Ein Ehepaar hat sich an die Freiwilligen-Agentur des Landkreises gewandt: „Beide kommen wir bald in Rente“, sagten sie zur Leiterin Gerlinde Stumpf. Daher suchten sie eine sinnvolle Beschäftigung für die Zeit nach ihrem Arbeitsleben. So ergehe es vielen Menschen im Landkreis. Sie können sich vorstellen, ehrenamtlich zu arbeiten, wissen aber nicht genau, wie und wo, weiß Gerlinde Stumpf.
Sie startete daher zusammen mit der Agenda-21-Beauftragten des Landkreises, Ilse Krämer, eine Initiative, um beides zusammenzubringen: Das Ehrenamt und Leute, die ehrenamtlich arbeiten wollen. Konkreter Anlass ist der internationale Tag des Ehrenamts am Mittwoch, 5. Dezember. Auf Infoständen wollen Stumpf und Krämer für das Ehrenamt werben. „Wir wollen Angebote machen“, sagen sie, denn beide Seiten profitieren. Ohne Ehrenamtliche kann beispielsweise das ganze Vereinswesen nicht mehr funktionieren, aber auch der Einzelne kann eine Befriedigung in einer sinnvollen Beschäftigung finden. Ganz wichtig ist die Wertschätzung der Arbeit der Ehrenamtlichen, betonen beide.
Dazu dient die Ehrenamtskarte, mit der der Inhaber bayernweit Vergünstigungen hat. „Knapp 4000 davon haben wir in Main-Spessart ausgegeben“, sagt Susanne Reuber, die im Landratsamt für die Verteilung der Karte zuständig ist. Anspruch auf die Ehrenamtskarte haben nur die, die schon seit zwei Jahren mindestens fünf Stunden in der Woche ehrenamtlich arbeiten. Die blaue Ehrenamtskarte gilt nur für drei Jahre, danach muss sie neu beantragt werden. Die goldene Ehrenamtskarte gilt unbegrenzt und ist für die, die schon mehr als 25 Jahre ehrenamtlich tätig sind.
Vergünstigungen für Karteninhaber
Seit 2012 gibt es die Ehrenamtskarte, und die hohe Zahl der ausgegebenen Karten ist für Susanne Reuber der Beweis, dass sie gut angenommen wird. Sie kennt Inhaber der Karte, die diese noch nie für Vergünstigungen in Anspruch genommen haben, trotzdem sei es für sie wichtig, diese zu besitzen, denn sie sehen dies als Anerkennung ihrer Arbeit. Andere wiederum nutzen die Karte oft. Auf der Homepage des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales sind alle Vergünstigungen aufgelistet.
Susanne Reuber glaubt, dass die Karte vor allem beim Eintritt in die Schwimmbäder genutzt wird, auch wenn es sich bei den Ermäßigungen meist nur um einen Euro handelt. Auch die Privatwirtschaft macht Angebote, beispielsweise das Autohaus Grampp. Dort gebe es für Karteninhaber auf alle Reparaturen von Wartungs- und Verschleißteilen eine Ermäßigung von zehn Prozent, sagt Reuber. Beim Wonnemar in Marktheidenfeld erhält der Inhaber einen 20-Prozent-Nachlass auf die 4-Stunden- und auf die Tageskarte.
Kostenlos ins Kino
Zweimal im Jahr gibt es eine kostenfreie Kinovorführung. Erst vor wenigen Tagen wurde im Marktheidenfelder Kino die Komödie „25 km/h“ gezeigt. Der Zuspruch war groß, sagt Reuber, 300 Leute sind gekommen. Sie rät allen Inhabern, sich mit den Vergünstigungen ihrer Karte zu beschäftigen. Dies könne sich lohnen.
Es lohne sich auch, schon Jugendliche für soziales Engagement zu begeistern, sagen Ilse Krämer und Gerlinde Stumpf. Wer schon als Jugendlicher im Kindergarten geholfen hat, ist später leichter für ein Ehrenamt zu gewinnen. Aus dieser Idee heraus entstand das Projekt „Freiwilliges soziale Schuljahr“ (FSSJ), das im Landkreis schon im achten Jahr läuft. „Es ist der Renner“, sagt Gerlinde Stumpf.
Schon im ersten Jahr beteiligten sich über 100 Schüler am FSSJ, jetzt sind es 160 bis 170 Schüler. „Alleine in Arnstein sind es 33 Schüler, die mitmachen“, sagt Stumpf. „Es gibt immer mehr Emils", freut sie sich. „EMiL" ist die Abkürzung für „Engagierte Menschen im Landkreis". Das ist das Logo der Freiwilligen-Agentur, bei der das FSSJ angesiedelt ist. Im internen Sprachgebrauch hat sich aber längst das Wort „Emil“ für die Teilnehmer des FSSJ durchgesetzt.
Die Emils müssen sich zirka zwei Stunden in der Woche Zeit nehmen und verbringen diese im Altenheim, im Kindergarten oder in sozialen Einrichtungen wie Tafeln, Weltladen, Sportvereinen oder Büchereien. Fast zwei Drittel der Teilnehmer wählen den Kindergarten – meist den Kindergarten, den sie selbst besucht haben. Dort freut man sich über eine zusätzliche Arbeitskraft, die mit den Kindern spielt, liest oder bastelt. Und die Kinder freuen sich erst recht über die Emils, die kommen. „Mancher kriegt sogar von den Kleinen einen Heiratsantrag“, schmunzelt Stumpf.
Wer ehrenamtlich arbeiten will, raten Stumpf und Krämer, soll sich entweder an die Freiwilligenagentur des Landkreises oder an die Ehrenamtsbörsen in Marktheidenfeld, Gemünden und Karlstadt zu wenden. Dort werden sie beraten. Niemand brauche Angst haben, dass er überfordert oder vereinnahmt werde.
Ehrenamtlichen Verantwortung geben
„Meist ist ein Reinschnuppern möglich“, sagt Ilse Krämer. Sie hat als stellvertretende Vorsitzende der Karlstadter Tafel Erfahrung im Umgang mit Ehrenamtlichen. „Das Ehrenamt darf nicht zur Belastung werden, dann sind die Leute wieder weg“, sagt sie. Jeder soll das Recht haben, sich auch mal ohne schlechtes Gewissen wieder zurückziehen zu dürfen. Und man muss den Mitarbeitern Verantwortung geben. Die Ehrenamtlichen müssen in die Gestaltung ihrer Arbeit einbezogen werden.
Ilse Krämer freut sich, dass mittlerweile auch die Privatwirtschaft ehrenamtliche Arbeit unterstützt. So weiß sie von einem Mitarbeiter der Karlstadter Tafel, dass die Firma einen Teil seiner ehrenamtlichen Arbeit als Arbeitszeit anrechnet. Auch das Engagement der Firma Warema in Marktheidenfeld ist groß anzurechnen. Sie lädt einmal im Jahr, heuer am 2. Dezember, die Tafelkunden mit einem Teil der Tafelhelfer zum Essen in die Werkskantine ein. Ein Beispiel, dem sich andere anschließen könnten, meint die Agenda-21-Beauftragte.
Freiwilligen-Agentur des Landkreises
Die Abkürzung EMiL der Freiwilligen-Agentur steht für „Engagierte Menschen im Landkreis“. Die Anlauf- und Informationsstelle gibt es seit 1. Mai 2010 für alle Bürger, die sich gerne ehrenamtlich engagieren möchten, aber noch nicht wissen, was sie genau tun können. Sie berät über Projekte, in denen sich Ehrenamtliche einbringen können und bringt somit Angebot und Nachfrage zusammen.
Gerlinde Stumpf von der Freiwilligen-Agentur ist unter
Tel.: (0 93 53) 7 93 11 66 zu erreichen.