Im Ortsinneren stehen Häuser leer und außerhalb sind Bauplätze schwer umkämpft. Das ist ein Thema, mit dem sich derzeit einige Gemeinden auseinandersetzen müssen, auch in Main-Spessart. Welche Möglichkeiten der Landkreis und die Gemeinden haben und bieten, weiß Dr. Tatjana Reeg vom Regionalmanagement.
Was sind Gründe für Leerstände?
Im Alter blieben Menschen häufig in ihrem Haus wohnen, machten aber die letzten Jahrzehnte oft nichts mehr daran. "Dann sind die Häuser natürlich in einem Zustand, der sie nicht gerade attraktiv macht für junge Familien", sagt Reeg. Ein Grund: Für ältere Menschen würden die Alternativen für einen Umzug fehlen. "Vor ein paar Jahren ist das Regionalmanagement das Thema 'gemeinschaftliches Wohnen für Ältere' angegangen", sagt Reeg. Es gebe seitdem in Karlstadt einen Stammtisch. Auch Erbengemeinschaften seien ein Thema: Manchmal gebe es keine Einigung oder generell keine Idee für die Immobilie. Um den Wert des Hauses besser einschätzen zu können, hielt das Regionalmanagement auch schon eine Veranstaltung ab.
"Ich finde, dass man hier sehr fixiert ist auf diese Vorstellung Einfamilienhaus. Diese ganzen Baugebiete, das sind immer Einfamilienhäuser mit Garten und entsprechend großem Grundstück", sagt Reeg. Es fehle die Bereitschaft, sich überhaupt Immobilien im Ortsinneren anzuschauen. Und wieder fehlen Alternativen, auch für jüngere Leute.
Bei einer Jugendstudie des Regionalmanagements sei auf die Frage "Was fehlt euch im Landkreis?" auch die Antwort "Wohnraum" gekommen. "Jugendliche, die mit 18 von daheim ausziehen wollen, brauchen ja kein Einfamilienhaus. Die hätten gern eine Zwei-Zimmer-Mietwohnung und so etwas gibt es ganz wenig", so Reeg. Dabei werde das Leben im ländlichen Raum durchaus wieder geschätzt. "Wenn Arbeiten flexibler wird, wird das natürlich auch einfacher", sagt Reeg.
Was macht das Regionalmanagement?
Das Regionalmanagement hat dabei den ganzen Landkreis im Blick, einzelne Gebäude betreuen sie allerdings nicht. Reeg und ihre Kollegin wollen vor allem auf Probleme bei der Innenentwicklung aufmerksam machen. Und sie können Förderungen anstoßen. Das aktuelle Projekt ist die Immobilienbörse des Landkreises. Außerdem organisieren sie Veranstaltungen, beispielsweise zu steuerlichen Möglichkeiten bei Sanierungen. Ziel sei, Leuten Mut zu machen oder sie zu motivieren, dass sie sich vielleicht ein Sanierungsobjekt zulegen. "Sanieren statt neu bauen ist die Idee", sagt Reeg.
Hauptsächlich gehe es um die Ortskerne. Aber auch bei älteren Siedlungsgebieten stelle sich die Frage, wie man diese weiterentwickelt. Im Landkreis sei die Situation unterschiedlich: "Es gibt Gemeinden, die wenig Probleme haben mit Leerständen und andere haben das viel mehr", erklärt Reeg. Sie selbst findet das Thema sehr dringlich. Einerseits hätten leerstehende Häuser einen Einfluss auf das gesamte Ortsbild, andererseits bewirkten Neubaugebiete "einen wahnsinnigen Flächenverbrauch." Und zudem sei es eine Kostenfrage für die Kommunen: Für jede neue Siedlung müsse wieder neue Infrastruktur geschaffen und auf Dauer erhalten werden.
Was können Gemeinden tun?
Es gebe Programme wie Dorferneuerung oder Städtebauförderung, aber viele Kommunen hätten auch ein eigenes Förderprogramm zum Kauf oder zur Sanierung älterer Häuser aufgesetzt. Reeg kann sich für ein zukünftiges Projekt beispielsweise Beratungsgutscheine vorstellen. Die gebe es schon in anderen Landkreisen, aber in Main-Spessart noch nicht. "Dann kommt zum Beispiel für fünf Stunden ein bestimmter Architekt und sagt, was man mit dem Haus alles machen könnte", sagt Reeg. Orte attraktiv zu halten, habe auch viel mit Infrastruktur zu tun: Kindergärten, Schulen, Ärzte, Geschäfte. "Was ich persönlich wichtig finde, ist die Frage des öffentlichen Nahverkehrs", sagt Reeg.
Flächenverbrauch einschränken
Konkrete Herangehensweisen seien individuell: Kreativer denken, neue Ideen, ein bisschen wegkommen von dem, was man bisher hatte. Diese Punkte nennt Reeg immer wieder. "Man hat dieses Paar 'lebendige Ortsmitte' und 'Flächenverbrauch begrenzen'. Das andere sind alles Schritte auf dem Weg dahin", sagt Reeg. Sie denkt dabei in Richtung Wohngemeinschaften und Coworkingspaces (gemeinschaftlich genutzte Büroflächen) beim Arbeiten. Für die nächste Förderphase wolle sie dieses Thema mitnehmen: "Dass man das Wohnungsangebot flexibler denkt", sagt die Regionalmanagerin.
Projekte des Regionalmanagements: Immobilienbörse, Fördermöglichkeiten, gemeinschaftliches Wohnen im Alter
Und der muss auf das Potential, also die Chancen und Möglichkeiten des jeweiligen Gebäudes hinweisen und gangbare Wege für die Umsetzung der Sanierung aufzeigen. Er muss es den Bauwilligen also schmackhaft machen, die Sanierung anzugehen. Er muss ihnen Mut machen, das Potential zu nutzen, das da brach liegt. Dazu gehört auch im einen oder anderen Fall Abriss oder Teilabriss und Neuaufbau in ortstypischer Art.
Diese Beratung kostet, aber das ist es langfristitg wert, wenn man die Ortskerne lebendig erhalten möchte. Es braucht einen Fürsprecher für die alten Häuser, der gangbare Wege aufzeigt. Da ist die Regierung und die Gemeinde gefordert, das zu installieren, statt nur Leerstände zu verwalten.
In solch einem dichtbesiedelten Land kann man den nachfolgenden Generationen doch nicht nur zugebaute, verschandelte Landschaften hinterlassen.