In wenigen Jahren soll der SuedLink über rund 700 Kilometer Strom vom Norden in den Süden Deutschlands transportieren. Dabei steht der grobe Weg der Trasse fest, die Bundesnetzagentur hat dafür einen Korridor festgelegt. Entschieden ist für den Landkreis Main-Spessart, die Stromtrasse tritt vom Norden beim Arnsteiner Stadtteil Schwebenried in den Landkreis ein, sie unterquert die Wern zwischen Binsfeld und Thüngen und verlässt dann den Landkreis wieder bei Retzstadt in Richtung Thüngersheim. Wie kommen die Planungen im Landkreis Main-Spessart voran?
Die Netzbetreiber TransnetBW und Tennet haben bereits im Planfeststellungsverfahren einen 100 Meter breiten Streifen als ersten Entwurf eines möglichen Leitungsverlaufs erarbeitet, erklärt Christopher Göpfert, Bürgerberater von TransnetBW. Derzeit und auch noch im Jahr 2023 finden vertiefende Untersuchungen statt, um den metergenauen Verlauf zu bestimmen. "Da kommen wir in Zusammenarbeit mit den Gemeinden gut voran", sagt er.
Besonderheiten für den Trassenverlauf in Main-Spessart
Es wird alle 300 bis 400 Meter entlang des Trassenverlaufs per Bohrung eine Bodenprobe genommen. So kann unter anderem die Dicke und Zusammensetzung der Bodenschichten überprüft werden. "Untersucht wird der Baugrund nach Bodenbeschaffenheit, nach archäologischen Funden und Kampfmittel", so Göpfert. An manchen Stellen würde ein Bagger auch nur die Oberfläche aufreißen.
Für den Trassenverlauf im Landkreis Main-Spessart gibt es zwei Besonderheiten, sagt Göpfert. Zum einen soll es eine Kabelabschnittsstation geben, deren Errichtung ungefähr dort geplant ist, wo die Trasse aus Richtung Schwebenried kommend die projektierte B26n schneidet. Bekanntlich wird die Stromtrasse in die Erde verlegt, aber alle 120 bis 130 Kilometer muss das Erdkabel an die Oberfläche. Dazu diene diese Station, so Göpfert.
Eine zweite Herausforderung sei die Unterquerung der Wern zwischen Thüngen und Binsfeld. Dort gäbe es nicht nur das Fließgewässer, hinzu komme noch die Straße, die Bahnlinie und eine Gasleitung. Zudem seien dort viele Biotope und ein neu angelegter Wald mit Edelhölzern, der geschützt werden soll. "Das ist bautechnisch interessant", meint Göpfert. Er rechnet damit, dass TransnetBW Ende 2023 einen Vorschlag für die metergenaue Trasse vorlegen wird, der im Rahmen der Planfeststellung dann genehmigt werden muss. Mit Baubeginn rechnet er nicht vor 2025.
Zirka 20 Kilometer durch das Stadtgebiet von Arnstein
Hauptbetroffen von der geplanten Stromtrasse ist im Landkreis Main-Spessart die Stadt Arnstein. "Sie läuft mit bis zu 20 Kilometern quer durch unser Stadtgebiet", sagt Bürgermeister Franz-Josef Sauer. Um die beste Route zu finden, habe es bereits viele Versammlungen gegeben. Unter anderem sei diese mit dem Bauernverband und den Jagdvorständen abgestimmt und Änderungswünsche beispielsweise bei Büchold erarbeitet worden.
Sauer bezeichnet die SuedLink-Stromtrasse als ein "Mammutprojekt". Er sorgt sich daher, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Er glaubt schon, dass die Stromtrasse einen Beitrag für eine Energieversorgung der Zukunft leisten wird, er hätte sich aber für den Bau der Trasse mehr unternehmerischen Wettbewerb gewünscht. Mindestens genau so wichtig wie der SuedLink ist für ihn die Eigenerzeugung des Stroms vor Ort, die in seiner Stadt mit Solarparks und Windrädern vorbildlich vorangetrieben wird.
Auch Thüngens Bürgermeister Lorenz Strifzky sprüht nicht vor Begeisterung: "Freuen tut sich niemand über die Leitung", sagt er. Er verstehe die Bedenken der Landwirte, die sich sorgen, dass eine Bodenerwärmung von auch nur einem halben Grad durch die Leitung zu Mindereinnahmen bei der Ernte führen könne. Zudem kritisiert er, dass die geplante Trasse nach derzeitigem Plan durch einen mit Edelhölzern neu angelegten Wald der Gemeinde Thüngen führen soll.
Doch Strifzky sagt auch, dass er die Stromtrasse für sinnvoll hält. "Unsere Region braucht den Strom aus dem Norden zwar nicht", sagt er, "wir haben genug Photovoltaik." Aber andere Regionen mit viel Industrie im bayerischen Süden seien darauf angewiesen, will man nicht weiter auf Gas, Öl oder Atomstrom setzen.
Falsche Reihenfolge
Für Retzstadts Bürgermeister Karl Gerhard war die Reihenfolge falsch. "Erst hätten wir SuedLink bauen und dann die Windräder im Norden ausbauen sollen", meint er. So sei viel Geld verschenkt worden. SuedLink ist für ihn die notwendige Konsequenz, um sich von den alten Energien und auch von der Atomkraft zu verabschieden. Im Rahmen des Feststellungsverfahrens habe die Gemeinde Retzstadt bereits erreicht, dass die Trasse an einer Stelle verlegt wird. Ursprünglich hätte sie ein geplantes Gewerbegebiet durchschnitten. Darauf sei Rücksicht genommen worden, so Gerhard.
Doch der SuedLink ist nicht die einzige Stromtrasse, die neu gebaut wird. Ebenfalls geplant wird die P43, auch Fulda-Main-Leitung genannt. Diese 380-Kilovolt-Wechselstrom-Leitung soll größtenteils als Freileitung von Mecklar über Dipperz (Hessen) nach Bergrheinfeld verlaufen. Als Trasse ist ein Korridor östlich der Autobahn A7 im Landkreis Bad Kissingen und Schweinfurt vorgesehen. Der Landkreis Main-Spessart bleibt demnach verschont. Aber entschieden ist noch nichts, denn es gibt noch Alternativvorschläge, die durch den Landkreis Main-Spessart verlaufen und die ebenfalls geprüft werden.
Wer sich informieren will: Für Mittwoch, 28. September, lädt der Bürgerdialog Stromnetz ab 18 Uhr zu einer Informationsveranstaltung zur Energieversorgung der Zukunft für den Landkreis Main-Spessart in die Stadthalle Arnstein ein. Er richtet sich an alle interessierten Bürger und Bürgerinnen aus der Region.