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Gemünden
Russischer Laden in Gemünden: Wie gehen die Betreiber mit der politisch brisanten Situation um?
Während Supermärkte russische Waren aus dem Sortiment werfen, leben die Medalyevs in Gemünden von ihnen. Die russische Fahne vor ihrem Laden wurde nun abgerissen.
In Gemünden verkaufen Vladimir Medalyev und seine Frau Irina russische Waren.
Foto: Björn Kohlhepp | In Gemünden verkaufen Vladimir Medalyev und seine Frau Irina russische Waren.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:37 Uhr

Wladimir Medalyev, 55, und seine Frau Irina, 53, betreiben in Gemünden den einzigen Laden im Landkreis Main-Spessart, der auf russische Waren spezialisiert ist. Dort bekommt man russische Teigwaren, Bier und Wurst, aber auch exotische Dinge wie eingelegten Sauerampfer. Normalerweise hängt eine russische Fahne über dem Eingang des "Baltika", aber im Moment weht dort nur noch die deutsche. Ein älterer russlanddeutscher Kunde wollte am Mittwoch von den Medalyevs wissen, warum sie die russische Fahne abgehängt hätten. Aber das haben sie nicht, die wurde ihnen am Wochenende von Unbekannten abgerissen und entwendet. Der Ukraine-Krieg strahlt bis nach Gemünden aus.

"Die Fahne hat nichts mit Politik zu tun", sagt das Ehepaar, das den Laden seit fast zehn Jahren betreibt. Für ihr Geschäft an der Bundesstraße sei die russische Fahne lediglich Werbung. Oft kauften Lokführer oder Lkw-Fahrer, die sie im Vorbeifahren gesehen hätten, bei ihnen ein. Einmal sei sogar ein Franzose vorbeigekommen, der aber dann habe einsehen müssen, dass er sich bei der eigenen Fahne vertan habe. Natürlich hätten sie auch Kundinnen und Kunden aus der Ukraine.

"Wir haben mit Politik nichts zu tun, unsere Tür ist offen für alle."
Ehepaar Medalyev, Inhaber des russischen Ladens in Gemünden

Im Angebot haben sie auch Waren aus beispielsweise Litauen, Armenien oder Georgien, aber selbstverständlich auch aus der Ukraine. Vielleicht, scherzen sie, sollten sie eine sowjetische Fahne statt der russischen aufhängen? Sie selbst wollen nichts mit Politik zu tun haben, berichten, dass ihr Sohn schon seit zwölf Jahren bei der Bundeswehr ist. Anfeindungen hätten sie aufgrund des Krieges noch keine erlebt. Interessanterweise kämen plötzlich mehr deutsche Kundinnen und Kunden als zuvor, was sie sich aber nicht erklären können.

Schaut russisch aus, ist aber in der Ukraine hergestellt.
Foto: Björn Kohlhepp | Schaut russisch aus, ist aber in der Ukraine hergestellt.

"Wir haben mit Politik nichts zu tun, unsere Tür ist offen für alle", sagt das Ehepaar. Der Krieg in der Ukraine sei schlimm, Brüder müssen auf Brüder schießen. "Wir leiden mit." Aber vor allem die älteren Kundinnen und Kunden schauten überwiegend russisches Fernsehen. So auch der ältere Kunde, der sich über den Verbleib der russischen Fahne gewundert hat.

Er sagt, dass er als Deutscher in seinem Geburtsland Tadschikistan als "Faschist" gegolten habe, während er hier als "Russe" gelte. Der Mann räumt ein, fast nur russisches Fernsehen zu schauen, und glaubt offensichtlich dem Märchen, dass Putin den unterdrückten Russen in der Ostukraine helfen und die Ukraine von Nazis befreien möchte.

Auch Waren aus der Ukraine

Deutschlandweit nehmen große Einzelhandelsketten gerade russische Produkte aus dem Sortiment. Für die Medalyevs wäre das womöglich das Ende ihres Geschäfts, dann blieben ihnen nur noch die Angelwaren, die sie auch führen. Wobei sie oft gar nicht wissen, woher genau ihre Waren kommen. Zu in Russland produzierten Waren fallen ihnen spontan nur Bier, Wodka und Getreide ein. Manches komme auch aus der Ukraine, etwa Bier oder Nudeln.

Erst der Blick auf die Rückseite einer Packung "Feingebäck 'Podmoskovnie' russischer Art" zeigt etwa, woher das Produkt wirklich stammt: aus der Ukraine. Von dort kommen auch Süßigkeiten der Marke "Roshen", die aus den Süßwarenfabriken des früheren ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko kommen.

Im E-Center Trabold in Gemünden gibt es aktuell noch russische Produkte, aber womöglich nicht mehr lange. Markus Schreier, Prokurist bei Frischemärkte Trabold in Zellingen, sagt auf Anfrage, dass es seitens der Edeka-Zentrale aktuell Überlegungen gebe, in Russland produzierte Waren, etwa Wodka, aus dem Sortiment zu nehmen. Die Trabold-Frischemärkte hätten jedoch auch russische Waren im Angebot, die anderswo hergestellt würden, manche auch in Deutschland.

Für den Marktbetreiber, der auch am Würzburger Heuchelhof, wo viele Menschen aus Osteuropa leben, einen Markt mit einem breiten Sortiment russischer Waren betreibt, sei das keine einfache Entscheidung, sagt Schreier.

Auch Rewe und Tegut nehmen Waren aus Russland aus dem Sortiment

Russische Waren gibt es auch noch im Rewe in Gemünden – noch. Denn momentan werden die Waren nur noch abverkauft, wie zu hören ist, aber keine neuen nachgekauft. Dies habe die Geschäftsführung von Rewe als Signal der Solidarität mit der Ukraine entschieden. Am Mittwoch, ist vom Tegut in Gemünden zu erfahren, habe auch Tegut entschieden, die vorhandenen russischen Produkte noch abzuverkaufen, aber dann "auszulisten".

Noch wissen die Medalyevs, die selbst Verwandte in der Ukraine haben, nicht, ob es aufgrund des Krieges oder der Sanktionen vielleicht demnächst Versorgungsschwierigkeiten für ihr Sortiment gibt. Vieles werde auch in Deutschland produziert, etwa Tiefgekühltes oder Wurstwaren. Die Geschäftsleute möchten wieder eine russische Fahne aufhängen.

 
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  • K. F.
    ich finde es schlimm, wenn russische bürger jetzt in dieser zeit auch noch darunter leiden müssen, wegen ihres agressors putin in russland. dieses ehepaar in gemünden kann bestimmt nichts zum fehlgeleiteten verhalten des noch !! russischen präsidenten. lasst doch den russischen menschen, die in deutschland leben ihre ruhe. man kann nur hoffen, dass dieser erbärmliche krieg in der ukraine bald vorüber ist und nicht die gesamte welt mit hineingezogen wird wegen eines wahnsinnigen! war aber schon einmal da. näher brauche ich wohl nicht darauf einzugehen!
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  • R. E.
    Ich meine, dass es dem Feingefühl entspricht, in der derzeitigen Situation die russische Flagge abzunehmen. Zudem steht groß und gut lesbar "Russische Waren" auf dem Geschäft.
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  • T. P.
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  • W. S.
    Natürlich spiegelt die Fahne die Solidarität mit einem Land und dessen Werten - Politik wieder.
    Oder warum kommen sie nicht auf die Idee die ukrainische Fahne aufzuhängen.
    Die Aussage mit der sowjetischen Fahne finde ich voll daneben zum jetzigen Zeitpunkt.
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  • d. e.
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  • J. F.
    Was hält der russische Bär vor dem Laden der Medalyevs denn da in seinen Händen - "Baltika"? - Kleine Fische, die er demnächst schlucken möchte? /// Laut den Medalyevs sei die russische Fahne lediglich Werbung - und genau das ist das Problem.
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  • P. W.
    an Granti
    welche SOWJETISCHE Fahne)? Ich dachte, die gibts nicht mehr.
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  • H. S.
    ...mit Russland verdient man eben nichts mehr, Werbung dafür ist zur Zeit out!
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  • H. S.
    Die Flagge kann er gerne weglassen. Wo seine Produkte tatsächlich herkommen, dürfte etwas an Nachforschungen erfordern, und könnte durchaus auch Überraschungen mit sich bringen.
    Ich bin z.B. Kroatien-Fan. Dort wird fast zu jedem Grill-Gericht Djuwetsch-Reis gereicht.
    Irgendwann habe ich gesehen, dass sowohl die Gastronomie, als auch Privathaushalte dazu Reis kochen, und dann den Inhalt einer Dose daruntermischen.
    In einem kroatischen Laden (für Einheimische) habe ich diese Dosen dann auch in allen Größen gefunden. Als ich die mir mal näher angeschaut habe stand da als "Hersteller" eine Firma aus Augsburg drauf... Erst viel später habe ich dann noch dazugelernt dass die mit Herstellern aus dem ganzen Balkan-Raum zusammenarbeiten. Die Produkte dieser Firma sind in Kroatien in fast jedem Haushalt vorhanden, wie z.B. auch Ajvar.
    Die Welt ist heute einfach Global! Nur, weil ein Produkt auf den ersten Blick aus einem bestimmten Land zu kommen scheint, muss es gar nicht so sein.
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  • M. G.
    Was kann das russische Volk dazu?
    Die sind doch auch "mundtot" gemacht worden?
    Das geht nur einen an, das ist "Putin"!
    Und glaubt nicht, wie das viele in dieser Zeit versuchen, auch mit Kommentaren zu zensieren und wie kannst du sowas sagen, oder schreiben sie hier ein Schimpfwort über Putin, spätesten wenn der Bündnisfall / Artikel 5 eingetreten ist, ist die gesamte westliche Welt dabei, dann spielen Kommentare keine Rolle mehr!
    77 Jahre Frieden, haben wir und alle in Europa geglaubt, ist ein stabiler Frieden (vorsichtig umrissen)! Weit gefehlt.
    Wer auf die Idee kam, aber ich kann es auch nicht mehr umreißen, warum haben wir im Ausland gekämpft!
    Gegründet wurde die Bundeswehr mal als Verteidigung - Armee ohne Auslandseinsätze, so kenne ich das noch als 1953 Geborener! Wer hat uns mit unserer Vergangenheit in diese Situation gebracht, wie die Ukraine es erlebt und wir auch erleben werden.
    Ich wünsche uns allen in Europa "Frieden", aber der steht auf der Skala 1-10 auf 8!
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  • H. S.
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  • J. K.
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  • H. S.
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  • C. K.
    Die Besitzer des Baltika sind immer freundlich und zuvorkommend. Die können nichts für die Politik von Putin. Werde dort weiterhin einkaufen und auch den Paketshop nutzen.
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  • P. K.
    Produkte aus Russland kaufe ich jetzt auch nicht mehr. Und wenn ein Deutscher aus Tadschikistan meint, dass er mit einer russischen Fahne Werbung machen muss, dann hat er jetzt halt ein Problem. Mit Russenhass hat das nichts zu tun, mit Putinhass aber schon.
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  • K. F.
    wenn das ehepaar werbung mit der russischen fahne machen wollte, hätten sie wohl keine !! deutsche fahne dazugehängt. oh mann ei!
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  • J. S.
    Wenn man "offenkundig" nichts mit Politik am Hut hat, sollte man auch nicht darüber scherzen.
    Schon gar nicht über die sowjetische Flagge.

    Der vermissten Flagge hätte man als Eigentümer auch zuvor kommen können wenn man sie aus Solidarität von sich aus abgenommen hätte...

    Eine Flagge spiegelt IMMER die jeweilige Nation mit all ihren Werten inkl. der Politik wieder! Somit ist das sehr wohl als politisches Statement zu verstehen!
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  • A. K.
    wo war da eine sowjetische Flagge?
    Sowjetische und russische Flagge ist ja wohl ein Unterschied
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