zurück
Marktheidenfeld
Rocker-Streit an der Tankstelle: Wer steckt hinter den "Bandidos" und "Outlaws"?
Nach der blutigen Auseinandersetzung zweier Rockergruppen in Marktheidenfeld gibt es viele Fragen:  Kommt es häufiger zum offenen Konflikt? Und wie kriminell ist die Szene?
Rocker wie hier Mitglieder der 'Bandidos' sind vor allem an ihren uniformartigen Westen erkennbar. In einigen Regionen Deutschlands sind sie inzwischen verboten.
Foto: Marius Becker, dpa | Rocker wie hier Mitglieder der "Bandidos" sind vor allem an ihren uniformartigen Westen erkennbar. In einigen Regionen Deutschlands sind sie inzwischen verboten.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 22.07.2024 02:31 Uhr

Auf dem Video der Überwachungskamera an der Tankstelle ist der Streit zweier Rockerbanden laut Staatsanwaltschaft Würzburg deutlich zu sehen. Und ein Mann, der der einem anderen ein Messer in den Rücken rammt. Er sei flüchtig, hieß es zwei Tage später von Seiten der Ermittler. Fünf Verletzte waren am Samstagabend an der Tankstelle in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) vor Ort von den Einsatzkräften gefunden worden.

Der Polizei Unterfranken zufolge kommen die Beteiligten der Auseinandersetzung aus dem Kreis der "Bandidos" und "Outlaws". Doch was sind das für rivalisierende Gruppen und wer steht hinter den Rockern? Antworten im Überblick.

Wie viele Rocker gibt es in Deutschland und was machen sie?

Laut Bundeskriminalamt (BKA) gibt es bundesweit rund 10.000 Rocker in verschiedenen Gruppierungen, organisiert in circa 700 sogenannten "Chapters". Immer wieder gibt es Berichte über Revierkämpfe unter Mitgliedern. Die Rede ist von Erpressung und Drogenhandel, Rocker sollen mit Messern aufeinander losgehen oder auf Polizisten. In Unterfranken sind bisher keine größeren Vorfälle bekannt.

"Rocker sind längst nicht mehr nur die tumben Schläger, die vor Diskotheken stehen und dort den Drogenhandel kontrollieren", sagt Journalist Thomas Heise, Mitautor des 2013 erschienenen Buchs  "Rockerkrieg". Sie würden auch in der Lebensmittelbranche mitmischen, Immobiliengeschäfte machen oder in der Gastronomie oder in der Rotlichtszene tätig sein. "Sie sind Teil der organisierten Kriminalität in Deutschland und liefern sich einen Krieg um Macht und Einfluss", sagt Heise, der als Experte für Rockerkriminalität gilt.

In welchem Zusammenhang stehen Rockerclubs und Kriminalität?

Laut dem aktuellen bayerischen Verfassungsschutzbericht zählen zu typischen Deliktsfeldern dieser Gruppierungen Rauschgifthandel sowie Rotlicht- und Gewaltkriminalität. 

Laut Bundeskriminalamt liegt der Großteil der von Rockern begangenen Straftaten im Bereich der Rohheitsdelikte. Die Schwelle zu massiver Gewalt bis hin zu Tötungsdelikten sei niedrig.

Was weiß die Polizei Unterfranken über die "Outlaws" vor Ort?

 "Wir haben Rocker, die hier wohnen", sagt der Marktheidenfelder Polizeichef Michael Zimmer mit Blick auf "Outlaws" im benachbarten Roden. "Allerdings hatten wir hier in keiner Weise Auffälligkeiten." Die Beteiligten des Streits an der Tankstelle seien "bei weitem nicht alle aus dem Landkreis Main-Spessart" gekommen, sagt Zimmer. Sie stammten auch von außerhalb.

Die "Outlaws" haben nach eigenen Angaben 37 Chapter in Deutschland und europaweit 2000 Mitglieder. Darunter sind Standorte in Kitzingen, im Landkreis Main-Spessart und im benachbarten Main-Tauber-Kreis.

Wo im Umkreis von Unterfranken fallen "Bandidos" auf?

In Miltenberg machen die "Bandidos", eine der weltweit größten Motorradgruppen, immer wieder von sich reden. Der Club wird auf circa 5000 Mitglieder mit 210 Ortsgruppen in 22 Ländern geschätzt. Laut dem bayerischen Verfassungsschutzbericht 2023 hatten die "Bandidos" in Bayern Gruppen in Allersberg, Bad Königshofen, Bamberg, Bogen, Deggendorf, Ingolstadt, München, Nürnberg, Passau, Miltenberg, Würzburg und Starnberg.

"Auffällig sind bei den rockerartigen Gruppierungen die starken Schwankungen bei den Mitgliederzahlen", schreibt der Verfassungsschutz. Verlässliche Angaben über die Situation in Unterfranken lassen sich so schwer machen.

Im Juni 2022 hatte ein Vorfall zwischen zwei Gruppierungen in Miltenberg für Aufsehen gesorgt. Laut Polizei zwangen damals fünf Rocker der "Bandidos" auf offener Straße ein Auto zum Anhalten und attackierten einen Insassen: einen 55 Jahre alten "Outlaw". Bei der Aufklärung stieß die Polizei auf eine Mauer des Schweigens.

Was ist über die "Bandidos" in Unterfranken und Bayern bekannt?

Unvergessen ist der Versuch des Landeskriminalamtes (LKA), 2009 einen im Raum Würzburg tätigen V-Mann als Spitzel bei den "Bandidos" einzuschleusen. Der Plan ging schief, als der Spitzel bei dubiosen Drogengeschäften erwischt wurde. Vor Gericht und in den Medien plauderte der V-Mann Interna aus der Welt der "Bandidos" und auch aus Ermittlerkreisen aus - mit zweifelhaftem Wahrheitsgehalt

Heikel ist auch folgende Erkenntnis der bayerischen Verfassungsschützer: "Es bestehen punktuell personelle Überschneidungen zwischen dem Rockermilieu und der rechtsextremistischen Szene, die zumeist auf geschäftliche Interessen oder persönliche Beziehungen zurückgehen."

Woran sind die Rockergruppen zu erkennen?

Erkennbar sind die Rocker an ihren markanten Lederwesten mit Clubnamen und Emblemen. 2017 wurde nach blutigen Auseinandersetzungen im Ruhrgebiet einigen Gruppierungen, darunter den dortigen Bandidos, das öffentliche Tragen ihrer "Kutte" verboten.

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte 2020 dieses Verbot, das bei Veranstaltungen auch kontrolliert wird: Das uniformierte Auftreten und gemeinsame Zeigen der Vereinszeichen wirke einschüchternd, hieß es unter anderem zur Begründung der Gesetzesverschärfung.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Marktheidenfeld
Roden
Würzburg
Manfred Schweidler
Bandidos
Bundeskriminalamt
Bundesverfassungsgericht
Erpressung
Landeskriminalämter
Polizei
Rockerclubs
Staatsanwaltschaft Würzburg
Tötungsdelikte und Straftaten gegen das Leben
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Harald Bach
    Dass die Mitglieder mancher Motorradclubs das Gesetz gerne in die eigene Hand nehmen, hat man ja bereits 2021 in SW erlebt, als 6-7 harmlose Motorradfahrer einen Pkw-Fahrer derart massiv nötigten, dass das Ganze vor Gericht endete und leider mit einer viel zu geringen Strafe für die Biker ausging.
    Also kein Einzelfall!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Helga Scherendorn
    Autofahrer benehmen sich besser?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Harald Bach
    Ich habe noch nicht gelesen, dass 7 Autofahrer einen anderen Autofahrer durch die Stadt gejagt, verfolgt und gestoppt haben…..

    Ja, anscheinend kommt das bei Autofahrern seltener vor 🤷🏻‍♂️
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Koch
    Wie die Frau Scherendorn schon schrieb, sie kennt die Bandenmitglieder aus Roden. Ich würde solche Leute nicht kennen wollen obwohl ich Motorrad fahre.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Helga Scherendorn
    @Koch, wie voreingenommen sie doch sind, das ist beängstigend. Was sie Motorrad fahren nennen, kann ich mir schon vorstellen :-)
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Astrid Geiger-Schmitt
    Das traurige an der ganzen Sache ist das dadurch auch andere Motorradclubs in Verruf kommen da sie auch meistens "Kutten" mit ihrem Clubabzeichen tragen. Also verteufelt bitte nicht alle Motorradclubs denn viele von ihnen wollen nur eine Gemeinschaft bilden die gerne Motorrad fahren, feiern und Spaß am Leben haben wollen. Ich selber fahre kein Motorrad aber ich kenne einige und das sind sehr patente Menschen !!!
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Koch
    "Allerdings hatten wir hier in keiner Weise Auffälligkeiten." sagt angeblich der Polizeichef.
    Das wäre eine ganz schön naive Einstellung zu einer bekannten Verbrecherbande sage ich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Helga Scherendorn
    Kennen sie einen von den „Verbrechern“ aus Roden?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Fabian König
    Tun Sie‘s?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Helga Scherendorn
    ja
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Bartosch
    Leider verstößt der Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten