Überm Eingang steht geschrieben A(n)nette Volti-Halle, und das ist sie, die Reithalle der Abtei Münsterschwarzach nahe dem Egbert-Gymnasium (EGM). Als einzige Schule in Deutschland bietet das EGM eigenverantwortlich Voltigieren als Neigungskurs an. Ein Alleinstellungsmerkmal, das Fluch und Segen zugleich ist. Das die ehemalige Lehrerin Annette Müller-Kaler über Jahrzehnte mit Herzblut verteidigt hat und für das auch ihre Nachfolgerin Mona Schwanfelder einen großen Teil ihrer Freizeit opfert. Die sieben Pferde müssen gepflegt und geritten werden, die Ställe ausgemistet, die Kinder trainiert sein.
Bis zu 14 Pferde standen zu den Spitzensportzeiten in den Ställen
Müller-Kaler ist vor allem morgens und abends in der Volti-Halle anzutreffen, bewaffnet mit Schaufel und Heugabel. Die Haut wettergegerbt, die Falten um die Augen vom Lachen gefurcht. Sie liebt, was sie da tut, schon immer. Bis zu 14 Pferde standen zu den Spitzensportzeiten in den Ställen, 2020 hat sie sich aus der Verantwortung zurückgezogen und das Projekt an Schwanfelder übergeben.
Diese war von 2000 bis 2009 als Schülerin und Voltigiererin am EGM, kümmerte sich während des Studiums schon als Trainerin und seit 2018 als Lehrerin für Latein und Sport um die Voltigierarbeit am EGM. "Mona ist der Sechser im Lotto", sagt Müller-Kaler. Weil sie weiß, dass die Zeit des Voltigierens oft nur an die Schulzeit gekoppelt ist. "Das ist ein Durchlauferhitzer. Nach dem Abitur sind sie alle weg."
Nicht so Schwanfelder. Sie war nie ganz weg. Obwohl sie weiß, dass das Pensum hoch ist. Sie ist froh, dass Müller-Kaler ihr unter der Woche durch ihren 520-Euro-Job einiges an Stallarbeit abnimmt. Die Wochenenden hält sich die 68-Jährige frei, nimmt ihren Urlaubsanspruch konsequent wahr. "Ich habe für mich selbst beschlossen, dass ich da kürzer treten muss." Jahrelang habe sie so viel Zeit und Herzblut investiert. Jetzt sei es so weit, an sich zu denken.
Die Kritik, die nach dem Umzug der zwei Hochleistungs-Voltigierpferde Waldez und Prometheus ins Gut Aiderbichl, einem Gnadenhof im Salzburger Land, Anfang des Jahres laut wurde, hat sie trotzdem getroffen. Es sei unmoralisch und herzlos, alte Pferde wegzugeben, hieß es da. Herzzerreißende Szenen von weinenden Kindern hätten die Vorwürfe noch verschärft. Müller-Kaler kann sie mit Schwanfelderleicht entkräften. "Wir haben das den Kindern gegenüber immer klar kommuniziert", sagt Müller-Kaler. "Es gehört sich nicht, alte Pferde wegzugeben."
Schon lange wird nach einer Pferdewirtin gesucht
Waldez und Prometheus seien für den Wettkampfsport nicht mehr geeignet, aber die Ansprüche der Tiere nach Bewegung nach wie vor sehr hoch gewesen. Man habe keinen anderen und schon gar keinen besseren Weg gefunden, als den Kontakt zum Gut Aiderbichl zu nutzen. "Sie sind vom einen ins nächste Paradies gezogen", versichert die Pädagogin, die teilweise selbst noch für die Verpflegung der beiden Pferde aufkommt. Es gab keine andere Lösung.
Schon lange ist eine Stelle als Pferdewirtin oder Pferdewirt ausgeschrieben, auch persönliche Kontakte helfen und halfen nichts. Mit dem Bau der Voltigierhalle 2006 wurde die erste Vollzeitkraft eingestellt, ebenfalls eine ehemalige Schülerin. In der Folge gab es weitere Lösungsansätze, aber keinen, der dem Anforderungsprofil voll entsprach. "Für diesen Job muss man viel können", erklärt Schwanfelder. Neben der Voltigier-Erfahrung müssten die Kandidatinnen und Kandidaten auch mit Kindern arbeiten wollen. Und die Stallarbeit sowie die Verantwortung für die Tiere übernehmen – auch am Wochenende und in den Ferien.
Die Abtei Münsterschwarzach unterstütze immer die Voltigier-Pläne
Aktuell gestaltet es sich schwierig, eine solche Person zu finden, befürchtet auch Schulleiter Markus Binzenhöfer, und bringt zusätzlich ein Problem des kirchlich getragenen Gymnasiums ins Spiel: Der Lehrermangel treffe die Privatschule noch härter, weil sie nicht wie staatliche Schulen mit dem Beamtenstatus locken könne. In einzelnen Fällen würden die Pädagogen zwar zu Kirchenbeamten ernannt, das sei aber nicht die Regel.
Für Müller-Kaler sei das nie das wichtigste Kriterium gewesen. "Ich war fasziniert von den Möglichkeiten, die diese Schule mir geboten hat", erinnert sich die Lehrerin für Geografie und Sport. Schon als Referendarin habe sie die Idee mit nach Münsterschwarzach gebracht, Voltigieren als Neigungsgruppe zu installieren. Konkret wurden ihre Vorstellungen mit einer Seminararbeit, deren Theorie sie später in die Praxis umsetzte. Die Abtei, besonders der als Sport-Pater bekannte Edmar Greif, stärkte ihr stets den Rücken und baute 2006 die Volti-Halle.
Im Brotzeitraum zeugen etliche Wimpel, Pokale und Fotos von diesen Zeiten, an die Schwanfelder anknüpfen möchte. Auch als Breiten- und Therapiesport möchte sie das Voltigieren am EGM erhalten. Die Voraussetzungen seien da, sagt sie, die in Nachmittagskursen rund 180 Kinder und Jugendliche auf dem Pferd betreut. "Wir sind dabei, auch wieder eine wettkampffähige Mannschaft aufzubauen", gibt sie ein ehrgeiziges Ziel aus. Die Corona-Jahre seien nicht zuträglich gewesen, drei Jahrgangsstufen seien weggefallen. Und die Kinder fehlen nicht nur in den Mannschaften, sondern auch als Unterstützung im Stall.
Aufgeben liegt aber weder Annette Müller-Kaler noch Mona Schwanfelder oder Markus Binzenhöfer. Gymnasium und Abtei wollen das Voltigieren unbedingt als Schulsport behalten und blicken hoffnungsvoll in die Zukunft. "Mit Mona Schwanfelder wird es hier weitergehen", sagt Müller-Kaler, und Mona Schwanfelder fügt hinzu: "Wir wollen an die Vor-Corona-Zeiten anknüpfen." Damit auch weiterhin über dem Eingang A(n)nette Volti-Halle steht.