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Rieneck
Obersinner "Roter Tod": Wolfgang Küber hat das rote Kultgetränk wiederbelebt
Seit vier, fünf Jahren wurde das Getränk in Obersinn nicht mehr hergestellt. Wolfgang Küber wollte es wiederbeleben und fragte sich: Was ist drin? Wer hat's gemacht? Welche Geschichte hat es?
Martin Geßner und Wolfgang Küber (rechts) mit einer neuen Flasche Obersinner Roter Tod.
Foto: Björn Kohlhepp | Martin Geßner und Wolfgang Küber (rechts) mit einer neuen Flasche Obersinner Roter Tod.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 13.02.2025 02:42 Uhr

Die Obersinner Brönnbarchfratze hatten bei Faschingszügen früher immer ein paar Flaschen "Roter Tod" in ihrem langen Bollerwagen dabei. Rienecks ehemaliger Bürgermeister Wolfgang Küber erinnert sich gern daran. Mit dem Rienecker Üwerzüch hat er die Obersinner Maskengruppe etwa bei der Rhöner Maskenfastnacht in Oberelsbach getroffen – und den Roten Tod genossen. "Das hat einfach dazugehört." Beim vorletzten Zug in Oberelsbach aber hätten sie plötzlich keine Flaschen mehr dabei gehabt. "Der macht keinen mehr, den gibt's nicht mehr", sagten sie zu Küber über die Spezialität aus Obersinn.

"Irgendwann vor ein paar Monaten hat's mich dann mal gerissen", erzählt Küber. Was ist da drin? Wie heißt der Mann, der ihn herstellt? Darüber, was eigentlich drin ist, habe er sich nie Gedanken gemacht. Es habe ihm auch keiner sagen können. Selbst Obersinner gingen von Brombeere aus. Seine Frau Renate erzählt, dass sie auf schwarze Johannisbeere getippt hätten. Jetzt wollte er dem Ganzen auf den Grund gehen. Von einer Bekannten aus Obersinn bekam er drei angebrochene Flaschen. "Jede hat anders geschmeckt", so Küber.

Martin Geßner hat Proben des Getränks analysiert

Und dann die weitere Frage: "Ist das ein Likör? Was ist das?" Mit diesen Fragen ist der 66-Jährige auf seinen Schulfreund Martin Geßner zugegangen. Der promovierte Lebensmittelchemiker war bis im September Leiter des Fachbereichs Analytik der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) in Veitshöchheim. In dieser Tätigkeit unterrichtete er und beriet er unter anderem Brenner, Winzer und Likörhersteller. Auch Küber, der nach eigener Aussage gern mit Obstbränden "rumspinnt", berät Geßner immer wieder. "Wenn nachts um zehn das Telefon klingelt...", so Geßner.

"Der macht keinen mehr, den gibt's nicht mehr."
Obersinner über den Roten Tod

Also untersuchte Geßner die "unbekannte Spirituose". Allerdings waren nur zwei der Proben verwertbar. Eine angebrochene Flasche habe "grausam" geschmeckt, so Küber, die Farbe war fast schwarz, wahrscheinlich war sie gekippt. Geßner konnte den Alkoholgehalt, die Art des Alkohols und den Zuckergehalt der zwei Proben bestimmen und sagen, dass es sich um einen Likör handelt. Verwendet wurde demnach weder ein teurer Primasprit (Weingeist), noch ein günstiger Korn, sondern ein Obstbrand, dazu normaler Zucker. Eine entscheidende Frage konnte er allerdings nicht beantworten: Welche Fruchtart wurde nun verwendet? Geßner erklärt, dass durch Oxidation gewisse Fruchtaromen verschwinden.

Der Obersinner Arnold Herbert hat den Roten Tod hergestellt

Küber hat sich dann mit dem langjährigen Hersteller des Likörs getroffen, um etwas über die Geschichte und Herstellung zu erfahren. Der Obersinner Arnold Herbert, 82, erzählte ihm, dass ihn der große Holunder in seinem Hof vor etwa 30 Jahren auf die Idee gebracht habe, etwas mit Holler zu machen. Weil er früher Schäfer war, pflückte er beim Hüten noch weiteren Holunder dazu und machte im Jahr etwa 50 Liter Roter Tod. Das Getränk mit eigenem Obstler war beliebt bei Geburtstagen, an Kirb und Fasching.

Herbert war aber nicht unbedingt der Erfinder des Getränks. Er gab Küber ein älteres Buch über Liköre und Schnäpse mit, aus dem er damals ein Rezept für einen Holunderlikör herausgesucht hatte. Später habe er sich nicht mehr so streng an das Rezept gehalten. Er habe früher auch mal Brombeere mit hineingemischt, was gar nicht aufgefallen sei.

Arnold Herbert aus Obersinn am Holunderbaum in seinem Hof, der ihn auf die Idee zum Obersinner Roter Tod gebracht hat.
Foto: Wolfgang Küber | Arnold Herbert aus Obersinn am Holunderbaum in seinem Hof, der ihn auf die Idee zum Obersinner Roter Tod gebracht hat.

Warum das Getränk "Roter Tod" heißt

Nur der Name ist in Obersinn geprägt worden. Herbert, der einst sechs verschiedene Liköre herstellte, erzählt am Telefon, dass am Anfang alle Durchfall gekriegt und gebrochen hätten auf den Likör. Durch Kirbburschen bekam das rote Getränk mit der anfangs verheerenden Wirkung seinen Namen, der Herbert anfangs gar nicht recht gewesen sei. Der 82-Jährige erzählt, dass er beim ersten Mal einen Fehler gemacht und den Likör mit rohem Holunder angesetzt habe. Später entsaftete er die Beeren durch Hitze und verwendete den Saft. Martin Geßner erklärt, dass man Holunder unbedingt erhitzen sollte.

Es sei aber viel Arbeit gewesen mit dem Holunder, erzählt Herbert. "Bei uns wächst er inzwischen zu ungleichmäßig." Manche Beeren seien schon reif, andere noch nicht. Irgendwann habe er dann den Tipp bekommen, dass er in Flieden bei Fulda von einer Kelterei Holundersaft bekomme. Dort habe er den Saft fortan geholt. Als die Kelterei vor vier, fünf Jahren bankrott gemacht habe und ihm der Saft ausging, stellte Herbert den Roten Tod ein. Auf die Frage zum Kultstatus des Getränks sagt Herbert: "Er ist gern getrunken worden."

Planvoll ging Wolfgang Küber die Wiederbelebung an

Der Rienecker Wolfgang Küber wollte es nicht bei der Analyse belassen, sondern "das Kulturgut wiederbeleben". Schulfreund Martin Geßner lud ihn und seine Gattin daraufhin zu einem Probierabend ein. Mithilfe von Messzylindern probierten sie vier unterschiedliche Mischungen aus. Zwar müsse der Likör etwas lagern, aber der Süße-/Säuregehalt und die Schärfe des Alkohols lasse sich auch ohne Lagerung beurteilen, so Geßner.

"Es hat immer damit geendet, dass ich eine leere Flasche mit heimgenommen habe."
Wolfgang Küber über die Verkostung seines neuen Roten Tods

Mit der Mischung, die ihnen am besten schmeckte, hat Küber seinen eigenen Roten Tod hergestellt, der nun nach einer gewissen Lagerzeit fertig ist. "Öuwesinner Roter Tod" steht jetzt auf dem Etikett, das sein Sohn entworfen hat und auf dem ein rotes Skelett zu sehen ist. Und ein Stück Obersinn ist auch weiterhin in der Flasche: Den verwendeten Obstbrand ließ Küber in Obersinn brennen. 26 Prozent Alkohol hat sein wiederbelebtes Kulturgut. "Das kannst du als zu getrink", sagt Küber.

Eine Flasche Obersinner Roter Tod von Wolfgang Küber.
Foto: Björn Kohlhepp | Eine Flasche Obersinner Roter Tod von Wolfgang Küber.

Der neue Rote Tod kommt im Allgemeinen gut an

Küber erzählt, dass er schon bei verschiedenen Anlässen eine Flasche dabei hatte, etwa im Kloster Schönau. "Es hat immer damit geendet, dass ich eine leere Flasche mit heimgenommen habe." Etwas Kommerzielles möchte er nicht aus der Sache machen, nur den Roten Tod wiederbeleben und die Obersinner Narren mit ein paar Flaschen ausstatten.

Arnold Herbert hat sich seinen Herstellerstolz bewahrt. Seiner habe ihm besser geschmeckt, sei zarter gewesen. Tatsächlich hatte seiner etwas weniger Alkohol. "Der muss ziehen", sagt er, auch der Obstbrand sollte zwei Jahre lagern. Und einen Tipp für den Genuss hat er: Er sollte bei Zimmertemperatur getrunken werden.

Als Herbert 2011 seinen Hirtenstab in die Ecke stellte und die Main-Post darüber berichtete, kommentierte ein ehemaliger Obersinner online: "Also Prost mit dem 'Roten Tod' auf ein langes Leben!"

 
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