
Die Eltern der getöteten Sabine B. sitzen als Nebenkläger auch am zweiten Verhandlungstag tapfer im Gerichtssaal. Im Prozess um den Mord an ihrer Tochter am Landgericht Würzburg kämpfen sie mit den Erinnerungen, die sie am liebsten vergessen würden. Nach 31 Jahren reiße die Verhandlung bei der Familie aus Wiesenfeld im Landkreis Main-Spessart alte Wunden auf, sagen ihre Anwälte Jan Paulsen und Norman Jacob.
Im Zeugenstand beschrieben die Eltern zu Prozessbeginn am Montag bemüht sachlich, wie ihre Unruhe und Sorge wuchs, als ihre sonst so pünktliche 13-Jährige an jenem Abend nicht nach Hause kam.
Bange Vorahnung des Vaters: Zwei Tage wurde das vermisste Mädchen gesucht
Es war der 15. Dezember 1993. Sabines Vater erinnert sich, wie er tags darauf voll dunkler Vorahnung seine Furcht in Worte packte: "Unsere Sabine sehen wir nicht lebend wieder." Tags darauf wurde die Leiche des Mädchens am Reiterhof in Wiesenfeld gefunden.
Sabines Hausschlüssel war in einem Graben gefunden worden. Das wies den Weg zum nahen Hof, den sich die Suche dann konzentrierte, als dort auch ihr Fahrrad entdeckt wurde. Nach Informationen von damals beteiligten Polizisten hatte sich der Vater - auf ihre Bitte hin - bei der Suche nach seiner Tochter zunächst zurückgehalten. Doch als sich diese immer mehr auf den Pferdehof konzentrierte, hielt es ihn nicht mehr zu Hause.
Am Gülleschacht gestanden: Sabines Vater beim Fund der Leiche dabei
Laut einem Kripobeamten, der damals im Einsatz war, hatte der Vater dann sogar an dem Gülleschacht gestanden, in dem die getötete Sabine versteckt war. In Vernehmungen gab der Vater später demnach an, ihm sei da der Hoferbe aufgefallen. Der 26-Jährige sei kreidebleich geworden, als ein Polizist anordnete, die schweren Schachtdeckel anzuheben: Im einen Gülleschacht schwammen Sabines Kleider, im anderen wurde die Leiche des Mädchens entdeckt. Dem Kripobeamten zufolge führte ein Ermittler den Vater weg, um ihm den Anblick zu ersparen.

Am Dienstag, dem zweiten Verhandlungstag in diesem aufwändigen Prozess, machte ein Zeuge eine brisante Aussage: Sie lenkte den Verdacht ebenfalls auf den späteren, inzwischen verstorbenen Hofbesitzer. Der pensionierte Polizist aus Karlstadt erinnert sich: Der damalige Hoferbe selbst habe den schweren Deckel zum Gülleschacht gehoben, "mit einer Hand". Dann sei er sofort zur Seite getreten, ohne auch nur einen Blick hineinzuwerfen - als wisse er, was man darin finden würde. "Das kam mir komisch vor", sagte der damalige Ermittler.
Ein rätselhafter Besuch des Mädchens beim Hoferben
Am Tag ihres Verschwindens hatte Sabine B. den damals 26-Jährigen auf dem Reiterhof besucht. Zuvor hatte sie offenbar nie engen Kontakt zu ihm gesucht. Was das Mädchen an dem Nachmittag von ihm wollte, ist unklar. Der Hoferbe hatte später angegeben, er habe damals in seinem Zimmer mit dem jetzt Angeklagten Kaffee getrunken und am Computer gearbeitet. Das Mädchen habe ihn nicht weiter interessiert, nach 20 Minuten sei Sabine wieder gegangen.
Niemand weiß, wo die 13-Jährige die nächsten zwei Stunden verbrachte, ehe sie kurz vor 18 Uhr erneut am Hof gesehen wurde - von Zeuginnen, die dort ihre Pferde versorgten. Danach muss der Übergriff erfolgt sein, der zu ihrem Tod führte.
Zeugen nähren Verdacht: Ermittlungen gegen Hofbesitzer wieder Thema im Prozess
Die Ermittlungen gegen den Hofbesitzer, die 2022 eingestellt worden waren, sind jetzt im Prozess also wieder ein Thema. Die Ermittler wollen nicht ausschließen, dass beim Verstecken der Leiche zwei Personen tätig waren.
Noch während neuer Ermittlungen in dem lange zurückliegenden ungeklärten Mordfall war vor zwei Jahren in Wiesenfeld der Pferdestall - 1993 der Tatort - aus schwer nachvollziehbaren Gründen niedergebrannt. In den Akten ist ein Zeuge genannt, der den Hofbesitzer ebenfalls belastete. Dessen Bruder soll seiner Frau gesagt haben, er sei verzweifelt. Denn er sei überzeugt, der 26-Jährige habe Sabine getötet.