
Die Raiffeisenbank Main-Spessart wächst. "Wir gewinnen Marktanteile in Main-Spessart", sagte Direktor Andreas Fella bei der Bilanzpressekonferenz in dem für acht Millionen Euro umgebauten Hauptsitz in Lohr. In drei Jahren seien bei der Raiffeisenbank 3000 neue Girokonten eröffnet worden. Ob das mit den Filialschließungen der Sparkasse Mainfranken im Jahr 2020 zusammenhänge und vor allem Orte betreffe, in denen die Raiffeisenbank die letzte verbliebene Bank im Ort ist? So direkt wollte das von der Raiffeisenbank niemand bestätigen, aber Pressesprecher Hilmar Ullrich verwies zumindest auf einen zeitlichen Zusammenhang. "Wir wollen weiter wachsen", verkündete Fella selbstbewusst.
Das Kreditgeschäft ist im Jahr 2022 gegenüber dem Vorjahr zwar um zehn Prozent auf 1,16 Milliarden Euro gewachsen, aber der private Wohnungsbau ist seit Juli/August eingebrochen, was laut Fella an den gestiegenen Zinsen und Baupreisen liege. "Wer soll sich einen Tausender mehr im Monat bei einer Kreditsumme von 400.000 Euro leisten?", meinte dazu der scheidende Aufsichtsratsvorsitzende Lothar Wiesmann.
Die Wohnbaufinanzierer der Raiffeisenbank führten zwar viele Gespräche, oft drei, vier oder fünf mit einem Kunden, aber viele bekämen doch kalte Füße und wollten etwa zunächst noch mehr Eigenkapital aufbauen. Früher habe es ein Angebot, dann vielleicht noch ein zweites und dann einen Abschluss gegeben, so Fella. Ein Teil der wegfallenden Immobilienkredite werde durch die Finanzierung erneuerbarer Energien kompensiert. Angedacht seien Mitgliedervorträge zur energetischen Sanierung, weil das Thema derzeit stark gefragt sei.

Zur Zeit liegen die Zinsen für ein zehnjähriges Immobiliendarlehen der Raiffeisenbank bei etwa vier Prozent. Im gesamten Kundenkreditgeschäft rechne die Bank in diesem Jahr aber dennoch mit einem Wachstum. Das Neukreditgeschäft habe sich 2022 auf 340 Millionen belaufen. Wie schnell sich vergangenes Jahr die Lage geändert hat, beschrieb Direktor Manfred Heuer, der sagte, dass die Welt nach dem dreiwöchigen Urlaub von Kollege Fella 2022 plötzlich ganz anders ausgesehen habe. Man hätte es sich schenken können, die ganzen Berichte über die erwartete Marktentwicklung zu lesen, sagte Fella. Beim Bankenstresstest sei man von einer plötzlichen Anhebung der Leitzinsen um zwei Prozent ausgegangen, tatsächlich gingen sie um 3,5 Prozent nach oben.
Dafür gebe es nun auch für Anleger wieder Zinsen. Das derzeit gefragteste Produkt sei mit einer Kündigungsfrist von 36 Tagen auf einem Kapitalkonto angelegtes Geld. Derzeit sei die interessante Lage so, dass es für kürzer laufende Anlagen mehr Zinsen gebe als für einen längeren Zeitrahmen.
Die Raiffeisenbank plant neben den 75 Wohnungen auf dem Areal der ehemaligen Gärtnerei Hutzel in Lohr den Bau von 50 Wohnungen in Marktheidenfeld und stellt nach Auskunft von Andreas Fella auch schon weitere Überlegungen im Wohnungsbau an. Der Direktor sagt, er glaube nicht an einen Bevölkerungsrückgang in Main-Spessart. "Wir sind der stärkste Industriestandort in Unterfranken, nicht etwa Schweinfurt", sagte er. Wenn Wohnraum und Kindergärten (bei dem Projekt in Lohr ist auch eine Kita vorgesehen) da seien, dann sei Main-Spessart auch in Zukunft attraktiv.
Jahresüberschuss gesunken, aber nur rechnerisch
Der Jahresüberschuss ist 2022 auf 2,64 Millionen Euro gesunken (Vorjahr 4,65). Allerdings dürfe man sich davon nicht täuschen lassen, das ordentliche Geschäft der Bank sei gestiegen, es seien durch die gestiegenen Zinsen aber nötige Abschreibungen auf festverzinsliche, niedrig verzinste Wertpapiere vorgenommen worden. Die Abschreibungen würden jedoch in den kommenden Jahren wieder zu 100 Prozent zurückfließen, sofern die Ausgeber der Anleihen nicht ausfallen, so Wiesmann. Vom Gewinn sind 315.500 Euro als Dividende an Mitglieder ausgeschüttet worden, außerdem 1,03 Millionen Euro an Mitgliederboni. Fella geht von einem "sehr guten" Ergebnis dieses Jahr aus. "Unser größtes Risiko war die Credit Suisse", aber da habe es wegen der Übernahme durch die UBS keinerlei Ausfälle gegeben.
Bei der Bilanzsumme liegt die Raiffeisenbank Main-Spessart auf Platz 29 von 197 in Bayern. Die Raiffeisenbank habe vergangenes Jahr 4,6 Millionen Euro Steuern (2021 3,7), davon 2,2 Millionen Euro Gewerbesteuern gezahlt. Die Raiffeisenbank hat derzeit 38 Standorte. Die Zahl der Mitarbeiter sei zuletzt auf 324 gestiegen, vor wenigen Jahren seien es noch 295 gewesen. Zehn Auszubildende habe man wieder gewinnen können, wobei die Zahl der Bewerbungen in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen sei. Es wurde vermutet, dass dies daran liege, dass heute mehr junge Leute studieren gehen.
Zahl der Mitglieder steigt
Die Zahl der Mitglieder ist leicht von 46.804 auf 47.251 gestiegen. Bei einem Potenzial von 105.000 Personen in Main-Spessart – Arnstein, Kreuzwertheim, Schollbrunn, Zellingen und Retzstadt gehören zu anderen Raiffeisenbanken – seien knapp 50.000 gar nicht so schlecht, war der Befund. Insgesamt seien 79 Prozent der Kunden auch Mitglieder der Genossenschaftsbank.
Anmerkung der Redaktion: Den ursprünglichen Titel "Die Raiffeisenbank Main-Spessart jagt der Sparkasse Marktanteile ab" haben wir geändert.