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Main-Spessart
Keine Lust mehr auf Sport? Mit diesen 4 Problemen haben Vereine in Main-Spessart zu kämpfen
Corona brachte den Vereinssport beinahe zum Erliegen. Nun darf wieder trainiert werden, doch die Folgen der Pandemie sind weiterhin spürbar. Vereine aus dem Landkreis berichten von ihren Sorgen.
Die Kegelmaschine muss regelmäßig aufwendig gereinigt werden, erklärt Kurt Burkardt (Kegelverein Karlstadt und Umgebung). Die Reinigung übernimmt ein ehrenamtlicher Bahnwart oder Mitglieder.
Foto: Nicole Schmidt | Die Kegelmaschine muss regelmäßig aufwendig gereinigt werden, erklärt Kurt Burkardt (Kegelverein Karlstadt und Umgebung). Die Reinigung übernimmt ein ehrenamtlicher Bahnwart oder Mitglieder.
Nicole Schmidt
 |  aktualisiert: 15.07.2024 10:16 Uhr

Die Prognose von Axel Höfler, dem Vorsitzenden des Schützen- und Gartenvereins Höllrich, fällt düster aus: "Es wird definitiv so sein, dass einzelne Vereine ans Limit kommen und vielleicht auch ihre Tür zuschließen werden." Dies betreffe in seinen Augen kleine Vereine mit nur wenigen Mitgliedern, die das gleiche Schicksal wie den Schachverein in Burgsinn ereilen könnte, der sich vergangenes Jahr auflöste. Zwar hat die Corona-Pandemie die meisten Vereine gleichermaßen getroffen, aber einige Sportarten, zum Beispiel Fußball, haben sich mit Blick auf den Nachwuchs vom Lockdown schneller als andere erholt.

Das belegen auch offizielle Statistiken des Baye­ri­schen Landes-Sport­ver­band, aus denen für den Landkreis hervorgehen, dass die Zahl der Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und siebzehn Jahren im Fußball nahezu konstant - 4480 (2019), 4257 (2020), 4120 (2021) - geblieben ist. Vereine, die jedoch schon vor der Pandemie einen Mitgliederschwund verzeichneten, bekommen die Auswirkungen stärker zu spüren und klagen über fehlenden Nachwuchs und steigende Kosten. Die Redaktion hat vier Probleme, mit denen Vereine in Main-Spessart kämpfen, genauer beleuchtet.

1. Problem: Fehlender Nachwuchs lässt auch die Vereinspauschale sinken

"Die Jugendarbeit ist durch Corona ziemlich zusammengebrochen und circa ein Drittel der Kinder ist aus unserem Verein ausgetreten", fasst Gabriele Kühlwein, die zweite Vorsitzende des Tennisclub Burgsinn, die Situation zusammen. Durch die Pandemie hat sich die Anzahl der Jugendmannschaften von elf (2019), auf neun (2020) und letztendlich auf zwei (2022) reduziert, weshalb sich der hauptberufliche Jugendtrainer einen neuen Job suchen musste. Kühlwein schätzt, dass es Jahre dauern wird, bis dieser Mitgliederschwund wieder ausgeglichen ist.

"Manche scheinen Vereine mit einem Fitnessstudio zu verwechseln: zahlen, hingehen, ausnützen, heimgehen."
Gabriele Kühlwein, zweite Vorsitzende des Tennisclub Burgsinn

Ein Umstand, der finanzielle Folgen hat, denn die Vereinspauschale, die Sport- und Schützenvereine jährlich vom bayerischen Staat erhalten, ist an die Anzahl der jugendlichen Mitglieder gekoppelt. Je mehr Nachwuchs, desto höher fällt der Zuschuss aus. Ein Teufelskreis, der auch Kurt Burkard (Kegelverein Karlstadt und Umgebung) Sorge bereitet: Die Anzahl jugendlicher Mitglieder reiche nicht mehr aus, um eine Mannschaft zu stellen und "wenn diejenigen, die wir jetzt noch haben, wegfallen und damit auch die Förderung, dann ist diese vollkommen fehlgeleitet."

Zwar klagen nicht alle Vereine über einen Mitgliederrückgang, trotzdem bemerkt auch Uschi Hartmann vom ESV Bavaria Gemünden, dass die Vereinsbindung abnehme und keiner heute noch als Anerkennung für schöne Erlebnisse einem Verein jahrzentlang treu bleibt.

2. Problem: In ländlichen Gegenden sind Trainer und Ehrenamtliche schwer zu finden

Daneben mangelt es am Vereinspersonal. Schwierig gestaltet sich unter anderem die Suche nach Trainer mit Trainer-Lizenzen. Laut Gabriele Kühlwein seien davon vorrangig ländliche Gegenden betroffen, denn dort "kann ein Trainer nur nebenberuflich tätig sein und oftmals müssen erfahrene erfahrene Spieler beim Training aushelfen", informiert sie. In ihren Augen ein Dilemma, denn ehrenamtliche Tätigkeiten lehnten viele Mitglieder von vorneherein aus Bequemlichkeit ab. "Manche scheinen Vereine mit einem Fitnessstudio zu verwechseln: zahlen, hingehen, ausnützen, heimgehen", ärgert sie sich, "dass ein Verein so nicht funktionieren und überleben kann, scheint vielen nicht bewusst oder egal zu sein."

Nach jedem Training und jeder Freizeitgruppe müssen beim Kegelverein Karlstadt und Umgebung die Kugeln desinfiziert werden. Für die Vereinsmitglieder und Ehrenamtlichen ist das viel Arbeit.
Foto: Nicole Schmidt | Nach jedem Training und jeder Freizeitgruppe müssen beim Kegelverein Karlstadt und Umgebung die Kugeln desinfiziert werden. Für die Vereinsmitglieder und Ehrenamtlichen ist das viel Arbeit.

Einige Ehrenamtliche hätten sich aber auch "zurückgezogen, da viele Vereinsturniere und Veranstaltungen nicht stattfinden durften. Die kommen jetzt nicht mehr zurück", ergänzt die zweite Vorsitzende des Tennisclubs noch. Schwierig gestalte sich aufgrund des hohen Zeitfaktors aber auch die Suche nach Vorstandsmitgliedern. Kurt Burkard ist deshalb froh, dass der Kegelverein aktuell eine komplette Vorstandschaft sowie ausreichend Personal für den Meisterschaftsbetrieb besitzt. "Wir sind insgesamt zwölf Leute", informiert er, "aber weil alles langjährig geprägt ist, mussten wir nur einen neuen ersten und zweiten Vorsitzenden finden." Er gehe aber davon aus, dass es zukünftig schwieriger werde, diese Ämter zu besetzen. 

3. Problem: Unsicherheit bei der Verwendung der Vereinspauschale

Für Unmut sorgt auch die Vereinspauschale, die unter anderem Axel Höfler (Schützen- und  Gartenverein Höllrich) kritisiert. Einerseits profitierten in seinen Augen von der Pauschale nicht alle Vereine, andererseits sei nicht genau definiert, ob die Summe lediglich zur Jugendförderung oder auch zur Begleichung anderer Kosten (beispielsweise Heiz- oder Mietkosten) herangezogen werden darf. Letzteres sei laut Landratsamt Karlstadt möglich, denn die Pauschale sei nicht zweckgebunden und diene der Verbesserung des Sportbetriebes.

Kurt Burkard sieht hingegen die starke Gewichtung der Trainer-Lizenzen bei der Vereinspauschale problematisch. Die Bemessungsgrundlage funktioniere bei großen Vereinen mit über 1000 Mitgliedern, nicht aber bei Vereinen mit 100 Mitgliedern, zu denen auch der Kegelverein Karlstadt und Umgebung zählt. Diese müssten dann selbst sehen, wie sie an höhere Summen kommen, dabei sind "die Mitglieder und die Mitgliedergemeinschaft das Wichtigste im Sport, den Trainer so hoch anzusetzen finde ich falsch", erklärt er, besser wäre es auch den Vorstand zu berücksichtigen, ohne den ein Verein nicht funktioniere.

4. Problem: Die gestiegenen Energiekosten belasten die Vereine in Main-Spessart

Die steigenden Energie- und Strompreise werden hingegen für alle zur Belastung, sodass viele Vereine Energiesparmaßnahmen planen. Der ESV Gemünden möchte sein Sportheim in den Wintermonaten nicht nutzen, auch der Kauf einer Photovoltaikanlage sei geplant, um Energie zu sparen. Wie hoch die Mehrbelastung durch die gestiegenen Energiekosten derzeit ausfalle, konnte Hartmann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

"Wo bekomme ich das Geld für die gestiegenen Energiepreise her? Ich kann ja nicht mehr produzieren oder investieren, um Geld reinzuholen."
Axel Höfler, erster Vorsitzender des Schützen- und des Gartenverein Höllrich

Klarheit darüber herrscht indes beim Schützenverein Höllrich, der mit einem jährlichen Mehraufwand von 3000 bis 4000 Euro rechnet. "Wo bekomme ich das Geld her?", fragt Höfler besorgt. "Ich kann ja nicht mehr produzieren oder investieren, um Geld reinzuholen. Wir haben eine gewisse Anzahl an Mitgliedern und Mitgliedsbeiträge, die gleich bleiben, und wenn ich die erhöhe, dann steigen Mitglieder aus."

Diese Sorge teilt auch der Kegelverein, dessen Vorsitzender Kurt Burkardt, auf die Frage, ob Energiesparmaßnahmen geplant sind, antwortet: "Sehr viel können wir nicht machen, wir können die Heizung etwas runterdrehen, aber Kegeln ist ein Indoor-Sport und für die Sportausübung gibt es bezüglich der Temperatur gewisse Vorschriften, die wir einhalten müssen." Wichtig seien deshalb unkomplizierte staatliche Hilfen, um ein Vereinssterben zu verhindern.

 
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Kommentare
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  • axhoehoe
    Wir vereine benötigen dringendst Unterstützung! Hier kann sich die Politik nicht mehr ausruhen und immer wieder das Ehrenamt loben... davon werden keine Rechnungen bezahlt! Weiterhin muss nachgedacht werden, wie man Personen für das Ehrenamt gewinnen kann. Über finanzielle oder steuerliche Vorteile muss hier nachgedacht werden. Ehrenamtspauschale oder Ehrenamtskarte... das ist nur "gestreichelt" und lockt keinen hinter dem Ofen hervor!
    Danke der Main-Post, dass sie dieses wichtige Thema Vereinsleben und die Probleme der Vereine aufgegriffen und vor allem publik gemacht hat! Jetzt muss gehandelt werden, oder die derzeitige Vereinsstruktur mit ihren wichtigen Aufgaben in der kommunalen und regionalen Welt überlebt den Wandel nicht...
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