"Den einen touristischen Hot-Spot gibt es im Spessart nicht", sagt Oliver Kaiser. Die Städte Aschaffenburg und Lohr oder das Wasserschloss Mespelbrunn seien zwar beliebte Besuchspunkte. Aber es gebe nicht den einen Punkt, an den alle kommen würden, die den Spessart besuchen, so der Geschäftsführer des Naturpark Spessart. Deshalb haben er und sein Kollege in der Geschäftsführung, Julian Bruhn, die Idee eines schwimmenden Infozentrums entwickelt.
"Das Besucherzentrum muss zu den Leuten kommen – mit einem Schiff wäre das möglich", meint Kaiser. Als Vorbild hat sich der Naturpark die beiden Wissenschaftsschiffe MS Experimenta und MS Wissenschaft genommen, die in ganz Deutschland unterwegs sind.
Seit 2006 hatte der Naturpark Spessart ein Infozentrum, das möglichst jeder Naturpark haben soll, im Gemündener Huttenschloss. Die Räume dort waren mit 70 Quadratmetern aber deutlich zu klein. "Wenn wir da eine größere Schulklasse drin hatten, war es eigentlich schon zu eng", sagt Kaiser. Ende vergangenen Jahres wurde die Ausstellung deshalb geschlossen, die Besucherzahlen seien zuletzt "unterirdisch" gewesen. Auch, weil niemand zum Beispiel aus dem Hochspessart extra nach Gemünden nur wegen eines Infozentrums fahre, vermutet Kaiser.
Das Schiff könnte verschiedene Main-Anlegestellen im Naturpark ansteuern
Ein Schiff könnte dagegen alle Mitgliedsgemeinden, die am Main liegen, in regelmäßigen Abständen ansteuern. In einer Vorstudie hat das Naturpark-Team die Idee eines schwimmenden Infozentrums untersuchen lassen. Die Untersuchung sollte vor allem zeigen, wie eine Besucherzahl von mindestens 20.000 Menschen pro Jahr erreicht werden könnte. Denn nur wenn diese langfristig erreicht werden kann, fördert das Umweltministerium den Bau und Unterhalt des Infozentrums. Das erste Ergebnis der Vorstudie sei "sehr positiv", sagt Kaiser. Sie gehen von 50.000 regulären Besuchern plus weiteren 10.000 über Sonderveranstaltungen aus, die man mit einem Schiff erreichen kann.
Das Schiff muss eine Nutzfläche von mindestens 400 Quadratmeter haben, so die Vorgabe des Umweltministeriums. Etwa 80 bis 100 Meter lang und circa 10 Meter breit soll es sein. Die eigentliche Ausstellung soll modern und interaktiv gestaltet werden, auch eine Wechselausstellung soll es laut Kaiser geben.
Angedacht ist, dass das Schiff etwa 20 Mal im Jahr seinen Standort wechselt und circa 16 Anlegestellen im bayerischen Naturpark ansteuern könnte. "Wir haben die schöne Situation des Mainvierecks", sagt Kaiser. Keine Gemeinde sei weiter als 20 Kilometer von dem Fluss entfernt und das Schiff so immer halbwegs einfach zu erreichen. Eine der Hauptzielgruppen des Infozentrums seien die Schulen, ihnen könnte man so auch den Besuch vereinfachen. "140 Schulen liegen im Gebiet des Naturparks, 82 davon in Main-Anliegergemeinden", erzählt Kaiser.
Doch nicht nur die klassische Ausstellung könnte man auf einem Schiff gut verwirklichen. Der Naturpark-Geschäftsführer hat viele Ideen, wie man zusätzlich Menschen anlocken könnte. "Auf einem Schiffsdeck könnte man zum Beispiel Open-Air-Kino oder eine Greifvogelvorführung anbieten oder einfach eine entspannte Party am Abend veranstalten", so Kaiser. Er finde es völlig legitim, die Kernaufgabe – die Vermittlung von Wissen über den Spessart – mit anderen Attraktionen zu verbinden. Auch ein Café und ein kleiner Laden mit regionalen Angeboten seien denkbar.
Außerdem: "Das Schiff an sich ist eine Attraktion, das sagen uns die Experten von der MS Wissenschaft und Experimenta immer wieder", sagt Kaiser. Kein Naturpark habe so etwas. "Wir hätten mit diesem Projekt einen absoluten Leuchtturm in Deutschland."
Investitionskosten von knapp sechs Millionen Euro
Das alles hat natürlich seinen Preis. In der Vorstudie sind Zahlen aus Erfahrungswerten der MS Experimenta und MS Wissenschaft zugrunde gelegt, um eine möglichst realistische Einschätzung zu bekommen, erklärt Kaiser. Der Naturpark rechnet mit Investitionskosten von knapp acht Millionen Euro, davon könnten zwei Millionen Euro als Förderung vom Umweltministerium kommen. Als jährliche Betriebskosten, die vom Naturpark gestemmt werden müssten, sind circa 250.000 Euro veranschlagt, dazu kommt eine Förderung von 215.000 Euro durch das Ministerium.
Die übrigen Kosten müssten die drei Landkreise Main-Spessart, Aschaffenburg und Miltenberg sowie die Stadt Aschaffenburg und die Mitgliedsgemeinden des Naturparks unter sich aufteilen. Ein möglicher Verteilungsschlüssel wurde in einer Mitgliederversammlung bereits vorgestellt. 80 Prozent der Kosten könnten die Landkreise und die Stadt Aschaffenburg tragen. 15 Prozent könnten alle Main-Anliegerkommunen zusammen übernehmen, die restlichen 5 Prozent die sonstigen Naturpark-Kommunen. "Das ist kein Pappenstiel", räumt Kaiser ein. Aber die Kosten könnten unter den Gemeinden aufgeteilt werden und bei den Anschaffungskosten lasse sich noch einiges über Stiftungen hereinholen, ist Kaiser überzeugt.
Schiff würde laut Kaiser auch gut in ein Biosphärenreservat passen
Kaiser kennt auch die kritischen Stimmen, die es zu dem Projekt gibt. Zum Beispiel, dass ein Schiff nicht besonders umweltfreundlich sei. Das Schiff würde allerdings die meiste Zeit an Anlegestellen liegen und jährlich nur circa 1000 Kilometer fahren, so Kaiser. Außerdem gebe es inzwischen viele alternative Antriebsmöglichkeiten und die Möglichkeit, über PV-Anlagen Strom zu erzeugen. Es ließe sich viel CO2 einsparen, indem das Schiff zu vielen Besuchern komme und nicht alle Besucher einzeln zum Schiff. Eine solche Gegenüberstellung soll unter anderem in einer weiteren Studie untersucht werden. "Und so müssen wir nicht auf der grünen Wiese bauen", sagt Kaiser.
Und was würde es für das Millionen-Projekt bedeuten, wenn der Spessart zur Biosphärenregion wird? "Relativ wenig", meint Kaiser. Die Ausstellung müsste man ein wenig umgestalten, aber das Konzept würde aus seiner Sicht genauso gut passen. Besonders die Verbindung zwischen dem Ländlichen und Urbanen, ein mögliches Alleinstellungsmerkmal des Biosphärenreservats, könnte man gut auf dem Schiff darstellen, meint Kaiser. Und auch mögliche Vorteile für die Bewerbung bei der Unesco sieht er durch das Infozentrum: "Ich könnte mir schon vorstellen, dass das Nationalkomitee da hellhörig wird."