Das Landgericht Würzburg zeigt am dritten Verhandlungstag im Prozess um den Mord in Wiesenfeld ein altes Polizeivideo von der Bergung der Leiche. Der 31 Jahre alte Film kann als Symbol für den Stand des Verfahrens gelten, in dem es um die Frage geht: Wer hat am 15. Dezember 1993 im Stall eines Aussiedlerhofes die 13 Jahre alte Sabine B. getötet?
Der Film ist stark verwackelt, von schwarz-weißen Streifen überlagert, oft kaum mehr erkennbar. Man glaubt zu erkennen, wie ein Haken eine Jacke aus einem Schacht zieht.
Der Film ist nach 31 Jahren ebenso verblasst wie die Erinnerungen mancher Zeugen, die das Gericht am Donnerstag und Freitag anhört. Die Qualität der Bilder und mancher Aussagen machen den Erkenntnisgewinn schwer.
Appell des Richters an den Angeklagten im Wiesenfeld-Prozess
Der Angeklagte verfolgt das ohne jede Regung. Er lebt seit 31 Jahren unter dem Verdacht, Sabine B. alleine oder zusammen mit einem anderen getötet zu haben. Der Vorsitzende appelliert an ihn, sein Schweigen zu brechen. "Ich halte Sie nicht für einen kaltblütigen Killer", sagt er. Er hat dem 47-Jährigen auch für ein Teilgeständnis Entgegenkommen versprochen.
Doch der Angeklagte schweigt. Er erklärt auch nicht, wie seine DNA an die Unterwäsche des Opfers kam. Er weiß von seinen Verteidigern: Nur noch für einen nachgewiesenen Mord müsste er ins Gefängnis.
Richter sieht sich den Tatort in Wiesenfeld selbst an
Der Weg zur Wahrheit kann lang sein: Gut 70 Kilometer sind es vom Gericht in Würzburg bis nach Wiesenfeld im Landkreis Main-Spessart und zurück. Vor zwei Jahren ist dort der eigentliche Tatort, eine Scheune am Ortsrand von Wiesenfeld, abgebrannt. Doch Fragen an die Zeugen verraten: Das Gericht kennt sich vor Ort gut aus.
Der Vorsitzende Thomas Schuster und ein Beisitzer schwangen sich in ihrer Freizeit aufs Fahrrad, um am Tatort mit eigenen Augen einen Eindruck zu gewinnen. Das erlaubt nun detaillierte Fragen an manche Zeugen zum Ort des Geschehens.
Ein zweifelhaftes Alibi und ein zweifelhaftes Geständnis
Noch ist völlig offen, welche Zeugen glaubhaft sein könnten: etwa die Mutter des Angeklagten? Die gab ihrem 17-jährigen Sohn für die Tatzeit, zu der Sabine B. im Stall des Aussiedlerhofes am Rand von Wiesenfeld missbraucht und getötet wurde, ein Alibi: Er habe zu Hause vor dem Fernseher gesessen.
Doch daran zweifelten Richter schon vor 30 Jahren im Prozess gegen einen anderen Verdächtigen. Ein Zeuge, der an jenem Abend auf dem Hof sein Auto lackierte, behauptete: Zur Tatzeit habe er den Angeklagten am Stall gesehen. Jetzt erinnert er sich nicht mehr.
Zum Verhalten des Angeklagten nach dem Tod von Sabine B. sind noch viele Fragen offen. Was ist etwa von halbherzigen Geständnissen gegenüber Dritten zu halten? Mehrfach soll der Angeklagte nach dem Leichenfund zu anderen gesagt haben: "Also gut, dann war ich’s halt." Das habe er aber sofort wieder zurückgenommen, heißt es in den Akten. Darüber sollen in der kommenden Woche weitere Zeugen Auskunft geben.
Der Prozess wird am Montag fortgesetzt.