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Main-Spessart
Steuerbüros aus Main-Spessart sind durch Grundsteuererklärung überlastet: Lohrer Steuerberater hält Oktober-Frist für "utopisch"
Die Grundsteuerreform macht auch Steuerkanzleien viel Arbeit. Zwei Steuerberater erklären, warum die Datenbeschaffung ein Problem ist und warum viele Menschen am Programm Elster scheitern.
Ende Oktober läuft die Frist zur Abgabe der Grundsteuer-Erklärung aus, noch fehlt ein Großteil der Anträge. Auch Steuerberater kommen mit der Bearbeitung nicht hinterher. (Symbolbild)
Foto: Katharina Deubert | Ende Oktober läuft die Frist zur Abgabe der Grundsteuer-Erklärung aus, noch fehlt ein Großteil der Anträge. Auch Steuerberater kommen mit der Bearbeitung nicht hinterher. (Symbolbild)
Katrin Amling
 |  aktualisiert: 18.02.2024 06:45 Uhr

"Es ist eigentlich nicht mehr händelbar", sagt Steuerberaterin Gaby Rüppel. In ihrem Steuerbüro in Kreuzwertheim hat sie zurzeit jeden Tag Angst, dass jemand aus dem Team ausfällt, weil die Arbeitsbelastung zu groß wird. Das Pensum sei ohnehin schon sehr hoch, "weil sich Herr Lindner jeden Tag etwas Neues einfallen lässt". Die Erklärungen zur Grundsteuer-Reform hätten den Rahmen dann gesprengt. Rüppel hat deshalb eigens ihren Mann in der Kanzlei angestellt, der sich als Ingenieur eigentlich bereits im Ruhestand befand und für die neue Aufgabe extra Seminare besuchte. Seit Juli kümmert er sich in Vollzeit ausschließlich um die Bearbeitung der Anträge.

Denn bis Ende Oktober müssen Grundstückseigentümer in ganz Deutschland Erklärungen zu ihrem Besitz abgeben, auf deren Grundlage die Grundsteuer dann neu berechnet wird. 2018 hatte das Bundesverfassungsgericht die alte Berechnungsgrundlage für verfassungswidrig erklärt. Bis Ende September hat jedoch laut dem Bayerischen Landesamt für Steuern gerade einmal rund ein Viertel der Grundeigentümer die Erklärung abgegeben.

Dominik Tschinkl, Steuerberater aus Lohr
Foto: Sebastian André Kruthoffer | Dominik Tschinkl, Steuerberater aus Lohr

Bei der Steuerkanzlei Menzel aus Lohr hat das Thema Grundsteuer vor der Reform im Alltag eine untergeordnete Rolle gespielt, erzählt Dominik Tschinkl, der dort Steuerberater ist. Das habe sich grundlegend geändert. Als das Thema Anfang des Jahres konkreter geworden sei, habe man auch in der Lohrer Kanzlei versucht, ein eigenes Grundsteuer-Team auf die Beine zu stellen und zu schulen. Personell musste das Steuerbüro aufstocken. "Denn es fallen deswegen ja nicht weniger Einkommenssteuererklärungen an, das läuft alles neben dem Alltagsgeschäft", so Tschinkl.

"Das läuft alles neben dem Alltagsgeschäft."
Dominik Tschinkl, Steuerberater

Fachbegriffe lassen viele Menschen an der Erklärung scheitern

Doch warum läuft es überhaupt so schleppend mit den Erklärungen? Nach den Erfahrungen von Rüppel scheitern viele Eigentümer vor allem an der Fachsprache, die in den Formularen verwendet wird. "Der Begriff Hauptfeststellung zum Beispiel ist für uns Teil des täglichen Wortschatzes", sagt sie. Aber damit könne bei weitem nicht jeder etwas anfangen. Deshalb würden sie neben Firmen auch für viele Privatpersonen die Erklärung übernehmen.

"Viele Leute stoßen an ihre Grenzen, wenn sie es selbst versuchen."
Gaby Rüppel, Steuerberaterin

Viele ältere Menschen tun sich laut Rüppel ohnehin schwer mit der digitalen Bearbeitung, aber auch junge Menschen scheiterten schlicht an den Tücken des Steuerprogramms Elster. "Viele Leute stoßen an ihre Grenzen, wenn sie es selbst versuchen", so Rüppels Beobachtung. Mit der Aussage "Egal was es kostet, ich will es loshaben" gingen sie dann doch zum Steuerberater. Wenn bei Elster nur ein Haken fehle oder eine Angabe falsch sei, könne man den Antrag nicht abschicken. Meist sei aber nicht klar, wo der Fehler liege und das Programm gebe hier keine Hilfestellung.

Daten für die Grundsteuererklärung sind nur schwer zu beschaffen

Laut dem Lohrer Steuerberater Tschinkl ist ein weiteres großes Problem die Beschaffung der Daten. "Für ein Ehepaar, das ein Einfamilienhaus besitzt und alle Stammdaten hat, ist die Erklärung meist in einer halben Stunde erledigt", erklärt er. Diese einfachen Erklärungen würden viele seiner Mandanten auch selbst erledigen, ohne die Hilfe des Steuerbüros.

Doch es gebe viele Fälle, die nicht so eindeutig und dadurch viel aufwändiger seien. Ein Beispiel ist die Land- und Forstwirtschaft. Hier seien die Grundstücksgrößen und -verteilungen oft gar nicht so klar, schildert Tschinkl. Probleme gebe es häufig auch bei Erbengemeinschaften. "Da wissen manche Menschen gar nicht genau, was sie alles besitzen oder woran sie überhaupt beteiligt sind." Die Aufgabe der Steuerbüros sei es, alle notwendigen Daten zu beschaffen und dafür seien oft viele Gespräche und Rückfragen bei den Mandanten nötig.

Hinzu kommt die Masse an Erklärungen, die Stück für Stück gemacht werden müssen: Für das Steuerbüro Menzel schätzt Dominik Tschinkl, dass sie am Ende auf etwa 1200 bis 1400 Erklärungen kommen werden.

Unterschiedliche Bundesländer haben unterschiedliche Regeln für die Grundsteuer

Eine weiteres, wenn auch im Vergleich eher kleines, Problem: Nicht alle Bundesländer haben die gleichen Regeln. Denn in Baden-Württemberg gelten andere Vorgaben als in Bayern und wer eine Immobilie in Berlin besitze, müsse wieder andere Dinge beachten. Tschinkl schätzt, dass in dem Lohrer Steuerbüro Immobilien aus fast allen Bundesländern bearbeitet werden.

Rund zweieinhalb Wochen vor dem Ende der Frist sieht der Steuerberater aus Lohr keine Chance, dass diese eingehalten werden kann: "Ich halte es für utopisch, dass bis dahin alles abgegeben wird." Seiner Meinung nach sei die Frist von vier Monaten von Anfang an viel zu knapp bemessen gewesen. Eine Verlängerung wäre auf jeden Fall wünschenswert und ein schönes Zeichen, findet Tschinkl. Denn in den vergangenen Jahren sei den Steuerpflichtigen und damit auch den Steuerbüros immer mehr aufgebürdet worden. Zuletzt hatten die Anträge für die Corona-Hilfen für viel Arbeit gesorgt.

Auch Gaby Rüppel kann angesichts der bevorstehenden Frist nur lächeln. Das Datum sei ihr inzwischen völlig egal, leid tue es ihr nur um die Mandanten, die sie vertrösten müsse. "Wir arbeiten nacheinander alles ab, mehr geht nicht", sagt sie. Sie kann sich durchaus vorstellen, dass es eine Fristverlängerung geben wird, die Regierung diese aber aus taktischen Gründen erst ganz kurz vor Ablauf verkünden wird. Denn dann fange man noch einige Menschen ein, die die Erklärung doch erst kurz vor knapp abgeben würden. 

 
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  • G. Z.
    Bei uns machen Steuerberater sogar Werbung für die Grundsteuer...die wollen Grundsteuererklärungen machen. Also möglich und lukrativ. Auch wenn nur zwei Zahlen (Wohnfläche, Grundstücksfläche) gebracht werden, kostets ein paar Hunnis....Kriegsgewinnler?
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  • H. S.
    Ich habe bereits Fristverlängerung um knapp 1 Jahr genehmigt bekommen, die wird auch komplett ausgenutzt...schließlich wollen die was von mir!
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  • A. S.
    Welches Finanzamt ist denn da so bürgerfreundlich?
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  • H. S.
    es kommt darauf an wer dort nachfragt....manche haben nicht genug Gewicht, dafür aber vielleicht nur ein Haus und ein paar Äcker, da spielt es eh keine Rolle.
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  • A. S.
    Weiß nicht, ob ich genug Gewicht habe. Kenne mein Finanzamt nur leider als restriktiv, wenn es um Fristen geht. Würde mich interessieren, wo es da etwas lockerer zugeht. Vielleicht hat mein Finanzamt ja umgeschwenkt, oder ich könnte darauf hinweisen, dass Fristverlängerungen woanders doch auch gehen. Helfen Sie mir.
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  • T. F.
    Vom Finanzministerium wurde die Frist auf den 31.01.2023 verlängert.......das gilt für jeden Bürger, egal welches Finanzamt.
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  • G. Z.
    die Fristverlängerung haben Städte und Gemeinden bekommen, weil die VGs mit ihren unzähligen Grundstücken nicht nachkommen. Obwohl das ja IHRE Steuer ist. Die Grundsteuer bekommt die Gemeinde und nicht das Finanzamt. Eines bitte nicht vergessen: Als NICHT-Münchner oder Nürnberg-Erlangener sind die Bescheide ohnehin verfassungswidrig, weil überall nur auf die Fläche und nicht auf die Lage, also den eigentlichen Wert abgestellt wird. Wer also nicht in Grundstücke in diesen Städten hat bekommt überhöhte Werte. UND die Landwirtschaft funktioniert überhaupt noch nicht. Kein Finanzamt in Bayern ist in der Lage einen Grundsteuerwert für Landwirt- oder Forstwirtschaft loszulassen, denn die Software funktioniert noch nicht (Auskunft letzte Woche vom Finanzamt). Also was die überhaupt noch nicht bearbeiten können, müssen wir trotzdem abliefern .
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  • K. W.
    die Vorredner haben es schon auf den Punkt gebracht. Wenn man hört das erst 1/4 überhaupt etwas abgegeben haben, da spiegelt das unsere Gesellschaft wieder, immer schieben und abwarten, nix anpacken und fertig machen...Wenn die Frist verlängert wird ändert das gar nichts, dann schieben die es eben bis in den März rein...
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  • N. K.
    Der Vorteil, wenn man die Erklärung den Steuerberater machen lässt ist ja, dass dieser eine Fristverlängerung beantragen kann. Der Privatmann nicht.
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  • E. V.
    Ich habe wenig Mitleid mit Leuten, die keinen Überblick über ihren Immobilienbesitz haben und jetzt diese Grundsteuererklärung nicht hinkriegen. Und das Gejammer der Steuerberater ist auch eher heuchlerisch. Denn würden unsere Steuergesetze und -formulare so gestaltet, dass auch Lieschen Müller das alleine ausfüllen könnte, hätten sie nur noch sehr wenig Arbeit....die Frist ist lange bekannt, wer erst im September gemerkt hat, dass er Hilfe braucht, hätte das auch im Frühsommer machen können.
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  • P. W.
    Typisch, so typisch: da wird dem Steuerzahler ohne Überlegung einfach diese Steuersache vor den Latz geknallt, so nach dem Motto: Seht zu, wie ihr diese Daten beschafft - das ist euer Problem. Aber wenn euer Antrag nicht fristgerecht eingeht, dann habt ihr noch ein größeres Problem - die saftige Strafe. unmöglich.
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