Gefragt wurden sie nicht: Dass der Berufsstand der Steuerberater als "prüfende Dritte" den Check-up von Corona-Hilfsanträgen übernimmt, wurde auf Bundesebene beschlossen. Grund war, dass bei den Soforthilfe-Anträgen im ersten Lockdown zu viel betrogen wurde. Doch nach einem gutem Jahr Pandemie sind manche Kanzleien am Limit: Der Grund sind auch die sich ständig ändernden Anträge.
"Für einen einfachen Antrag sitze ich zwei bis fünf Stunden, für einen komplizierteren bis zu zehn Stunden", erzählt Michael Lehnleidner, Steuerberater aus Roden. Rund 20 Anträge hat er bisher gemacht. Dabei musste er sie teilweise immer wieder neu beantragen, weil an den Anträgen nachgebessert wurde.
Achte Änderung der FAQs beim Antrag der Überbrückungshilfe III
Seit Anfang Februar kann die Überbrückungshilfe III beantragt werden. Sie gilt für kleine und mittelständische Unternehmen und umfasst den Zeitraum von November 2020 bis Juni 2021. Ihre dazugehörigen Frequently Asked Questions, kurz FAQs, also die häufig gestellten Fragen, sind mittlerweile zum achten Mal geändert worden, erläutert Sabine Wirsching. Die Steuerberaterin aus Höchberg ist im Vorstand des Landesverband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe in Bayern - kurz LSWB - und vertritt dabei Kollegen aus Würzburg und Main-Spessart. Sie sagt: Wir helfen unseren Mandanten gerne, das ist unser Auftrag. Was aber fehle sei die Verlässlichkeit des Systems. So seien zum Beispiel um Ostern herum Anträge, die noch nicht mit der abschließenden Unterschrift versehen waren, nach einer erneuten Formularänderung plötzlich einfach weg gewesen. "Wir befinden uns jetzt seit einem Jahr in dieser Situation. Und ständig wird nachjustiert, korrigiert. Die Testphase muss eigentlich mal vorbei sein", so Wirsching.
Aber nicht nur der extreme Zeitaufwand für die Antragsstellungen und Nachbesserungen kratzen an den Nerven der Beteiligten. Auch der Umgang mit der Gemütslage der Mandanten ist manchmal schwierig. "Ich habe einen Mandanten, der ist bisher bei jedem Förderprogramm durchs Raster gefallen", erzählt Michael Lehnleidner aus Roden. Gerade Solo-Selbstständige, die meist ohne monatliche Fixkosten dastünden, seien da öfters unter die Räder gekommen. Ein anderer Mandant habe einen Teil der Förderung wieder zurückzahlen müssen. Das Geld sei aber bereits, weil dringend gebraucht, ausgegeben gewesen. Aber auch der klassische Mittelständler hat Existenzängste, sagt Sabine Wirsching vom Verband. "Bevor dieser seinen Mitarbeitern kündigt, steckt er all sein Vermögen in sein Unternehmen. Da gehen auch Altersvorsorgen drauf", sagt sie. "Wir raten deshalb allen unseren Unternehmern: Legt einen Teil der Hilfen zur Seite, denn ihr müsst damit rechnen, dass ihr etwas zurückzahlen müsst", so Sabine Wirsching.
Zeit der Nachzahlungen mit gemischten Gefühlen entgegen sehen
Mit gemischten Gefühlen sieht auch Gaby Rüppel, Inhaberin des Steuerberatungsbüro Rüppel aus Kreuzwertheim, der Zeit der Nachzahlungen entgegen. Ihre Mandanten kämen querbeet aus den unterschiedlichsten Bereichen, angefangen von der Industrie, über Handwerker bis zum Arzt. 15 Mitarbeiter stark ist ihr Team. Für die zusätzliche Arbeit der Antragsstellung und Bearbeitung hat sie extra eine Kollegin abgestellt. "Wir müssen in gewisser Weise Wahrsager sein", sagt sie. Denn der Zeitraum des Hilfsantrags läuft bis Juni, diese Werte werden geschätzt - bei Betrieben wie zum Beispiel aus der Gastronomie ist das derzeit keine einfache Aufgabe.
"Auf die Zeit der Nachzahlungen freue ich mich nicht", sagt sie. Dennoch berichtet sie auch von vielen Mandanten, die sehr froh und dankbar über die Hilfe ihres Büros wären. Positiv sieht sie auch, dass die Anträge, wenn sie dann abgeschickt sind, schnell bearbeitet werden und die Zahlungen schnell erfolgen. Positiv überrascht hat sie auch die Service-Hotline für prüfende Dritte: "Die waren immer sehr freundlich und immer erreichbar."
Eine echte Hilfestellung sei auch gewesen, dass die Abgabefrist für durch Steuerberater erstellte Steuererklärungen 2019 bis Ende August 2021 verlängert wurde. "Das hat dazu geführt, dass der ein oder andere Kollege endlich mal wieder einen Sonntag frei machen konnte", erzählt Sabine Wirsching vom LSWB. Geht es nach den Forderungen ihres Verbandes wird die Frist für 2020 ebenfalls verlängert. Denn allmählich geht die Mehrbelastung in den Kanzleien an die Substanz: "Wir haben erste Mitarbeiter, die mit Burn-Out belastet sind", sagt sie. Denn der Frauenanteil in den Kanzleien sei hoch und viele Kolleginnen seien zusätzlich im Home-Schooling oder durch die Kinderbetreuung gefordert.
Trotz aller Kritik: "Wir haben Arbeit - das ist natürlich auch schön", ist Wirsching wichtig, zu betonen. Das Steuerbüro Rüppel aus Kreuzwertheim hat durch die Prüf-Pflicht für Hilfs-Anträge auch einige Neukunden dazugewonnen. Gaby Rüppel schaut dennoch, dass sich dadurch so gut wie keine Überstunden bei ihren Mitarbeitern anhäufen. Auch Michael Lehnleidner hat einen Kunden dazu gewonnen. Aber auch zwei verloren, die sauer waren, dass sie bei den Hilfsfonds leer ausgingen. Der Steuerberater muss das akzeptieren. "Das System ist für die Masse konzipiert und erlaubt einfach keine Goodwill-Entscheidungen", begründet er.