Es sind unsichere Zeiten. Der russische Überfall auf die Ukraine zwingt zu hohen Investitionen in die Bundeswehr. Die Staatsverschuldung steigt auf der einen Seite, auf der anderen Seite explodieren die Baupreise. Bundeskanzler Scholz spricht von einer Zeitenwende und Pessimisten befürchten, Deutschland rutscht in eine Rezession. Ist dann noch Geld für den geplanten Bau der B26n da? Hinzu kommt, die Befürworter können sich nicht mehr auf einen CSU-Verkehrsminister verlassen, der schützend seine Hand über das Projekt hält. Dafür ist mit den Grünen eine Partei in der Regierung, die schon seit Jahrzehnten die Verkehrswende fordert. Was bedeutet das für die Planungen? Ist das gesamte Projekt gefährdet?
Die Gegner haben jedenfalls den Widerstand trotz des laufenden Planfeststellungsverfahrens für den ersten Bauabschnitt nicht aufgegeben. "Wir wollen das gesamte Projekt stoppen", sagt Armin Beck, stellvertretender Vorsitzender der Bürgerinitiative gegen die B26n, auf Anfrage. "Wir werden weiter sowohl juristisch als auch politisch gegen das Bauprojekt kämpfen." Für ihn ist die geplante B26n "aus der Zeit gefallen". "Wichtiger sind Investitionen in die Digitalisierung, die Energiewende und den ÖPNV", so Beck. "Die B26n ist dagegen 70er Jahre."
Dem widerspricht Alexander Hoffmann, Bundestagsabgeordneter in Main-Spessart, ebenfalls auf Anfrage. Der russische Überfall und das beschlossene Sondervermögen zur Ertüchtigung der Bundeswehr hätten gar nichts mit der B26n zu tun, sagt er. Seiner Meinung nach könne das Projekt nicht an der Finanzierung scheitern, denn die aktuell hohe Neuverschuldung sei kein Dauerzustand, sondern eine Sondersituation zur Bewältigung der Auswirkungen der Corona-Pandemie sowie zur Abfederung der Folgen des russischen Angriffskrieges.
Hoffmann zitiert die jüngste Steuerschätzung. Demnach werden Bund, Länder und Kommunen bis 2026 sogar 220 Milliarden Euro mehr einnehmen. Für ihn gibt es daher keinen Grund, sich von dem Bauprojekt zu trennen. Dies werde gebraucht, um gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen, da das Auto in ländlichen Regionen unverzichtbar sei.
Über 1000 Einwendungen gegen die B26n liegen dem Bauamt vor
Doch zunächst, wie ist der aktuelle Stand? In welcher Phase befindet sich das Projekt? Dazu gibt das Staatliche Bauamt Würzburg Auskunft. Wie berichtet hat Mitte 2021 für den 1. Bauabschnitt von Werneck nach Müdesheim das Planfeststellungsverfahren begonnen. Mit der Auslegung der Projektunterlagen und der Anhörung der Träger öffentlicher Belange sind über 1000 Stellungnahmen beziehungsweise Einwendungen eingegangen. "Dies ist in diesem Umfang beispiellos", heißt es aus dem Bauamt. Die Einwendungen, so sieht es das Verfahren vor, werden derzeit auf ihre Relevanz geprüft.
Die Bandbreite reicht von der grundsätzlichen Ablehnung des Projekts bis hin zu konkreten Fragen einzelner Grundstücksbetroffener, so das Bauamt weiter. Der Schwerpunkt liege auf den verkehrlichen und umweltfachlichen Auswirkungen des Projektes. Zum Teil gebe es umfangreiche "Gegen"-Gutachten. Das Straßenbauamt versichert, jeden vorgebrachten Sachverhalt zu prüfen. Wie lange dieser Prozess dauert, könne nicht abgeschätzt werden, daher könne kein Termin genannt werden, wann das Verfahren abgeschlossen ist. Doch ein vorläufiges Fazit gibt das Bauamt: Es würde sich abzeichnen, dass "umfangreiche, technische Umplanungen" nicht nötig seien.
Wie ist es mit seltenen Tierpopulationen, die Planern manchmal unerwartet Probleme bereiten? So soll es bei Arnstein einen seltenen Hamster geben und bei Heßlar schützenswerte Fledermausvorkommen. Dazu teilt das Bauamt mit, dass für den ersten Bauabschnitt bezüglich aller relevanten Arten umfangreiche Kartierungen stattgefunden haben, aber kein Hamster im Bereich des Projekts gefunden wurde. Die Existenz der Fledermauspopulation bei Heßlar bestätigt das Bauamt, diese liege aber im Bereich des zweiten Bauabschnitts von Müdesheim nach Karlstadt. Da dieser ebenfalls schon planerisch vorangetrieben wird, werde ein Konzept im Umgang mit den Tieren erarbeitet.
Verhindert das Bundesverfassungsgericht den Bau der B26n
Hoffnungen setzen die Gegner auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April 2021. Die Verfassungshüter haben festgestellt, dass nach Artikel 20 des Grundgesetzes der Staat zum Klimaschutz verpflichtet ist, weil der Klimawandel die natürlichen Lebensgrundlagen für die künftigen Generationen gefährdet. Das Urteil wurde von Umweltverbänden mit Jubel aufgenommen, weil, so wurde gefolgert, große Bauprojekte darauf untersucht werden müssen, ob es durch sie einen höheren Kohlendioxidausstoß gibt, was beim Straßenbau in der Regel der Fall ist. Das Staatliche Bauamt sieht aber in diesem Spruch der Verfassungsschützer "kein unüberwindbares Hindernis für das Projekt", heißt es auf Anfrage. Man habe es im Blick, es werde geprüft, ob es weitere ergänzende Unterlagen braucht.
Was ist mit den Kosten? Die aktuellste Schätzung ist vom Juli 2021. Demnach sind für die ersten knapp acht Kilometer des ersten Bauabschnitts von Arnstein nach Müdesheim knapp 80 Millionen Euro veranschlagt. Im Bundesverkehrswegeplan von 2016 ist die gesamte B26n mit 41,5 Kilometer Straßenlänge von Arnstein nach Helmstadt mit Kosten von 172 Millionen Euro angegeben. Das wird aber nicht einzuhalten sein, rechnet man die Kosten für die ersten Kilometer auf die gesamte Baumaßnahme hoch. Offizielle Schätzungen dazu gibt es keine. B26n-Gegner Beck hält aber eine halbe Milliarde für die gesamte MSP-Spange mit Zubringer nach Lohr und zwei Brückenbauwerken für nicht zu hoch gegriffen. Und niemand weiß heute, ob es nicht noch schlimmer kommt. Beispiele dafür gibt es viele, wie die Kostenexplosion um mehrere Milliarden Euro bei der Münchner U-Bahn-Stammstrecke zeigt, die in Teilen den Etat des Verkehrsministeriums belastet. Ist dann noch Geld da für die B26n?
Hinzu kommt ein enormer Flächenbedarf, die Gegner sprechen von "Frächenfraß". Beck beklagt den Verlust von 66 Hektar – zirka 72 Fußballfelder – alleine für die ersten acht Kilometer des ersten Bauabschnitts und bezieht sich dabei auf Berechnungen der Staatlichen Bauamts. Ein Großteil dieser Flächen werde landwirtschaftlich genutzt, wodurch diese der Nahrungsmittelproduktion verloren gingen.
Die Bürgerinitiative will mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die B26n vorgehen. Beck glaubt aber nicht, dass sich das Projekt juristisch stoppen lässt. Er nennt ganz offen die Strategie. Man wolle dem Verfahren so lange Steine in den Weg legen, bis andere Machtverhältnissen im Bund es politisch beenden. Ein grüner Verkehrsminister in der neuen Ampel-Regierung wäre da hilfreich gewesen, denn von der FDP und SPD erwartet Beck sich keine Unterstützung. "Die wollen beide lustig weiter Straßen bauen", sagt er.
Bürgerinitiative gut gerüstet
Beck sieht die Bürgerinitiative für einen oder mehrere Rechtsstreite gut gerüstet. 2300 Mitglieder würde sie zählen, darunter Gemeinden, Verbände und Einzelpersonen. Es kämen immer noch weitere Mitglieder hinzu, die die Forderung unterstützen, den Bedarf der B26n im Bundesverkehrswegeplan überprüfen zu lassen.
Der nächste Einspruch ist schon in Vorbereitung: Laut Beck müsse in einem Planfeststellungsverfahren jeder Bauabschnitt für sich alleine betrachtet zweckmäßig sein. Dies ist nach Meinung von Beck beim ersten Abschnitt der B26n nicht gegeben, da dieser bei Müdesheim endet und nur im Kontext mit dem zweiten Bauabschnitt von Müdesheim nach Karlstadt einen Sinn ergibt.
Alexander Hoffmann dagegen hält die B26n zur Entlastung des Werntals sowie zur deutlichen Verbesserung der Verkehrswege insgesamt unverzichtbar. Er zitiert Vertreter der IHK Würzburg-Schweinfurt, die fordern, die B26n ohne Verzögerungen zu realisieren. Im Jahr 2003 sei diese als vierspurige Autobahn-ähnliche Straße in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen worden. Doch die Planung habe sich geändert.
Die B 26n stehe jetzt als moderne Zwei-plus-eins-Variante im aktuellen Bundesverkehrswegeplan, jeweils einspurig mit wechselseitigen Überholfahrstreifen. Dies sei die wirtschaftlichste und umweltverträglichste Lösung und trägt nach Meinung von Hoffmann auch enorm zur Verkehrssicherheit bei, weil gefährliche Überholvorgänge dann im Wissen, dass bald eine sichere Überholmöglichkeit kommt, vermieden werden. Und sie trage dazu bei, dass der Verkehr flüssiger fließt und sich die Fahrzeiten spürbar verkürzen.
Für Hoffmann verkennen die Kritiker, wie wichtig eine bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Infrastruktur der Region ist. Der Landkreis Main-Spessart habe hier Nachholbedarf. Denn es fehle eine vernünftige Verbindung von Werneck/Arnstein nach Karlstadt.
Die ganze B26n von A70 und Lohr nach Helmstadt wird benötigt, weil eine "vernünftige" Verbindung von Werneck/Arnstein nach Karlstadt fehlt?
... Die B 26n stehe jetzt als moderne Zwei-plus-eins-Variante im aktuellen Bundesverkehrswegeplan ...
... Dies sei die wirtschaftlichste und umweltverträglichste Lösung ...
Die wirtschaftlichste und umweltverträglichste Lösung Herr Hoffmann ist keine Straße.
Und da wo nötig Ortsumgehungen und eine allgemeine Straßenertüchtigung.
Die BI gegen die B26n hat es geschafft die Planungen einer 4-spurigen autobahnähnlichen "Bundesstraße" auf eine 2-spurige Straße abzuspecken und wir werden es auch noch schaffen das ganze Projekt einzustampfen!
Leider, leider gibt es aber ein FDP-Verkehrsminister der eine genauso überholte Verkehrspolitik betreibt wie die früheren CSU-Verkehrsminister.
Solche Politiker machen die Umwelt und das Land kaputt.
Gut, dass das Bauamt vieles richtigstellen konnte. Mir wäre aber lieber , das Bauamt könnte sich auf das Verfahren konzentrieren und müsste nicht alle Unterlagen mal schnell durchschauen, ob jemand irgendwo einen Hamster gesehen hat. Weil die Mainpost dies aus Hörensagen weiter reicht.
Sicher gut für die Auflage.
Für uns als Gesellschaft wäre es wichtiger, beschlossene Projekte auch umzusetzen und sich in der Diskussion auf zukünftige Fragestellungen zu konzentrieren.
Ja und wen es interessiert: dass Verfassungsgericht entschied, dass die Klimaziele bislang nicht konkret genug mit Maßnahmen unterlegt sind. Es entschied nicht, das quasi nichts geht was CO2 verursacht. Auch wenn der Artikel diesen Anschein erweckt.
Weder mein Wohnort noch der Zielort bei Aschaffenburg hat einen ordentlichen Anschluss an den ÖPNV - und ich kann auch keine zwei großen Kisten mit Bus, Bembel, Zug - Umsteigen in Würzburg - und dann von SW nochmal Bus transportieren (was eh schon viereinhalb Stunden mit dem Auto gedauert hat - mit ÖPNV wäre das ein Tagesausflug gewesen - und der Warentransport wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen!).
Ansonsten empfand ich auch den Verkehr durch die Dörfer eine Zumutung für die Anwohner - mein Fahrkomfort ist beileibe nicht der einzige Grund, warum ich dringend für die B26n bin!
Ansonsten befindet sich ein 9€-Ticket in meinem Geldbeutel, das ich auch nach Möglichkeit nutze!
...zu diesem Kommentar.
Inzwischen haben sich halt die Prioritäten (aus den unterschiedlichsten Gründen) geändert.
Leider (oder zum Glück?) kann niemand aus der Gegenwart Entscheidungen der Vergangenheit ändern.
Wir können nur etwas für die Zukunft tun denn "today is only yesterdays tomorrow" hat bereits 1967 Uriah Heep erkannt.
Dabei sollte man die neuesten Erkenntnisse mit allen Nebenwirkungen bedenken, neu beurteilen und danach handeln 😉
Verbohrtheit in alten gewohnten Strukturen (welche früher vl. richtig waren) ist nicht hilfreich.