
Es soll das größte Wohnbauprojekt in Lohr seit vielen Jahren werden: Die Raiffeisenbank Main-Spessart will über ihr Tochterunternehmen RProjekte II GmbH auf dem Areal der ehemaligen Gärtnerei Hutzel einen Gebäudekomplex mit 75 Wohnungen, Kindergarten und Parkhaus schaffen.
Ein Dorfladen und eine Wohngemeinschaft für Senioren sollen das auf einen höheren zweistelligen Millionenbetrag veranschlagte Quartierskonzept komplettieren. Der Stadtrat beschloss am Mittwochabend einstimmig, den erforderlichen vorhabenbezogenen Bebauungsplan auf den Weg zu bringen. Trotz der breiten Zustimmung gab es in der Diskussion auch skeptische Töne.
In Lohr wurden in den vergangenen Jahren schon etliche große Wohnbauprojekte realisiert, etwa auf dem ehemaligen Brauereigelände, im früheren Studienseminar Aloysianum, in Sendelbach oder am Valentinusberg. Das, was die Raiffeisenbank nun an der Wombacher Straße plant, übertrifft diese Vorhaben in der Dimension jedoch deutlich.
Steigender Bedarf erwartet
Einmal mehr steht hinter einer solchen Planung die Überlegung, dass Wohnraum im engen Lohrer Talkessel knapp ist und der Bedarf weiter steigen wird, nicht zuletzt durch den geplanten Neubau der Zentralklinik auf dem nahen BKH-Gelände. Man sei überzeugt, dass der Bedarf für weiteren Wohnraum existiere, sagte Patrick Zachrau, Geschäftsführer der RProjekte II GmbH.
Das Bebauungskonzept für das Areal "Alte Gärtnerei" stellte der planende Ingenieur Rüdiger Amthor aus Stetten vor. Demnach sind an den Außenseiten des gut 10.000 Quadratmeter großen Geländes vier jeweils vierstöckige Wohngebäude vorgesehen. Die Palette der Wohnungen reicht von kleinen Apartments bis hin zu familientauglichen Einheiten mit vier und fünf Zimmern und 130 Quadratmetern.
"Durchmischtes Quartier"
Ziel sei, so Zachrau, ein sozial durchmischtes Quartier. Ein Teil der Wohnungen solle verkauft werden, ein anderer vermietet. Insgesamt könnte eine Wohnfläche von rund 9300 Quadratmetern entstehen. Zuletzt hatte die Bank noch eine Zahl von 5000 Quadratmetern genannt. Doch diese sei unzutreffend gewesen, so Zachrau auf Nachfrage der Redaktion.
Quasi im Innenhof des Quartiers sieht die Planung einen Kindergarten vor, daneben einen öffentlichen Spielplatz. Zur Westtangente und dem dort angrenzenden Gewerbebetrieb hin sollen ein Apartment-Block und ein fünfstöckiges Parkhaus mit nach aktueller Planung 96 Stellplätzen eine Art Lärmschutz-Riegel bilden.
Parkplatzbedarf noch offen
In dem Apartment-Block dürften Wohn- und Schlafräume aus Lärmschutzgründen nur zum Innenhof liegen. Daneben sollen zwei große Lärmschutzwände Straßen- und Gewerbelärm von den Wohnungen fernhalten. Beim Parkhaus ist die Dimension noch nicht endgültig geklärt, weil es noch Überlegungen zu möglichen Mobilitätskonzepten gibt.
Im Erdgeschoss des Gebäudes an der Wombacher Straße sieht das Konzept einen Laden mit rund 180 Quadratmetern Verkaufsfläche vor, im Gebäude daneben eine Senioren-WG. Geplant sind auch eine zentrale Hackschnitzelheizung und Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern. Ein Teilbereich des Areals darf nicht bebaut werden, da er im Überschwemmungsbereich des Mains liegt. Auch dort könnte jedoch eine PV-Anlage entstehen.
Die Redebeiträge der Räte ließen einerseits die Freude darüber erkennen, dass auf dem seit einigen Jahren brachliegenden Gelände eine positive Entwicklung in Gang kommen soll. Was jedoch mehrere Redner umtrieb, war der geplante Kindergarten.
Sorge wegen Kita-Defizit
Das kann auf den ersten Blick verwundern. Denn derzeit sind alle Lohrer Kindergärten randvoll, es gibt Notgruppen und Wartelisten. Die Stadt ist daher aktuell mit der Frage befasst, ob und wie die Betreuungskapazität ausgeweitet werden könnte. Ein neuer, von der Raiffeisenbank gebauter und womöglich unter dem Dach der Caritas betriebener Kindergarten käme da gerade recht. Eigentlich. Der Haken: Das Betriebsdefizit müsste – wie bei den anderen freigemeinnützigen Lohrer Kindergärten – die finanziell klamme Stadt tragen. Bei einigen Räten gibt es offenbar die Sorge, dass das Nachfrage-Hoch in den Kindergärten nicht von Dauer sein könnte, weswegen man Überkapazitäten vermeiden solle.
Aus manchen Redebeiträgen ließ sich auch die Vermutung herauslesen, dass die Planung nur deshalb einen Kindergarten enthalten könnte, weil die Bauleitplanung auf dem Areal eine reine Wohnbebauung nicht zulässt. Projektentwickler Harald Gerlach erklärte dazu, dass man zunächst tatsächlich andere Nutzungsideen hatte. Doch egal ob Handel, Gewerbe, Gastronomie oder Tagespflege, alle angefragten Sparten hätten kein Interesse gehabt. Es gehe daher nun darum, "das Machbare zu machen und nicht von möglichen Nutzungen zu träumen", so Gerlach.
Mario Paul ist überzeugt
Was es seiner Schilderung nach auf dem Areal geben soll, ist eine Art Dorfladen, "klein aber fein". In diesem solle es auch "Bäckereistrukturen" und ein Café geben, so die Idee. Zu Details des Betreibermodells wurde nichts gesagt. Aber offenbar laufen Gespräche.
Bürgermeister Mario Paul zeigte sich überzeugt davon, dass Lohr weiteren Wohnraum brauche. Er begründete dies nicht nur mit dem Fachkräftebedarf der Betriebe, sondern auch mit den Entwicklungen des Gesundheitsstandorts Lohr. Nicht zuletzt profitiere die Stadt bei der Einkommensteuerbeteiligung von Einwohnerzuwachs. "Wenn wir keine Angebote schaffen, dann kommt niemand", sagte Paul als Erwiderung auf eine Aussage von Brigitte Riedmann (Freie Wähler). Diese hatte bezweifelt, dass der Bau der Zentralklinik Lohr tatsächlich viele neue Einwohner bringt.
Heuer: Herzensangelegenheit
Raiba-Vorstand Manfred Heuer betonte, dass es der Bank mit dem Projekt nicht darum gehe, "einen schnellen Reibach" zu machen. Vielmehr wolle man im Sinne des genossenschaftlichen Förderauftrags die Regionalentwicklung unterstützen. Das Projekt sei für die Raiffeisenbank "eine Herzensangelegenheit".
Am Ende stimmte das Gremium geschlossen dafür, für das Areal "Alte Gärtnerei" einen vorhabenbezogenen Bebauungs- und Grünordnungsplan aufzustellen. Dieser steckt den Rahmen der möglichen Bebauung. Über Details des Konzepts, das wurde am Mittwoch deutlich, wird es sicher weitere Debatten geben, auch und vor allem zum Thema Kindergarten.