
Wegweisende Entscheidung standen auf der Tagesordnung des Stadtrats Marktheidenfeld in der Sitzung am Donnerstag. Zum einen, etwas überraschend, schon wieder die Umgestaltungspläne des Lermann-Areals der Projektgruppe KRE. Diese waren in der vergangenen Stadtratssitzung noch mit großer Mehrheit durchgefallen. Zum anderen stellte die Raiffeisenbank Main-Spessart ihre Vorstellungen für eine Wohnbebauung auf dem Süd-Grundstück in Nachbarschaft zum Lermann-Hauptgebäude vor. Der Stadtrat entschied bei beiden Projekten, dass die Planungen fortgesetzt werden können. Es gab aber auch deutliche Worte der Kritik.
Von Lösungen kann noch nicht gesprochen werden, zu viele Unsicherheiten gibt es bei beiden Projekten, aber im Stadtrat war die Mehrheit der Überzeugung, dass man nun den nächsten Schritt gehen müsse. Zunächst zu den Planungen der Raiffeisenbank auf dem Süd-Grundstück: Hier stand der Stadtrat den Plänen, die Patrick Zachrau von der Raiffeisenbank, Architektin Daniela Wagner und Johannes Siegler von Siegler-Bau vorstellten, wohlwollend gegenüber. Der Vorbescheid wurde mit einer Gegenstimme genehmigt.
Wohnungen mit Balkon und Terrassen
Vorgesehen ist ein insgesamt viergeschossiger Gebäudekomplex, wobei zur Ludwigstraße hin das vierte Geschoss gestaffelt ist, also zurückgenommen wird. Geplant sind in allen Geschossen überwiegend Wohnungen mit Balkon beziehungsweise Terrassen sowie im Erdgeschoss vier Gewerbeeinheiten. "Wir planen 50 Wohnungen in unterschiedlichen Größen, alle mit Tiefgarage", erklärte Architektin Wagner.
Die Mehrheit der Stadträte, die sich zu Wort meldeten, war einverstanden. Nur Stadtrat Heinz Richter (proMAR) fiel aus der Reihe, der die Entwürfe als "hässlich" bezeichnete. Für Stadtrat Martin Harth hingegen sind sie "ansprechend". Er betonte die Notwendigkeit von klimagerechtem Bauen mit einer ressourcenschonenden Energieversorgung. Diese wurde mit Photovoltaik auf dem Dach und einer Wärmepumpe in Kombination mit Hackschnitzeln zugesichert.

Was denn mit den Überlegungen für ein Ärztehaus an diesem Standort sei, wollte Stadtrat Ludwig Keller (proMAR) wissen und ob die vier Gewerbeeinheiten im Erdgeschoss dafür vorgesehen seien? Zachrau verneinte. Ein Ärztehaus sei nicht in der Planung. "Wir haben es probiert, es ist aber am Markt gescheitert", sagte er. Dass sich im Erdgeschoss Praxen einrichten, sei aber natürlich möglich.
Auch Stellplätze gebe es laut Entwurf genug, so Architektin Wagner. "Das können wir auf dem Grundstück lösen." Sie fragte aber, ob die nach der Satzung geforderten zwei Stellplätze pro Wohneinheit tatsächlich nötig seien. Der Stadtrat wollte aber keinen Präzedenzfall schaffen und stimmte gegen eine Reduzierung auf eineinhalb Plätze pro Wohneinheit. Nur Bürgermeister Thomas Stamm hatte dies befürwortet.
Dann wurde die Sitzung mit dem Tagesordnungspunkt Umgestaltung des Lermann-Hauptareals fortgesetzt und das Wohlwollen wich einer deutlichen Kritik an der Zusammenarbeit mit dem Projektierer. "Diese muss besser werden", meinte Bürgermeister Stamm. "Von einer guten Zusammenarbeit haben wir bisher wenig gespürt." Geärgert habe sich Stamm auch über die plötzliche Entscheidung der Arbeiterwohlfahrt, die als vorgesehener Betreiber des Seniorenzentrums einen vorläufigen Rückzieher gemacht hat. Davon habe er aus der Presse erfahren.
Doch man ist vorangekommen. Der geschäftsleitende Beamte Matthias Hanakam berichtete, dass in den Tagen nach der Sitzung des Stadtrats vor zwei Wochen, in der die Umgestaltungspläne auf heftige Ablehnung gestoßen waren, "die Drähte heiß gelaufen" seien. Es habe viele Besprechungen gegeben, in denen Projektierer Harald Gerlach auf die Wünsche der Stadt eingegangen sei. So werde es einen Eingang von der Luitpoldstraße zum Supermarkt Tegut geben. Für die Querung des Fußgängerwegs entlang der Ludwigsstraße soll eine Ampel-Lösung gefunden werden.
In der anschließenden Diskussion begrüßten die Stadträte Xena Hospes (Grüne), Helmut Adam (CSU) und Ludwig Keller (proMAR) als Sprecher ihrer Fraktionen die Zugeständnisse, kritisierten aber auch die Zusammenarbeit. Hospes findet diese "unprofessionell". Adam meinte, man müsse das Projekt auf den Weg bringen, auch um die Chance zu haben, dass rechts und links von der Ludwigstraße die Bauarbeiten zur gleichen Zeit beginnen. Die Raiffeisenbank plant als Baubeginn Ende 2023.
Kritik am Durchgang, der gar keiner ist
Kritik gab es aus den Fraktionen der Freien Wähler und der SPD. Burkard Wagner will keine Rangiermöglichkeit auf öffentlicher Fläche dulden und er sah diese Gefahr durch die Ampellösung nicht ausgeräumt. Holger Seidel (FW) bezeichnete den geplanten Durchgang von der Luitpoldstraße als "Einbahnstraße-Eingang", der ihn nicht zufriedenstellt. "Dies ist keine Einladung zur Stadt", sagte er, denn in umgekehrter Richtung ist ein Verlassen des Supermarkts hin zur Luitpoldstraße nicht möglich. Martin Harth kritisierte die Geschosshöhe hin zur Echterstraße, die für ihn nicht akzeptabel sei. Dem Projektierer warf er "Greenwashing" vor.

Ärgerlich ist für den Stadtrat die Entscheidung der Arbeiterwohlfahrt. Diese hat ihren vorläufigen Rückzug als Betreiber des Seniorenzentrums mit dem Pflegenotstand begründet, doch Keller zweifelt daran, ob dies die wahren Gründe sind. Das sei schwer einzuschätzen, meinte er. Jedenfalls sollten laut Keller damit Überlegungen beendet sein, die er aus den Reihen des Kreistags gehört habe. Es gebe Stimmen, die den geplanten Neubau des Seniorenzentrums im künftigen Baumhofquartier als unnötig ansehen, wenn zugleich ein Seniorenzentrum auf dem Lermann-Areal gebaut werde. Auch beim Baumhofquartier müsse jetzt schnell gehandelt werden, so Keller.
Mit 16 zu 7 Gegenstimmen entschied der Stadtrat schließlich, den Bebauungsplan für das Lermann-Areal als Misch- und Kerngebiet auf den Weg zu bringen. "Das Heft des Handelns bleibt aber in unserer Hand", versicherte Bürgermeister Stamm.
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