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Main-Spessart
"Mein Herz ist immer noch in der Ukraine": Geflüchtete aus der Ukraine berichten, wie es ihnen zwei Jahre nach Kriegsbeginn geht
Larysa Andrus und Oleksij Bakhtin sind dankbar, dass sie in Main-Spessart in Sicherheit leben können. Doch ihre ungewisse Zukunft ist schwer zu ertragen. Wir haben mit ihnen zum zweiten Jahrestag des russischen Angriffs gesprochen.
Larysa Andrus aus Kiew und Oleksij Bakhtin aus Mykolaiv leben seit fast zwei Jahren im Landkreis Main-Spessart. Sie sind vor dem Krieg in der Ukraine geflohen.
Foto: Katrin Amling | Larysa Andrus aus Kiew und Oleksij Bakhtin aus Mykolaiv leben seit fast zwei Jahren im Landkreis Main-Spessart. Sie sind vor dem Krieg in der Ukraine geflohen.
Katrin Amling
 |  aktualisiert: 02.03.2024 02:49 Uhr

Zum zweiten Mal jährt sich an diesem Samstag der Angriff Russlands auf die Ukraine. Mehr als 1,1 Millionen Menschen aus der Ukraine haben seitdem laut statistischem Bundesamt in Deutschland Zuflucht vor dem Krieg gesucht. In Main-Spessart leben aktuell 1146 Ukrainerinnen und Ukrainer. Oleksij Bakhtin und Larysa Andrus haben uns bereits vor einem Jahr von ihrer Flucht nach Deutschland berichtet. Wie geht es ihnen heute, ein Jahr später? Was ist aus ihrer Hoffnung geworden, dass der Krieg bald ein Ende finden könnte? Und wie haben sie sich in Deutschland eingelebt?

Auch Olla Korobkina und Oleg Korobkin haben uns vergangenes Jahr von ihrer Flucht aus Kiew erzählt. Sie leben noch in Main-Spessart, sind aber mit ihrem Sohn Daniil von Marktheidenfeld nach Burgsinn gezogen. Dort geht es der kleinen Familie gut, noch einmal mit der Redaktion sprechen wollten sie aber nicht.

1. Larysa Andrus aus Kiew hofft, dass sie bald einen Job in Deutschland findet

Larysa Andrus aus Kiew lebt mit ihrer Mutter in Gemünden. In Lohr besucht sie jeden Tag einen Sprachkurs.
Foto: Katrin Amling | Larysa Andrus aus Kiew lebt mit ihrer Mutter in Gemünden. In Lohr besucht sie jeden Tag einen Sprachkurs.

"Meine Mutter hat gesagt, sie will unbedingt noch erleben, dass der Krieg zu Ende ist, damit auch sie wieder zurück in die Ukraine kann", erzählt Larysa Andrus. Seit fast eineinhalb Jahren lebt sie mit ihrer 89-jährigen Mutter in Gemünden in einer kleinen Wohnung. Der Gesundheitszustand der Seniorin war der Grund, warum Andrus nach Deutschland geflohen ist. Denn wenn der Raketenalarm losgeht, würde sie es vielleicht nicht schnell genug in einen Schutzraum schaffen.

Andrus ist gelernte Maschinenbauingenieurin und hat eine Weiterbildung als Grafikdesignerin gemacht. Vor dem Krieg hat sie in Kiew als Selbstständige gearbeitet. Die Arbeit war dabei immer ein wichtiger Teil in ihrem Leben. Jetzt hält sie, nach acht Monaten Wartezeit, endlich ein Zertifikat über die Anerkennung ihrer Hochschulqualifikation in den Händen. Vom Jobcenter hat sie bereits einige Vermittlungsvorschläge für Stellen erhalten.

Vergangenen Sommer hat sie sich auf mehrere Praktika beworben, geklappt hat es nicht. Die 52-Jährige vermutet, dass es an ihren Deutschkenntnissen gelegen habe. Auch das Prozedere mit Bewerbung und Vorstellungsgespräch empfindet sie als deutlich anstrengender als in der Ukraine. Wenn dort ein Job frei sei, gehe es oft sehr schnell. Doch inzwischen fühlt sie sich immer sicherer in der deutschen Sprache, bald schließt sie ihren B2-Sprachkurs ab, der sich speziell mit der Vorbereitung auf den Berufseinstieg befasst. "Ich verliere meine Hoffnung nicht", sagt sie.

"Gerade in den letzten Tagen gab es viele schlechte Nachrichten."
Larysa Andrus aus Kiew

Dass sie und ihre Mutter in Gemünden in Sicherheit leben können, empfindet sie als großes Glück. Gleichzeitig plagt sie oft ein schlechtes Gewissen gegenüber den Menschen, die in der Ukraine in großer Gefahr leben, weil sie ihnen nicht helfen kann. Über einen News-Ticker verfolgt sie ständig, für welche Gebiete gerade Raketenalarm gilt. Besonders im Blick hat sie die Gegend um Charkiw, in der ihre Verwandten leben. "Gerade die letzten Tage gab es viele schlechte Nachrichten", sagt sie.

Mit großem Interesse verfolgt sie auch die Verhandlungen über Waffenlieferungen, die für die ukrainische Armee immer wichtiger werden, wie sie immer wieder aus dem Land hört. Sie zeigt ein Bild von einem Spruch, der auf eine Hauswand in der Ukraine gesprüht wurde und sie berührt hat: "Wir brauchen nur eure Waffen, den Rest machen wir selbst."

2. Oleksij Bakhtin und seine Familie haben sich daran gewöhnt, keine Pläne mehr zu machen

Oleksij Bakhtin aus Mykolaiv lebt mit seiner Familie in Erlenbach. In Marktheidenfeld unterrichtet er an der Realschule in einer Brückenklasse.
Foto: Katrin Amling | Oleksij Bakhtin aus Mykolaiv lebt mit seiner Familie in Erlenbach. In Marktheidenfeld unterrichtet er an der Realschule in einer Brückenklasse.

Die Ungewissheit über ihre Zukunft plagt viele Menschen, die aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet sind. Das bekommt Oleksij Bakhtin, der seit eineinhalb Jahren mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen in Erlenbach lebt, von vielen Landsleuten zu hören. Auch für ihn und seine Familie ist es schwer, nicht zu wissen, wie es für sie weitergeht. "Wir planen nicht weit im Voraus, wir leben eigentlich nur in diesem Moment", sagt er. Vor einem Jahr hatte er noch die Hoffnung, dass der Krieg bald zu Ende sein könnte. "Aber jetzt wissen wir, dass es noch sehr lange dauern kann", sagt Bakhtin.

Wann sie wieder in die Ukraine zurückkehren können, ist völlig ungewiss. Sein Kopf sagt ihm, dass es richtig sei, in Deutschland zu sein, vor allem für seine Söhne. "Mein Herz ist aber immer noch in der Ukraine", sagt Bakhtin. Um dem älteren Sohn, der eine Nierenkrankheit hat, eine gute medizinische Behandlung zu ermöglichen, ist die Familie vor knapp zwei Jahren aus der Ukraine geflohen. Sie haben in Mykolaiv gelebt, einer Hafenstadt am Schwarzen Meer.

"So kann ich besser verstehen, was die Deutschen über die Ukraine denken."
Oleksij Bakhtin über deutsche Nachrichten

Dass es ihnen hier gut geht, während gleichzeitig die Menschen in der Ukraine leiden, ist für ihn schwer zu begreifen. Kontakt in die Ukraine haben sie täglich, sie telefonieren viel mit ihren Verwandten, die dort geblieben sind. Seine Söhne sprechen oft über Video-Chat mit seinen Eltern. "So fühlen wir uns nahe", erzählt der Ukrainer. Wenn sie Geld oder Kleidung übrig haben, unterstützen sie damit die Armee in der Ukraine. Über Hilfstransporte können sie dringend benötigte Dinge in das Land schicken – "auch wenn es manchmal nur ein bisschen Wäsche ist", sagt Bakthin.

Der 41-Jährige unterrichtet in einer Brückenklasse an der Realschule in Marktheidenfeld. Kindern aus der Ukraine bringt er dort Englisch, Mathematik und Deutsch bei. Mit seinen Schülern hat er zum Beispiel auf einem Weihnachtsmarkt an der Schule gebrannte Mandeln verkauft und den Erlös an die Stiftung der Frau des ukrainischen Präsidenten gespendet, die Kriegsopfern hilft. Die Arbeit an der Schule macht ihm zwar Spaß, doch er würde gerne noch mehr machen. In der Ukraine hat er zuletzt als Verkaufsmanager gearbeitet.

Neben den Nachrichten der ukrainischen Medien verfolgt er inzwischen auch die deutschen Nachrichten. "So kann ich auch besser verstehen, was die Deutschen über die Ukraine denken", sagt er. Und er verstehe immer mehr, welche Bedeutung die Unterstützung der deutschen Regierung für sein Heimatland hat. Die vielen schlechten Nachrichten der vergangenen Tage über die verstärkten russischen Angriffe haben ihn und seine Frau sehr berührt. Doch sie haben in den vergangenen zwei Jahren auch eines gelernt: "Man gewöhnt sich an alles, auch an den Krieg."

 
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