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Main-Spessart
Landkreis und Bürgermeister fühlen sich von neuen Stromleitungen etwas überrumpelt
Neben SuedLink und P43 sollen quer durch Main-Spessart noch zwei weitere Stromautobahnen laufen: NordWestLink und SuedWestLink. Die ganze Planung läuft diesmal aber beschleunigt ab.
Derartige Kabel werden auf der geplanten SuedWestLink-Trasse durch Main-Spessart in der Erde verlegt werden. (Archivbild)
Foto: Fabian Gebert | Derartige Kabel werden auf der geplanten SuedWestLink-Trasse durch Main-Spessart in der Erde verlegt werden. (Archivbild)
Björn Kohlhepp
 und  Dorothea Fischer
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:10 Uhr

Mitte November wurde bekannt, dass künftig neben der bisher geplanten Gleichstromtrasse SuedLink und wahrscheinlich der Wechselstromtrasse P43 (Fulda-Main-Leitung) noch zwei weitere Gleichstromleitungen durch Main-Spessart verlaufen sollen: NordWestLink (DC41) und SuedWestLink (DC42). Für die Planung und den Bau haben sich die Übertragungsnetzbetreiber Tennet, TransnetBW und 50 Hertz zu Stromnetz DC zusammengeschlossen. Am vergangenen Dienstag luden die Übertragungsnetzbetreiber in Karlstadt die Bürgermeister betroffener Gemeinden zu einer nichtöffentlichen Informationsveranstaltung dazu ein. Die fühlen sich von der ganzen Sache, die diesmal beschleunigt geplant werden soll, etwas überrumpelt.

Die beiden neuen Stromautobahnen sollen wie SuedLink unterirdisch verlaufen und haben laut Christopher Göpfert, Referent für Bürgerbeteiligung bei TransnetBW, zusammen eine Leistung von viereinhalb Kernkraftwerken. Für die beiden neuen Stromautobahnen wurde ein im Schnitt zehn Kilometer breiter Korridor ins Auge gefasst, der von Norden nach Süden durch Main-Spessart verläuft und in dem die Gemeinden Gräfendorf, Gemünden, Karsbach, Gössenheim, Karlstadt, Himmelstadt, Zellingen, Steinfeld, Urspringen, Karbach, Birkenfeld, Erlenbach, Rothenfels, Hafenlohr, Marktheidenfeld, Kreuzwertheim und Triefenstein liegen.

Anbindung in Trennfeld, damit Bayern auch was von den Leitungen hat

Damit von NordWestLink und SuedWestLink, die vor allem Windstrom aus dem Norden nach Baden-Württemberg transportieren sollen, auch Bayern profitiert, habe der Freistaat einen Netzverknüpfungspunkt in Bayern gefordert, so Göpfert. Und da es in Trennfeld bereits ein Umspannwerk gibt, soll eine der zwei SuedWestLink-Leitungen mit einer Leistung von zwei Gigawatt, was etwa eineinhalb Kernkraftwerken entspreche, dort enden – wenn es die Bundesnetzagentur so festlege. Im Sommer könne über die Leitung auch etwa Solarstrom aus Süden in den Norden fließen. Das dortige Umspannwerk müsse dann erweitert und ein großer Konverter, der den Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt und baugleich mit dem in Bergrheinfeld sei, gebaut werden.

Anders als berichtet, können die Kabel der neuen Stromleitungen nicht teilweise in den vorhandenen Graben der SuedLink-Leitung verlegt werden, höchstens daneben. Vielmehr brauche es für SuedWestLink zwei Gräben, für NordWestLink einen. Liegen die drei Gräben, wie geplant, nebeneinander, brauche es für den Bau einen 73 Meter breiten Arbeitsstreifen. Im Betrieb betrage der Schutzstreifen noch 38 Meter. Zum Vergleich: Bei SuedLink wird er nur acht bis zwölf Meter betragen. Darüber, sagt Göpfert, könne man dann aber im Grunde machen, was man wolle, etwa Landwirtschaft, nur keine Häuser bauen oder Wald wachsen lassen.

Beschleunigtes Verfahren kommt bei den Kommunen nicht gut an

Was den betroffenen Bürgermeistern etwas aufstößt, ist die Geschwindigkeit, mit der alles passiert. Denn für die beiden neuen Trassen wird ein beschleunigtes Verfahren angewendet. Das sieht vor, dass die Bürgermeister bis Ende Januar Stellungnahmen abgeben können und die Netzbetreiber schon im Februar, März mit einem Trassenvorschlag kommen, der nur 200 bis 300 Meter breit ist. Gräfendorfs Bürgermeister Johannes Wagenpfahl (CSU) berichtet von dem Treffen in Karlstadt, dass die Planung schon am 30. Juni abgeschlossen sein soll. "Die Vorgehensweise ist sehr ernüchternd", lässt etwa Karlstadts Bürgermeister Michael Hombach (CSU) wissen, "und – wie meine Bürgermeisterkollegen – sehe ich eine ordentliche Beteiligung der Kommunen als nicht gewährleistet."

Karsbachs Bürgermeister Martin Göbel (FW) und Gössenheims Klaus Schäfer (CSU) sind nicht begeistert von ihren Beteiligungsmöglichkeiten. Zur Informationsveranstaltung in Karlstadt konnten sie nur Stellvertreter schicken, weil sie selbst – es gibt ja noch andere geplante Stromleitungen – wegen P43 am Dienstag in München waren. Zellingens Bürgermeister Stefan Wohlfart (CSU) sagt, dass es um Zellingen herum Natura-2000-Gebiete, FFH-Gebiete und archäologische Untersuchungsgebiete gebe, die potenzielle Hindernisse für Leitungen wären.

Unklarheiten beim Umspannwerk in Trennfeld: Erweiterung oder Neubau?

Für die 73 Meter Arbeitsbreite müsse "viel Wald gerodet werden", ist sich Wagenpfahl sicher. Göpfert sagt, dass Waldgebiete auch unterbohrt werden können, was aber nur bis etwa 1400 Meter Länge gehe. Im Landkreis Bad Kissingen etwa liege aber ein vier Kilometer breiter Waldriegel. Schwierig werde auch die Main-Unterquerung, glaubt Bürgerreferent Göpfert.

So soll der Konverter bei Bergrheinfeld aussehen, der den im SuedLink ankommenden Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt.
Foto: Tennet | So soll der Konverter bei Bergrheinfeld aussehen, der den im SuedLink ankommenden Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt.

Thomas Wagner, Bürgerreferent bei Tennet, hatte vor der Informationsveranstaltung in Karlstadt, wo er auch zugegen war, ein Gespräch mit Kerstin Deckenbrock, Bürgermeisterin von Triefenstein, und Vertretern der politischen Gruppierungen des Gemeinderats. So ganz klar scheint das mit dem Trennfelder Umspannwerk noch nicht zu sein. Deckenbrock habe es so verstanden, dass nicht das alte erweitert, sondern ein neues Umspannwerk samt Konverter gebaut werden müsse, wofür eine Fläche von sieben Hektar notwendig sei.

Mit der Suche nach einer geeigneten Fläche, so Deckenbrock, wolle Tennet im ersten Quartal 2024 beginnen. Ihr sei von Wagner gesagt worden, dass die Verbindung zwischen den beiden Umspannwerken oberirdisch mittels Hochspannungsleitungen geplant sei. Langfristig solle das bisherige Umspannwerk zurückgebaut werden.

Landkreis beklagt späte Information zu neuen Leitungen

Sebastian Kühl, Leiter der Landkreisentwicklung und Wirtschaftsförderung am Landratsamt Main-Spessart, glaubt, dass SuedWestLink und NordWestLink "das Landschaftsbild über die Bauphase hinaus nachhaltig verändern" werden. Das Landratsamt werde sich dafür einsetzen, dass die Trassen "den Weg des geringsten Raumwiderstands durch den Landkreis nehmen". Dem Landratsamt sei klar, dass die Energiewende ohne Netzausbau nicht zu schaffen sei und die Verfahren beschleunigt werden müssen. "Dennoch kritisieren wir als Landkreis deutlich, dass wir und die Kommunen seitens der Bundesnetzagentur nicht eher von den Plänen informiert wurden."

Triefenstein hat Deckenbrock zufolge seine Stellungnahme bereits abgegeben. Mitte 2024 soll der Antrag auf Planfeststellungverfahren eingereicht werden. Für 2028 ist der Baubeginn der SuedWestLink-Trasse vorgesehen. Im Jahr 2037 soll sie in Betrieb gehen.

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  • Werner Müller
    Herr Haas-Hyronimus, man kann gegen alles sein, sogar gegen Stromleitungen. Der Norden Deutschlands ist da wesentlich flexibler. Wenn Sie die Zukunft Deutschlands als führende Industrienation sichern wollen, dann brauchen Sie Strom. Der muss transportiert werden. Die Menschen des Bund Naturschutz und die Sinntalgemeinden werden sich dann nicht mehr um diese Belange kümmern können, wenn sie damit beschäftigt sind, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen, dann, wenn sie zu Jäger und Sammlern degradiert werden. So können wir auch wieder leben. Logisch: Dann brauchen wir auch keine Stromleitungen mehr. Wenn es immer noch Menschen gibt, die angesichts unserer Abhängigkeit von der fossilen Energie keine Veränderungen wollen, dann wird sich Deutschland destabilisieren. Meinetwegen können Sie die Stromleitung vor meinem Haus bauen.
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
    was soll dieser blindwütige Rundumschlag gegen den Bud Naturschutz ohne jegliche Kenntnis der Art der Einwände? Es ging darum, dass hochrangige Biotope nicht tangiert werden und Tennet hat die Einwände auch berücksichtigt. Aber auch anderswo hätte etwas mehr Fingerspitzengefühl bewiesen werden können
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  • Werner Müller
    Herr Haas-Hyronimus, es ist kein Rundumschlag, es ist die Realität. Zum Thema Einwände: Biotope wird es irgendwann überhaupt nicht mehr geben, wenn wir in naher Zukunft einige Dinge nicht regeln. Wir können weiter Land der Dichter und Denker bleiben, wenn wir innovativ sind - dann wird es in Zukunft auch Ihre Biotope geben. Wir können uns aber auch davor verschließen. Sie müssen das einmal als Makrokosmos begreifen. Biotope gab es schon vor einer/der wissenschaftlichen Betrachtung, das war 1908 und sie wird es auch weiter mit Stromleitungen geben - vorausgesetzt, wir nehmen einige Dinge einmal als Fakt, wenn es nicht schon "fünf nach zwölf" ist.
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
    Wenn Sie nicht zur Kenntnis nehmen wollen, welchen ökologischen Wert z.B. die Schachblumenwisen im Sinngrund und die Trockenhänge im Ölgrund an der Gösssenheimer Homburg haben, erübrigt sich jede weitere Diskussion.
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  • Werner Müller
    Stimmt!
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  • Werner Müller
    Stimmt
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  • Hartmut Haas-Hyronimus
    Der Bund Naturschutz und die Sinntalgemeinden haben rechtzeitig ihre Bedenken vorgetragen. Alle anderen haben geschlafen.
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