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Karlstadt
Solaranlagen auf Altstadtdächern in Karlstadt: Wie der Balanceakt zwischen Klimaschutz und Denkmalschutz weitergeht
Die Altstadtsatzung und das Denkmalschutzgesetz machen es Altstadtbewohnern schwer, Solaranlagen genehmigt zu bekommen. Woran scheitert es?
Von der Karlsburg aus präsentiert sich die Karlstadter Altstadt als kompakte Einheit, die von der Stadtmauer umgeben wird. Solarmodule auf den Dächern dürfen im denkmalgeschützten Ensemble bis heute nicht sichtbar sein. 
Foto: Johannes Kiefer | Von der Karlsburg aus präsentiert sich die Karlstadter Altstadt als kompakte Einheit, die von der Stadtmauer umgeben wird.
Felix Hüsch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:21 Uhr

Solaranlagen auf Dächern von Baudenkmälern sind seit Jahren bundesweit ein großes Thema. Auch in Karlstadt ist es für viele Altstadtbewohner längst ein leidiges geworden. Wer einen Bauantrag für Photovoltaik oder Solarthermie auf dem heimischen Dach stellt, um einen persönlichen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten, sieht sich vor allem zwei großen Hürden ausgesetzt. Eine davon ist die Altstadtsatzung, die andere das bayerische Denkmalschutzgesetz.  

Der Denkmalschutz hat es sich zur Aufgabe gemacht, für den "größtmöglichen Erhalt der historischen Substanz und deren Erscheinungsbild" zu sorgen. Da sich der Großteil der insgesamt 178  Karlstadter Einzeldenkmäler in der Altstadt befindet, greift hier der Ensembleschutz. Der gesamte Bereich innerhalb der Stadtmauern gilt mit seinen 435 Wohngebäuden als ein geschütztes Ensemble. Gut 40 Prozent davon sind Baudenkmäler.

Altstadtsatzung verbietet seit 22 Jahren sichtbare Sonnenkollektoren

Als wäre eine Genehmigung von Solaranlagen dadurch für Altstadtbewohner nicht schwer genug, kommt zusätzlich die seit 2001 geltende Altstadtsatzung ins Spiel. Dort heißt es: "Vom Straßenraum sichtbare Sonnenkollektoren sind nicht zugelassen." Eine große Einschränkung, wenn man bedenkt, dass nicht nur die Sichtbarkeit von unten, sondern auch von oben, wie von der Karlsburg aus, gemeint ist. Angesichts dieser Hürden machen sich viele Bürger erst gar nicht die Arbeit, einen Antrag zu stellen.

Einer, der es trotzdem getan hat, ist Philip Hahn. Ihm gehören zwei Häuser in der Oberen Viehmarktstraße, eines davon ein Baudenkmal. Im Oktober 2021 stellte Hahn einen Antrag auf denkmalschutzrechtliche Erlaubnis, fünf Quadratmeter Solarthermie sollten aufs Dach. Eingereicht wurde der Antrag bei der Stadt Karlstadt und ging dann weiter an die untere Denkmalschutzbehörde im Landratsamt. Hahns Vorstellung: Um eine maximale Sonneneinstrahlung zu bekommen, wollte er die Panels auf dem Haus mit Süddach im Innenhof des Wohnblocks platzieren.

Philip Hahn: "Man sieht es nur, wenn man unbedingt will"

Der Antrag wurde mit der Begründung abgelehnt, dass der Block nicht komplett geschlossen und die Solarthermie somit sichtbar sei. Dafür müsse man aber von der Spitalgasse aus über das Hoftor der benachbarten Familie in den Innenhof gucken, oder wie Hahn es formuliert: "Man sieht es nur, wenn man unbedingt will." Gleichzeitig stellte er aber den alternativen Antrag, die Panels auf dem zweiten Haus, dem Baudenkmal, anzubringen. Hier, auf dem Ost- und Westdach, würde man sie von nirgends sehen können, die Einstrahlung sei allerdings geringer. Plan B ging auf, der Antrag wurde genehmigt.

Auf seinem Haus mit Süddach (mittig mit hellroten Ziegeln) darf Philip Hahn keine Solarthermie anbringen. Von der oberen Spitalgasse aus, ist die Dachfläche über das gegenüberliegende Hoftor sichtbar.
Foto: Felix Hüsch | Auf seinem Haus mit Süddach (mittig mit hellroten Ziegeln) darf Philip Hahn keine Solarthermie anbringen. Von der oberen Spitalgasse aus, ist die Dachfläche über das gegenüberliegende Hoftor sichtbar.

Auffällig ist: Im Bescheid der unteren Denkmalschutzbehörde, der dieser Redaktion vorliegt, steht unter dem Punkt "Auflagen" als Ablehnungsgrund von Hahns erstem Antrag nur, dass sie "aufgrund der Einsehbarkeit vom Straßenraum nicht ausgeführt werden kann". Somit bedient sich scheinbar der Denkmalschutz auf dem Papier lediglich der Altstadtsatzung. Das wirft die Frage auf, ob die Karlstadter Altstadtsatzung nicht doch mehr Einfluss auf die Entscheidungsfindung hat, als gedacht.

Ausschuss entschied, Änderungen im Bayerischen Denkmalschutzgesetz abzuwarten

Diese Frage stellte sich auch Frederick Arand von der SPD in Karlstadt. Im Juli 2022 wurde ein Text von ihm im Parteimagazin "Rotstift" veröffentlicht, in dem er dem Stadtrat und der Verwaltung eine Streichung des Absatzes in der Satzung nahelegte. Daraufhin stellte die SPD den entsprechenden Antrag zur Streichung. Im September 2022 wurde im Bauausschuss entschieden, die Satzung nicht voreilig zu ändern, sondern erst eine angekündigte Änderung im Bayerischen Denkmalschutzgesetz abzuwarten. Theoretisch hätte eine Streichung wohl eh wenig gebracht, da der Denkmalschutz die von außen einsehbaren Solaranlagen ohnehin nicht genehmigen würde.

Aber stimmt das überhaupt? Laut Tanja Reder, der Leiterin des Sachgebiets Baurecht im Landratsamt, schon. Sie sagt, dass die Einsehbarkeit auch für die untere Denkmalschutzbehörde entscheidend sei. "In diesem Punkt sind sich die gemeindliche Satzung und die Denkmalschutzbehörde in der Regel einig", heißt es aus dem Landratsamt. Allerdings sei "das Ortsrecht der Gemeinde", also das Verbot in der Altstadtsatzung, als Ablehnungsgrund eines Antrags ausreichend und die Meinung der Fachbehörde nur ein weiteres Argument.  

Lohr streicht Passage im März 2023 aus der Satzung

So weit, so logisch. Bleibt die Frage, ob nicht trotzdem ein Zeichen für die Nutzung erneuerbarer Energien gesetzt wäre, wenn man den Passus in der Altstadtsatzung streichen würde und somit dem Denkmalschutz allein die Einzelfallentscheidungen überließe. Lohr hat es vorgemacht. Im März 2023 wurde auf Initiative von ÖDP-Stadtrat Torsten Ruf einstimmig beschlossen, den äquivalenten Absatz aus der Lohrer Satzung zu nehmen.

Man erhoffte sich davon, "ein Signal zur vermehrten Nutzung von Sonnenenergie auszusenden, das vielleicht über Lohr hinauswirken werde", wie Ruf es damals ausdrückte. Anstoß für die Entscheidung im Lohrer Stadtrat gaben die damals noch ausstehenden und am 1. Juli 2023 in Kraft getretenen Änderungen im bayerischen Denkmalschutzgesetz, die die Regelungen zu Solaranlagen auf Baudenkmälern lockern sollten.

Karlstadt könnte Hürde der Altstadtsatzung noch 2023 streichen

Auch in Karlstadt könnte es noch dieses Jahr so weit sein: Wie der geschäftsleitende Beamte Uli Heck berichtet, habe man die Absicht, den Satz in der Altstadtsatzung noch im Jahr 2023 anzupassen oder zu entfernen. Die Vorberatung dazu soll in einer der nächsten Sitzungen des Bauausschusses erfolgen. Anschließend werde der Beschlussvorschlag zur Satzungsänderung dem Stadtrat vorgelegt.

Die Hürde der Altstadtsatzung könnte somit bald Geschichte sein. Doch was bringen die Änderungen des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes mit sich? Ein Punkt sticht besonders heraus, der die Sichtbarkeit vom öffentlichen Raum aus behandelt: Auch in "geschützten Ensembles" wie der Karlstadter Altstadt sind neuerdings vom öffentlichen Raum aus sichtbare PV-Anlagen "regelmäßig erlaubnisfähig", solange sie "mit dem Erscheinungsbild des Ensembles denkmalfachlich vereinbar" sind, heißt es da.

Dachintegrierte Solarmodule als Vorschlag der Denkmalschutzbehörde

Denkmalfachlich vereinbar sind demnach beispielsweise in die Dachfläche integrierte Anlagen, die optisch deutlich unauffälliger sind und die Dachziegel ersetzen. Zu solchen sogenannten Indach-Solarmodulen wurde auch einem Bewohner aus der Fischergasse geraten. Auch ihm machten bei seiner geplanten Solaranlage sowohl die Altstadtsatzung als auch der Denkmalschutz einen Strich durch die Rechnung. Seine Anlage könnte man zwar nicht von der Karlsburg, wohl aber von der Mainbrücke aus sehen. 

Den Bewohner machen die integrierten Solarmodule skeptisch. Das Problem sei, dass die dachintegrierten Anlagen wie einzelne Bausteine zusammenhingen. "Wenn einer kaputtgeht, muss man den erst einmal finden. Diese alternativen Solaranlagen sind nicht nur eine Kostenfrage, sondern auch noch nicht ganz ausgereift", sagt er.

Drei Anträge seit Gesetzesänderung nachträglich gestattet

Ob und ab wann die kürzlichen Änderungen im Denkmalschutzgesetz ein wirkliches Entgegenkommen symbolisieren, das langfristig Früchte tragen kann, ist drei Monate später noch nicht abzusehen. Fakt ist aber, dass laut Landratsamt nach Inkrafttreten der neuen gesetzlichen Regelung immerhin drei Anträge im Altstadtgebiet von Karlstadt nachträglich gestattet wurden. 

 
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  • Brigitte Kinz
    Ich würde mal sagen, global gesehen sind die Zeiten vorbei, in denen wir uns leisten können auf ein "schönes Stadtbild" zu achten. Autark werden, das ist das Ziel für uns und das fängt beim Einzelnen an.
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