Mitte November wurde bekannt, dass künftig neben der bisher geplanten Gleichstromtrasse SuedLink und wahrscheinlich der Wechselstromtrasse P43 (Fulda-Main-Leitung) noch zwei weitere Gleichstromleitungen durch Main-Spessart verlaufen sollen: NordWestLink (DC41) und SuedWestLink (DC42). Für die Planung und den Bau haben sich die Übertragungsnetzbetreiber Tennet, TransnetBW und 50 Hertz zu Stromnetz DC zusammengeschlossen. Am vergangenen Dienstag luden die Übertragungsnetzbetreiber in Karlstadt die Bürgermeister betroffener Gemeinden zu einer nichtöffentlichen Informationsveranstaltung dazu ein. Die fühlen sich von der ganzen Sache, die diesmal beschleunigt geplant werden soll, etwas überrumpelt.
Die beiden neuen Stromautobahnen sollen wie SuedLink unterirdisch verlaufen und haben laut Christopher Göpfert, Referent für Bürgerbeteiligung bei TransnetBW, zusammen eine Leistung von viereinhalb Kernkraftwerken. Für die beiden neuen Stromautobahnen wurde ein im Schnitt zehn Kilometer breiter Korridor ins Auge gefasst, der von Norden nach Süden durch Main-Spessart verläuft und in dem die Gemeinden Gräfendorf, Gemünden, Karsbach, Gössenheim, Karlstadt, Himmelstadt, Zellingen, Steinfeld, Urspringen, Karbach, Birkenfeld, Erlenbach, Rothenfels, Hafenlohr, Marktheidenfeld, Kreuzwertheim und Triefenstein liegen.
Anbindung in Trennfeld, damit Bayern auch was von den Leitungen hat
Damit von NordWestLink und SuedWestLink, die vor allem Windstrom aus dem Norden nach Baden-Württemberg transportieren sollen, auch Bayern profitiert, habe der Freistaat einen Netzverknüpfungspunkt in Bayern gefordert, so Göpfert. Und da es in Trennfeld bereits ein Umspannwerk gibt, soll eine der zwei SuedWestLink-Leitungen mit einer Leistung von zwei Gigawatt, was etwa eineinhalb Kernkraftwerken entspreche, dort enden – wenn es die Bundesnetzagentur so festlege. Im Sommer könne über die Leitung auch etwa Solarstrom aus Süden in den Norden fließen. Das dortige Umspannwerk müsse dann erweitert und ein großer Konverter, der den Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt und baugleich mit dem in Bergrheinfeld sei, gebaut werden.
Anders als berichtet, können die Kabel der neuen Stromleitungen nicht teilweise in den vorhandenen Graben der SuedLink-Leitung verlegt werden, höchstens daneben. Vielmehr brauche es für SuedWestLink zwei Gräben, für NordWestLink einen. Liegen die drei Gräben, wie geplant, nebeneinander, brauche es für den Bau einen 73 Meter breiten Arbeitsstreifen. Im Betrieb betrage der Schutzstreifen noch 38 Meter. Zum Vergleich: Bei SuedLink wird er nur acht bis zwölf Meter betragen. Darüber, sagt Göpfert, könne man dann aber im Grunde machen, was man wolle, etwa Landwirtschaft, nur keine Häuser bauen oder Wald wachsen lassen.
Beschleunigtes Verfahren kommt bei den Kommunen nicht gut an
Was den betroffenen Bürgermeistern etwas aufstößt, ist die Geschwindigkeit, mit der alles passiert. Denn für die beiden neuen Trassen wird ein beschleunigtes Verfahren angewendet. Das sieht vor, dass die Bürgermeister bis Ende Januar Stellungnahmen abgeben können und die Netzbetreiber schon im Februar, März mit einem Trassenvorschlag kommen, der nur 200 bis 300 Meter breit ist. Gräfendorfs Bürgermeister Johannes Wagenpfahl (CSU) berichtet von dem Treffen in Karlstadt, dass die Planung schon am 30. Juni abgeschlossen sein soll. "Die Vorgehensweise ist sehr ernüchternd", lässt etwa Karlstadts Bürgermeister Michael Hombach (CSU) wissen, "und – wie meine Bürgermeisterkollegen – sehe ich eine ordentliche Beteiligung der Kommunen als nicht gewährleistet."
Karsbachs Bürgermeister Martin Göbel (FW) und Gössenheims Klaus Schäfer (CSU) sind nicht begeistert von ihren Beteiligungsmöglichkeiten. Zur Informationsveranstaltung in Karlstadt konnten sie nur Stellvertreter schicken, weil sie selbst – es gibt ja noch andere geplante Stromleitungen – wegen P43 am Dienstag in München waren. Zellingens Bürgermeister Stefan Wohlfart (CSU) sagt, dass es um Zellingen herum Natura-2000-Gebiete, FFH-Gebiete und archäologische Untersuchungsgebiete gebe, die potenzielle Hindernisse für Leitungen wären.
Unklarheiten beim Umspannwerk in Trennfeld: Erweiterung oder Neubau?
Für die 73 Meter Arbeitsbreite müsse "viel Wald gerodet werden", ist sich Wagenpfahl sicher. Göpfert sagt, dass Waldgebiete auch unterbohrt werden können, was aber nur bis etwa 1400 Meter Länge gehe. Im Landkreis Bad Kissingen etwa liege aber ein vier Kilometer breiter Waldriegel. Schwierig werde auch die Main-Unterquerung, glaubt Bürgerreferent Göpfert.
Thomas Wagner, Bürgerreferent bei Tennet, hatte vor der Informationsveranstaltung in Karlstadt, wo er auch zugegen war, ein Gespräch mit Kerstin Deckenbrock, Bürgermeisterin von Triefenstein, und Vertretern der politischen Gruppierungen des Gemeinderats. So ganz klar scheint das mit dem Trennfelder Umspannwerk noch nicht zu sein. Deckenbrock habe es so verstanden, dass nicht das alte erweitert, sondern ein neues Umspannwerk samt Konverter gebaut werden müsse, wofür eine Fläche von sieben Hektar notwendig sei.
Mit der Suche nach einer geeigneten Fläche, so Deckenbrock, wolle Tennet im ersten Quartal 2024 beginnen. Ihr sei von Wagner gesagt worden, dass die Verbindung zwischen den beiden Umspannwerken oberirdisch mittels Hochspannungsleitungen geplant sei. Langfristig solle das bisherige Umspannwerk zurückgebaut werden.
Landkreis beklagt späte Information zu neuen Leitungen
Sebastian Kühl, Leiter der Landkreisentwicklung und Wirtschaftsförderung am Landratsamt Main-Spessart, glaubt, dass SuedWestLink und NordWestLink "das Landschaftsbild über die Bauphase hinaus nachhaltig verändern" werden. Das Landratsamt werde sich dafür einsetzen, dass die Trassen "den Weg des geringsten Raumwiderstands durch den Landkreis nehmen". Dem Landratsamt sei klar, dass die Energiewende ohne Netzausbau nicht zu schaffen sei und die Verfahren beschleunigt werden müssen. "Dennoch kritisieren wir als Landkreis deutlich, dass wir und die Kommunen seitens der Bundesnetzagentur nicht eher von den Plänen informiert wurden."
Triefenstein hat Deckenbrock zufolge seine Stellungnahme bereits abgegeben. Mitte 2024 soll der Antrag auf Planfeststellungverfahren eingereicht werden. Für 2028 ist der Baubeginn der SuedWestLink-Trasse vorgesehen. Im Jahr 2037 soll sie in Betrieb gehen.