
Ein Rienecker kommentiert für Schweizer Motorsportfans die Formel 1: Oliver Sittler wuchs in der Kleinstadt im Spessart auf, berichtete als Reporter und Kommentator schon von vielen großen Motorsportsrennen und startete jüngst in sein zweites Jahr als Kommentator der Königsklasse für den Schweizer Fernsehsender SRF. Vor Ort oder aus Zürich berichtet Sittler live im Rennen, von technischen Neuerungen und Regeln, und natürlich davon, wer gerade die Nase vorne hat in Sachen Weltmeisterschaft. Im Gespräch erzählt der 46-Jährige, was in der Formel 1 gerade spannend ist und wie er seinen Job mit dem Leben in Main-Spessart vereinbart.
Oliver Sittler: Extrem gut. Ich habe mich dort sofort willkommen gefühlt. Ich habe einen großartigen Co-Kommentator. Marc Surer fand ich schon immer den besten deutschsprachigen Formel-1-Experten. Und jetzt neben ihm sitzen zu können ist gigantisch.
Sittler: Freunde haben mich mal in der Kneipe gefragt, das muss doch dein großer Traum sein, Formel 1 zu machen. Und ich habe geantwortet, klar wäre ich doof, wenn ich es ablehne, aber ich bin froh, dass ich den Stress nicht habe. Das SRF will mich jetzt exklusiv. Zum Glück muss ich nicht alle Rennen vor Ort machen. Ich mache die Europa-Rennen alle vor Ort, den Rest aus Zürich.

Sittler: Wir sind in der Regel zu dritt an der Strecke, der Kameramann, Marc und ich. Wir richten unseren Platz ein, kümmern uns um die Technik. Wir zeichnen dann diverse Geschichten auf. Zum Beispiel zum neuen Reglement, da hat Marc am Alfa Romeo erklärt, was sich geändert hat. Oder ein Feature über die Onboard-Kameras, über die unterschiedlichen Kamerapositionen und wie das Signal aus dem Auto übertragen wird. Dann machen wir in der Regel täglich eine Begrüßung vor der Sendung, sprechen die wichtigsten Themen des Tages an und machen ein, zwei Videos für die Website vom SRF. Meistens bin ich von Donnerstag bis Sonntag vor Ort.
Sittler: Die Stimmung an der Strecke ist gut. Es ist interessant, wie viele Leute ich schon kannte. Max Verstappen zum Beispiel kenne ich aus seiner Zeit in der Formel 3. Das ist schön zu merken, der erinnert sich noch an dich. Wenn ich zum Weltmeister gehe, beantwortet er meine Fragen auf Deutsch. Das ist nicht selbstverständlich.
Sittler: Konzentriert sein, geradeaus sprechen. Panik, Angst, Stress gibt es nicht. Und, das ist vielleicht das Allerwichtigste, sich in die Situation eines Zuschauers zu versetzen, der eben nicht der Super-Experte ist. Wenn ich fachchinesisch spreche, bringt das ja keinen weiter. Ich mache das ja nicht, damit ich zeige, was ich für ein geiler Typ bin. Sondern ich versuche, den Zuschauern den Sport näherzubringen.
Sittler: Ich habe meine Kollegen nie als Konkurrenz gesehen. Ich sehe sie eher als Kollegen. Das hat sich über die letzten 20 Jahre ausgezahlt. Es ist schon x-mal vorgekommen, dass ich eine Anfrage hatte für einen Termin, an dem es nicht ging. Da habe ich andere Kollegen vorgeschlagen, wurde aber wiederum von anderen Kollegen auch schon vorgeschlagen.
Sittler: Aston Martin hat diverse neue Leute im Team und das hat sich offensichtlich ausgezahlt. Fernando Alonso kämpft da vorne mit. Red Bull ist erstaunlich stark, Ferrari schwächelt erstaunlicherweise und Mercedes ist wider Erwarten im Mittelfeld. Aber wir kennen die, die arbeiten sich vor.
Sittler: Weil die den Super-Run hatten in den letzten Jahren, und letztes Jahr einen massiven Einbruch. Die haben das neue Reglement nicht so umgesetzt bekommen wie Red Bull und Ferrari. Toto (Motorsportchef bei Mercedes, Anm. d. Red.) hat letztes Jahr selbst gesagt, er ist froh, wenn er das Auto ganz tief in den Keller schieben kann. Die Weiterentwicklung scheint nicht so funktioniert zu haben, dass sie tatsächlich vorne an Red Bull anschließen können. Leider. Es ist insgesamt aufregender, wenn da vorne nicht ein Team um den Sieg kämpft, sondern am besten drei oder vier Teams.

Sittler: Der Einschnitt im letzten Jahr war massiv. Das sogenannte Bouncing, das Springen der Autos, ist hart auf die Physis der Fahrer gegangen ist. Die FIA hat gesagt, wir setzen dem Grenzen. Man hat Maßnahmen ergriffen, um das Bouncing generell abzustellen oder hart zu reduzieren. Und so eine Änderung, wie es zum Start der letzten Saison gab, die gibt es zweimal in zehn Jahren vielleicht.
Sittler: Ich bin Ingenieur. Und das hilft natürlich, wenn ich mich mit Mathe, Physik, Elektrotechnik so ein bisschen auskenne. Da kann ich mich gut mit Ingenieuren unterhalten. Aber ja, es interessiert mich, wie das alles funktioniert.
Sittler: Meine Mutter hat gesagt, ich soll das ausschalten. Das braucht doch kein Mensch. Ich bin aber schon immer fasziniert von schnellen Autos, Rennautos, in welcher Form auch immer. Das erste selbstverdiente Geld vom Golfabstauben im VW-Autohaus habe ich bei Paul Bauer (ehemaliges Spielzeuggeschäft in Gemünden, Anm. d. Red.) in Modellautos gesteckt.
Sittler: Es ist schön ruhig in Rieneck. Das einzige Negative ist die Verbindung nach Frankfurt. Ich versuche mit den Öffentlichen hinzukommen, wenn ich fliegen muss. Aber das ist mäßig erfolgreich. Ansonsten steht dem nichts im Weg. Damals fand ich das alles viel zu klein-klein. Ich wollte raus in die große Welt. Das ist jetzt das, was ich an Rieneck liebe und schätze. Dass man sich kennt, dass ein Zusammenhalt da ist. Ich schätze es außerordentlich, wie viel in diesem kleinen Ort gemacht wird von Rieneckern und für Rienecker. Ich fühle mich sehr angenommen und pudelwohl.