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Main-Spessart
Sanieren statt bauen: Neue Lösungen zum Thema Wohnen in Main-Spessart
Leerstände von Wohnhäusern schaden gleich zweifach – mehr versiegelte Fläche und brachliegende Ortskerne. Welche Probleme dahinterstecken und was Gemeinden tun können.
Häuser wie auf diesem Archivfoto aus Lohr gibt es überall im Landkreis. Das Regionalmanagement hat die Leerstände vor allem in Ortskernen im Blick. 
Foto: Roland Pleier | Häuser wie auf diesem Archivfoto aus Lohr gibt es überall im Landkreis. Das Regionalmanagement hat die Leerstände vor allem in Ortskernen im Blick. 
Tabea Goppelt
 |  aktualisiert: 09.02.2024 02:29 Uhr

Im Ortsinneren stehen Häuser leer und außerhalb sind Bauplätze schwer umkämpft. Das ist ein Thema, mit dem sich derzeit einige Gemeinden auseinandersetzen müssen, auch in Main-Spessart. Welche Möglichkeiten der Landkreis und die Gemeinden haben und bieten, weiß Dr. Tatjana Reeg vom Regionalmanagement. 

Was sind Gründe für Leerstände? 

Im Alter blieben Menschen häufig in ihrem Haus wohnen, machten aber die letzten Jahrzehnte oft nichts mehr daran. "Dann sind die Häuser natürlich in einem Zustand, der sie nicht gerade attraktiv macht für junge Familien", sagt Reeg. Ein Grund: Für ältere Menschen würden die Alternativen für einen Umzug fehlen. "Vor ein paar Jahren ist das Regionalmanagement das Thema 'gemeinschaftliches Wohnen für Ältere' angegangen", sagt Reeg. Es gebe seitdem in Karlstadt einen Stammtisch. Auch Erbengemeinschaften seien ein Thema: Manchmal gebe es keine Einigung oder generell keine Idee für die Immobilie. Um den Wert des Hauses besser einschätzen zu können, hielt das Regionalmanagement auch schon eine Veranstaltung ab.

Um innerörtliche Leerstände zu vermeiden, gab es in der Stadt Arnstein schon die Möglichkeit für Sanierungszuschüsse. Hier ein Archivfoto aus dem Ort.
Foto: Eichinger-Fuchs | Um innerörtliche Leerstände zu vermeiden, gab es in der Stadt Arnstein schon die Möglichkeit für Sanierungszuschüsse. Hier ein Archivfoto aus dem Ort.

"Ich finde, dass man hier sehr fixiert ist auf diese Vorstellung Einfamilienhaus. Diese ganzen Baugebiete, das sind immer Einfamilienhäuser mit Garten und entsprechend großem Grundstück", sagt Reeg. Es fehle die Bereitschaft, sich überhaupt Immobilien im Ortsinneren anzuschauen. Und wieder fehlen Alternativen, auch für jüngere Leute.

Bei einer Jugendstudie des Regionalmanagements sei auf die Frage "Was fehlt euch im Landkreis?" auch die Antwort "Wohnraum" gekommen. "Jugendliche, die mit 18 von daheim ausziehen wollen, brauchen ja kein Einfamilienhaus. Die hätten gern eine Zwei-Zimmer-Mietwohnung und so etwas gibt es ganz wenig", so Reeg. Dabei werde das Leben im ländlichen Raum durchaus wieder geschätzt. "Wenn Arbeiten flexibler wird, wird das natürlich auch einfacher", sagt Reeg.

Was macht das Regionalmanagement? 

Das Regionalmanagement hat dabei den ganzen Landkreis im Blick, einzelne Gebäude betreuen sie allerdings nicht. Reeg und ihre Kollegin wollen vor allem auf Probleme bei der Innenentwicklung aufmerksam machen. Und sie können Förderungen anstoßen. Das aktuelle Projekt ist die Immobilienbörse des Landkreises. Außerdem organisieren sie Veranstaltungen, beispielsweise zu steuerlichen Möglichkeiten bei Sanierungen. Ziel sei, Leuten Mut zu machen oder sie zu motivieren, dass sie sich vielleicht ein Sanierungsobjekt zulegen. "Sanieren statt neu bauen ist die Idee", sagt Reeg.

Hauptsächlich gehe es um die Ortskerne. Aber auch bei älteren Siedlungsgebieten stelle sich die Frage, wie man diese weiterentwickelt. Im Landkreis sei die Situation unterschiedlich: "Es gibt Gemeinden, die wenig Probleme haben mit Leerständen und andere haben das viel mehr", erklärt Reeg. Sie selbst findet das Thema sehr dringlich. Einerseits hätten leerstehende Häuser einen Einfluss auf das gesamte Ortsbild, andererseits bewirkten Neubaugebiete "einen wahnsinnigen Flächenverbrauch." Und zudem sei es eine Kostenfrage für die Kommunen: Für jede neue Siedlung müsse wieder neue Infrastruktur geschaffen und auf Dauer erhalten werden. 

Was können Gemeinden tun? 

Es gebe Programme wie Dorferneuerung oder Städtebauförderung, aber viele Kommunen hätten auch ein eigenes Förderprogramm zum Kauf oder zur Sanierung älterer Häuser aufgesetzt. Reeg kann sich für ein zukünftiges Projekt beispielsweise Beratungsgutscheine vorstellen. Die gebe es schon in anderen Landkreisen, aber in Main-Spessart noch nicht. "Dann kommt zum Beispiel für fünf Stunden ein bestimmter Architekt und sagt, was man mit dem Haus alles machen könnte", sagt Reeg. Orte attraktiv zu halten, habe auch viel mit Infrastruktur zu tun: Kindergärten, Schulen, Ärzte, Geschäfte. "Was ich persönlich wichtig finde, ist die Frage des öffentlichen Nahverkehrs", sagt Reeg.

Sanieren statt bauen: Neue Lösungen zum Thema Wohnen in Main-Spessart

Flächenverbrauch einschränken

Konkrete Herangehensweisen seien individuell: Kreativer denken, neue Ideen, ein bisschen wegkommen von dem, was man bisher hatte. Diese Punkte nennt Reeg immer wieder. "Man hat dieses Paar 'lebendige Ortsmitte' und 'Flächenverbrauch begrenzen'. Das andere sind alles Schritte auf dem Weg dahin", sagt Reeg. Sie denkt dabei in Richtung Wohngemeinschaften und Coworkingspaces (gemeinschaftlich genutzte Büroflächen) beim Arbeiten. Für die nächste Förderphase wolle sie dieses Thema mitnehmen: "Dass man das Wohnungsangebot flexibler denkt", sagt die Regionalmanagerin. 

Projekte des Regionalmanagements:  Immobilienbörse, Fördermöglichkeitengemeinschaftliches Wohnen im Alter

Flächensparoffensive in Unterfranken

Die Flächensparoffensive ist eine Strategie des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie, um den Flächenverbrauch im Freistaat zu senken. Für den Regierungsbezirk Unterfranken sind zwei Flächensparmanagerinnen tätig. Eine von ihnen ist Anne Weiß. Sie kennt die Daten für den Landkreis Main-Spessart:
Warum ist es so wichtig, Leerstände und Baulücken zu vermeiden? 
Im Landkreis Main-Spessart hat sich im Zeitraum von 2014 bis 2019 die Siedlungs- und Verkehrsfläche um rund 259 Hektar erweitert, die landwirtschaftlich genutzte Fläche ist um rund 366 Hektar zurückgegangen. Bei Neuausweisungen geht immer mehr Landwirtschafts- und Freifläche verloren, die nicht andernorts wieder hinzugewonnen wird. Mit ihr gehen gleichsam Bodenfunktionen, Flächen für Hochwasserschutz und Grundwasserneubildung, Habitate für seltene Tier- und Pflanzenarten und letztlich unzersiedelte Kulturlandschaft verloren, die einen wichtigen Beitrag für Naherholung und Tourismus leistet.
Eine Prognose des Statistischen Landesamtes für das Jahr 2039 zeigt, dass die unterfränkische Bevölkerung langfristig um rund 2,2 Prozent schrumpfen wird, in Main-Spessart sogar um 5,4 Prozent. Ein Grund ist vor allem die negative natürliche Bevölkerungsentwicklung, die durch Zuzug nicht ausgeglichen werden kann. Der aktuelle Bauboom und die in großer Zahl entstehenden Neubaugebiete könnten vor dem Hintergrund der demographischen Prognose langfristig zu einem Brachfallen von Ortskernen führen.
Quelle: Anne Weiß
 
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Kommentare
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  • rainer.mahler@web.de
    Es braucht eine zielgerichtete Beratung eines Architekten, den die Regierung und die Gemeinde für eine umfangreiche Erstberatung bezahlt.

    Und der muss auf das Potential, also die Chancen und Möglichkeiten des jeweiligen Gebäudes hinweisen und gangbare Wege für die Umsetzung der Sanierung aufzeigen. Er muss es den Bauwilligen also schmackhaft machen, die Sanierung anzugehen. Er muss ihnen Mut machen, das Potential zu nutzen, das da brach liegt. Dazu gehört auch im einen oder anderen Fall Abriss oder Teilabriss und Neuaufbau in ortstypischer Art.

    Diese Beratung kostet, aber das ist es langfristitg wert, wenn man die Ortskerne lebendig erhalten möchte. Es braucht einen Fürsprecher für die alten Häuser, der gangbare Wege aufzeigt. Da ist die Regierung und die Gemeinde gefordert, das zu installieren, statt nur Leerstände zu verwalten.
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  • Alesue
    Das Problem ist schon mindestens seit 25 Jahren bekannt, nur leider war die Ausweisung von Neubaugebieten bisher viel lukrativer für die Kommunen. Jetzt werden die Probleme unübersehbar. Die Probleme lassen sich nur lösen, wenn im Gegensatz zur bisherigen Situation, die Errichtung von flächenschonendem Wohnraum im Ortskern günstiger ist, als der Neubau auf der grünen Bauplatz-Wiese, dessen Umweltkosten die Allgemeinheit und nicht der Bauherr trägt. Dazu gehört auch, Hausbesitzer im Altort nicht zusätzlich mit kostenintensiven Sanierungsvorschriften zu drangsalieren, und auch mal Neues zu wagen und zu fördern. Wer bisher im alten Ortskern Hand angelegt hat, war stets der Dumme, das muss sich schleunigst ändern.
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  • schwabayer
    Vollkommen richtig, die Problematik ist seit so vielen Jahren bekannt, trotzdem passiert fast nichts.
    In solch einem dichtbesiedelten Land kann man den nachfolgenden Generationen doch nicht nur zugebaute, verschandelte Landschaften hinterlassen.
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  • fischer-zellingen@t-online.de
    Wohin mit dem Abbruch? Da sind Auflagen über Auflagen bei der Entsorgung. Überall Bürgerinitiativen bei einer Bauschuttdeponie. Der Bundnaturschutz hat bei uns eine Macht erreicht die alles verhindert. Wichtig sind alle Schädlinge Marder, Waschbär usw. Die müssen geschützt werden.
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  • rudiratlos
    hast wolf, luchs, biber, hamster vergessen, die sind wichtiger wie unsere Kinder, verkehrte Welt, drum wählt....... die die Viehcher im Wappen haben, da wirds noch schlechter
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