
Als es an einem frühen Morgen im Frühjahr an der Haustür von Sabine Väthjunker aus Röttbach klingelte und ihr jemand sagte, dass ihre Pferde auf der Landstraße kurz vor Michelrieth stehen würden, konnte sie es nicht glauben. Normalerweise stehen der Schecke Navajo, das Thüringer Pony Maya und das einjährige Pony Ramiro sicher in ihrem Auslauf in der Nähe des Wohnhauses.
Als Väthjunker bei den Tieren ankam, grasten sie friedlich am Straßenrand. "Ich hatte große Sorge, dass jemand zu Schaden kommt, wenn ein Auto in die Pferde fährt", sagt die 49-Jährige. Zum Glück sei nichts passiert. Als sie zurück kam, sah Väthjunker, dass ein mobiles Schutznetz umgesteckt worden war. "Wären die Pferde von alleine ausgebrochen, hätten sie den Zaun mitgerissen." Sie vermutet Absicht, schließlich war auch der Riegel des Stalls verschlossen. Wer und warum jemand so etwas tut, kann sie sich nicht erklären.
Sabine Väthjunker lebt in Röttbach ihren Traum als Reittherapeutin
Auf Väthjunkers Hof leben nicht nur Pferde, sondern auch Hasen, Schildkröten, Wachteln, Hund und Katze. Sie leben dort nicht nur, sie unterstützen die Reittherapeutin. Sie bietet Kindern und Erwachsenen eine heilpädagogische Begleitung an. Zuvor hat sie ihren Beruf zehn Jahre lang im Tierpark Sommerhausen ausgeübt.

"Ich lebe meinen Traum. Das heißt nicht, dass mein Leben einfach und bequem wäre", sagt sie. Von der Stallarbeit bis zur Therapiestunde macht sie das meiste alleine. Ihre Arbeitswoche, während der sie noch als Leiterin der Mittagsbetreuung in der Oberndorfer Grundschule beschäftigt ist, hat mindestens 60 Stunden, sagt sie. Etwas anderes kann sie sich trotzdem nicht vorstellen. Ruft jemand an und und will einen Notfalltermin, zum Beispiel für einen suizidgefährdeten Teenager, versucht sie das selbst am Sonntag möglich zu machen.
Heilpädagogisches Begleiten für Menschen mit Defiziten
Alle 14 Tage kommt beispielsweise eine Gruppe Erwachsener mit Beeinträchtigungen, teilweise sitzen sie im Rollstuhl. Sie dürfen im Garten und im Stall die Wärme der Tiere spüren, vielleicht auch streicheln oder bei der Pflege helfen. "Jeder macht das, wobei er sich wohlfühlt", erklärt Väthjunker. Kinderhospiz-Patienten, Menschen, die im sozialen Verhalten auffällig sind, Betroffene einer Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) oder mit Problemen der Feinmotorik, besuchen Väthjunker und ihre Pferde. Auch Menschen ohne Beeinträchtigungen können bei Väthjunker erste Erfahrungen an und auf dem Pferd sammeln.

Der Vorfall im Frühjahr war nicht der erste seiner Art. Mindestens drei Mal haben Unbekannte die Pferde innerhalb eines Jahres aufgescheucht und die Absperrung geöffnet. Warum, das kann Väthjunker nicht nachvollziehen. "Wir sind nicht einfach nur ein Reiterhof, sondern helfen Menschen in Not."
Pony-Fohlen Ramiro hatte Glück, dass es überlebte
Zum ersten Mal ist es Mitte Mai 2022 passiert: Als Sabine Väthjunker am Morgen nach ihren Pferden sehen wollte, stand das wenige Wochen alte Fohlen Ramiro nassgeschwitzt auf dem Reitplatz, die Mutterstute war auf der Koppel eingesperrt und konnte nicht zu ihrem Jungen. Jemand muss am frühen Morgen den Zaun des Auslaufs geöffnet und das Muttertier von ihrem Fohlen getrennt und auf die Weide gescheucht haben, vermutet sie.
Anders kann sich Väthjunker die Situation, wie sie sie vorgefunden hatte, nicht erklären. Sie vermutet, dass das Jungtier gestohlen werden sollte. Jedes Pferd muss während seines Geburtsjahres gechipt werden. In dem Mikrochip, den das Pferd implantiert bekommt, ist eine Nummer gespeichert, die man mit einem Gerät auslesen kann und das Pferd so identifizieren kann. Ungechipte Fohlen werden häufig gestohlen, erklärt Väthjunker. "Der Tierarzt sagte, wir haben Glück gehabt, dass Ramiro überlebt."

Wenige Wochen später sei der Zaun wieder geöffnet worden, erinnert sich Väthjunker. Die Pferde fand sie später in der Nähe der Autobahn A3, nordöstlich von Röttbach wieder. "Sie müssen dorthin getrieben worden sein", sagt sie, "denn ihre Koppel, die sie kennen, ist in der entgegengesetzten Richtung". Wenn die Pferde von alleine irgendwohin laufen würden, dann dahin, wo sie sich auskennen und es etwas Gutes zum Fressen gibt.
Mittlerweile hat Väthjunker ein Vorhängeschloss am Stall, um die Tiere zu schützen. Der Stall und die Tiere werden jetzt videoüberwacht. Der Elektrozaun, der Auslauf und Reitplatz eingrenzt, ist auf dem neuesten Sicherheits-Stand. Die Reittherapeutin appelliert an die Vernunft: "Wenn Pferde frei herumlaufen, passiert schnell mal ein Unfall. Das ist das eine große Gefahr für Menschen und Tiere. Bitte lasst mich und meine Tiere in Frieden unsere Arbeit tun und anderen helfen."