerischen Verfassungsorden sieht Zahnarzt Dr. Volkmar Göbel aus Gössenheim als Teamleistung. Die Ehrung in München will er stellvertretend für alle Mitarbeitenden annehmen. 
Foto: Daniel Schwarz | Die Auszeichnung mit dem bayerischen Verfassungsorden sieht Zahnarzt Dr. Volkmar Göbel aus Gössenheim als Teamleistung. Die Ehrung in München will er stellvertretend für alle Mitarbeitenden annehmen. 
Felix Hüsch
 |  aktualisiert: 02.03.2024 02:47 Uhr

Vor einigen Wochen hat die Zahnarztpraxis in Gössenheim ein Brief vom bayerischen Landtag erreicht. Dem Experten für ganzheitliche Mundheilkunde und Alterszahnmedizin, Dr. Volkmar Göbel, gab der von Landtagspräsidentin Ilse Aigner persönlich unterschriebene Brief zunächst Rätsel auf. "Ich dachte erst, die CSU will mich werben", erzählt er.

Bei dem Schreiben handelte es sich um eine Einladung nach München, wo dem Zahnarzt Ende Februar zusammen mit 50 anderen "herausragenden Persönlichkeiten" der bayerische Verfassungsorden 2023 überreicht werden soll. Die Auszeichnung wird jedes Jahr an Menschen vergeben, die sich unter anderem für demokratische Werte engagieren, wobei Göbel nicht klar war, warum dabei an ihn gedacht wurde. Also rief er kurzerhand in München an und fragte, ob es sich um eine Fälschung handeln könnte. 

Bayerischer Landtag: "Vorbildliches Engagement für ältere Menschen"

Doch es hatte alles seine Richtigkeit. Man wolle sein vorbildliches Engagement in der Zahnversorgung für ältere Menschen würdigen, hieß es aus dem Landtag. Der Orden könnte also schon bald die Gössenheimer Praxiswand schmücken. 

Das Alleinstellungsmerkmal von Göbel und seinem Team ist die Spezialisierung auf die Alterszahnmedizin, verbunden mit einem mobilen Betreuungs- und Behandlungskonzept. Als "Zahnarzt auf Rädern" besucht er sowohl ältere Menschen mit Pflegegrad zuhause oder im Pflegeheim als auch Menschen in Behindertenstätten. Ein großer Teil seines etwa 30-köpfigen Teams fährt insgesamt 64 Einrichtungen in Unterfranken an und behandelt dabei aktuell rund 4500 Menschen mobil, Tendenz steigend.

"Ich dachte erst, die CSU will mich werben."
Dr. Volkmar Göbels erste Reaktion auf einen Brief von Ilse Aigner

Göbel, der 2008 einen Kurs in Alterszahnheilkunde absolvierte, ist durch ein früheres Gespräch mit seiner Oma erstmals auf das Thema aufmerksam geworden. "Als ich sie damals in ihrer Senioreneinrichtung besucht habe, erzählte sie mir von ihrer kaputten Zahnprothese, um die sich niemand gekümmert hat. Da wurde mir klar, dass es dort überhaupt keine Rolle spielte, sich in irgendeiner Form um die Mundgesundheit der Bewohnenden zu sorgen", erinnert sich Göbel.

Zahnarzt Dr. Volkmar Göbel und sein Kollegium besuchen einige ihrer Patientinnen und Patienten mit Pflegegrad zuhause. Ihre mobile, technische Ausrüstung haben sie immer dabei.
Foto: Daniel Schwarz | Zahnarzt Dr. Volkmar Göbel und sein Kollegium besuchen einige ihrer Patientinnen und Patienten mit Pflegegrad zuhause. Ihre mobile, technische Ausrüstung haben sie immer dabei.

Behandlung fast wie in der Praxis möglich

An diesem Punkt habe Göbel angefangen, zahnmedizinische Angebote und Möglichkeiten weiterzudenken, sagt er. Sein Ziel sei eine vollumfängliche, mobile Behandlung von älteren Patientinnen und Patienten. "Also habe ich überlegt, wie weit wir eine mobile Versorgung mit technischen Mitteln treiben können", sagt Göbel, der die Praxis in Gössenheim 1988 eröffnet hat.

Er schaffte eines der ersten mobilen Röntgengeräte in Deutschland sowie mobile Behandlungseinheiten an. Schließlich wurde die Ausstattung vollends digitalisiert. "Was das Equipment angeht, haben wir bei unseren Hausbesuchen heute annähernd den gleichen Stand wie in der Praxis", so der 64-Jährige.

Nicht alle seine Assistentinnen seien bereit für die mobilen Behandlungen, die ein sehr nahes Arbeiten am Patienten bedeuten. Wer ausschließlich stationär arbeiten möchte, was etwa für die Hälfte des Teams gelte, kann dies in Gössenheim oder der 2013 eröffneten Zweigpraxis in Marktheidenfeld tun. Für alle anderen heißt es: Mit der Ausrüstung ins Auto und raus zu den Menschen. "Das erfordert jede Menge Sozialkompetenz vom Ärzteteam und den Assistentinnen. Daher finden bei uns intern auch regelmäßige Schulungen statt", sagt Göbel.

"Wir wollen Patienten über deren gesamte Lebensspanne begleiten."
Zahnarzt Dr. Volkmar Göbel

Schon das damalige Gespräch mit seiner Großmutter rückte für Göbel den ethischen Aspekt der mobilen Betreuung in den Fokus. "Ältere Menschen haben unsere Praxen über Jahre oder Jahrzehnte betriebswirtschaftlich gestützt. Und nur weil die Patienten immobil sind und nicht mehr zu uns kommen können, kann das ja nicht einfach das Ende der Beziehung beider Seiten sein", macht er deutlich.

Die Devise laute dabei, Patienten als Praxis möglichst über die gesamte Lebensspanne zu begleiten, von dem Moment an, "an dem das Kleinkind erstmals hier reingebracht wird bis in die Senioreneinrichtung oder zuhause."

Um möglichst viele Mitarbeitende beim mobilen Behandlungskonzept zu integrieren, gibt es interne Schulungen in der Praxis von Dr. Volkmar Göbel.
Foto: Daniel Schwarz | Um möglichst viele Mitarbeitende beim mobilen Behandlungskonzept zu integrieren, gibt es interne Schulungen in der Praxis von Dr. Volkmar Göbel.

Wichtig sei gerade bei älteren Menschen, mit einem ganzheitlichen Blick zu behandeln. Der Zahnarzt erklärt, dass die typischen Zahnfleischerkrankungen bei älteren Menschen von den gleichen Bakterien verursacht werden, die auch Systemerkrankungen wie Diabetes oder andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen hervorrufen. Göbel: "Es zeigt sich also, dass die Mundgesundheit auch Gesamtkörpergesundheit ist".

Heutiger Stand ohne Team unmöglich

Auch psychisch-emotionaler Stress könne durch das mobile Behandlungskonzept vermieden werden. Soll beispielsweise eine Totalprothese hergestellt werden, müsste ein Patient für die fünf nötigen Arbeitsschritte auch fünfmal in die Praxis gefahren werden. Die meisten älteren Menschen haben aber niemanden, der sie so oft fahren kann und ein Krankentransport kostet Geld. "Auch deshalb wollten wir aus der Komm-Struktur eine Bring-Struktur machen", meint Göbel. 

Volkmar Göbel wird am 29. Februar als einer von sechs Menschen aus Unterfranken und in einer Reihe mit bekannten Namen wie der Schauspielerin Uschi Glas, Prinzessin Ursula von Bayern oder Skilegende Markus Wasmeier ausgezeichnet. Wichtig ist ihm, zu sagen: "Ich nehme die Ehrung stellvertretend für mein gesamtes Team an. Ohne das hätte ich es nie dahin geschafft, wo wir heute stehen."

 
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