Seit Februar gibt es in Bühler eine Kindertagespflege. Mit drei Kindern sind Christina Gold und Merve Erek-Bülcan in dem Eußenheimer Ortsteil gestartet, inzwischen betreuen sie dort neun Kinder. Ab November sind es sogar zehn. Die Idee ist aus der Not heraus geboren: Weil Gold für ihre Tochter keinen Krippenplatz in Eußenheim bekommen hat, hat sie die Tagespflege mit Unterstützung der Gemeinde kurzerhand selbst ins Leben gerufen.
Die beiden Frauen hatten dabei von Anfang an ein Ziel: "Wir wollen eine Anerkennung als Großtagespflege", hat Christina Gold im Frühjahr gesagt. Die Einrichtung könne dann ähnlich gefördert werden wie ein regulärer Kindergarten – so dachten die Tagesmütter zumindest – und auch als Zeichen der Wertschätzung ihrer Arbeit finden sie die Anerkennung wichtig. Noch bis vor kurzem wussten die beiden jedoch nicht, was sie für diese Zertifizierung tun müssen.
Dann kam die Überraschung: "Wir haben vor kurzem einen Anruf bekommen, dass wir bereits seit längerem als Großtagespflege anerkannt sind", erzählt Gold. Doch darüber informiert habe sie niemand. Erst durch eine Presseanfrage wurde beim zuständigen Jugendamt klar, dass die beiden Tagesmütter noch auf eine Rückmeldung warten. Dass sie die Zertifizierung nicht schriftlich bekommen hat, wundert Gold ebenfalls.
Eine Förderung gibt es doch nicht wie erwartet
Auch bei der staatlichen Förderung gab es eine Überraschung. "Wir haben jetzt erst erfahren, dass Großtagespflegen in Main-Spessart gar nicht gesondert gefördert werden", sagt Gold. Das sei zwar sehr schade. Aber so lange die Einrichtung dauerhaft angelegt sei, würden sie eben damit leben.
Auch wenn sie jetzt eigentlich ihr Ziel erreicht haben – der Weg dahin war zäh und die Kommunikation mit den Behörden schwierig, findet die gelernte Erzieherin. "Wir wurden immer wieder um Geduld gebeten bei Nachfragen und niemand konnte uns richtig sagen, welche Voraussetzungen für die Großtagespflege gelten", erklärt Gold. "Ein bisschen haben wir uns schon gewundert, warum das so schwierig war, weil es in anderen Landkreisen ja durchaus Großtagespflegen gibt", sagt die 38-Jährige.
Landratsamt räumt Missverständnisse ein
Das Landratsamt erklärt auf Anfrage, dass es Missverständnisse gegeben habe. "Eine Großtagespflege liegt bereits dann vor, wenn sich zwei Tagespflegepersonen mit Pflegeerlaubnis zusammenschließen und über geeignete Räumlichkeiten verfügen", teilt Pressesprecher Markus Rill mit. Die Einrichtung in Bühler sei daher bereits seit einiger Zeit als Großtagespflege zu qualifizieren. Dass es dennoch keine weitere Förderung gibt, liege daran, dass solche Einrichtungen in Main-Spessart noch nach dem Sozialgesetzbuch VIII gefördert werden.
Die Umstellung auf eine Förderung nach dem BayKiBiG (Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz) sei aber im Laufe des kommenden Jahres beabsichtigt. Damit solle der Entwicklung Rechnung getragen werden, dass die Einrichtungen durch den Platzmangel an regulären Kitas bedeutsamer werden. "Wir können Tagespflegepersonen in geeigneten Fällen zu diesem Schritt nur ermutigen", schreibt der Pressesprecher.
Durch die Selbstständigkeit fallen viele zusätzliche Aufgaben an
Für ihre Arbeit als Tagesmütter haben sich Gold und Erek-Bülcan im Februar selbstständig gemacht. Gold ist gelernte Erzieherin, Erek-Bülcan hat zuvor als Kinderkrankenpflegerin gearbeitet und eine zusätzliche Qualifikation als Tagesmutter erworben. Auch wenn die beiden mit der Arbeit an sich glücklich sind, wissen sie angesichts des großen Aufwands nicht, ob sie den Schritt noch einmal gehen würden.
Durch die Selbstständigkeit würden viele Aufgaben anfallen, die das Personal in regulären Kitas nicht machen müsste. "Wir putzen selbst, wir schreiben Rechnungen", zählt Erek-Bülcan auf. Wenn sie krank seien, gebe es keine Vertretung.
Christina Gold hat auch viel privat in die Einrichtung investiert
"Wir profitieren beide familiär von der Tagespflege", sagt Gold. Sie betreut dort ihre jüngste Tochter und auch Erek-Bülcan konnte durch die Einrichtung nach ihrer Elternzeit früher wieder anfangen zu arbeiten. "Aber wenn man diesen Antrieb nicht hat, frage ich mich, wer sich das antut", sagt Gold. In die Einrichtung sei auch viel privates Geld geflossen. "Ich weiß nicht, ob ich das alles nur für fremde Kinder machen würde." Sie geht sogar so weit, dass sie sagt: "Ich würde anderen inzwischen davon abraten."
Angesichts ihrer Erfahrungen kann Gold sich nicht vorstellen, dass das Modell im Landkreis viele Nachahmer finden wird. "Man braucht auf jeden Fall die Unterstützung der Gemeinde", sagt sie. Immerhin die hatten sie: Der Eußenheimer Bürgermeister Achim Höfling sei ihnen sehr entgegen gekommen. Für die Räume in der ehemaligen Schule müssen sie keine Miete zahlen, die Kosten für Wasser und Strom übernimmt die Gemeinde, ebenso wie die Zuzahlung Kita-Gebühren für die Eltern.
Laut Bürgermeister werden wieder weniger Kinder geboren
"Mein Eindruck ist, dass es sehr gut läuft", sagt der Eußenheimer Bürgermeister Achim Höfling. So lange es so viele kleine Kinder in der Gemeinde gebe, brauche man die Einrichtung. Bei den benötigten Krippen-Plätzen sei die Prognose allerdings sehr schwierig, da die Kinder, die bald einen Platz brauchen könnten, teilweise noch gar nicht geboren sind. Nach den sehr geburtenstarken Jahrgängen 2020 und 2021 werden jetzt wieder weniger Kinder geboren, so sein Eindruck.
Was das dann für die Tagespflege bedeutet, möchte der Bürgermeister jedoch nicht alleine vorgeben. "Das würden wir auf jeden Fall in Gesprächen mit allen Beteiligten klären", so Höfling. Dass die Tagespflege den regulären Krippen keine Kinder "wegnehmen" wolle, wenn es genug Platz gebe, da sei er sich mit Christina Gold auf jeden Fall einig.