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Main-Spessart
Karlstadter Praxis schließt ohne Nachfolger: HNO-Versorgungslage in Main-Spessart verschärft sich weiter
Mit der Schließung der Praxis von Dr. Heinz Hauck bleibt im Landkreis nur noch die HNO-Praxis in Lohr. Die KVB bemüht sich zwar um Nachwuchs, bislang jedoch ohne Erfolg.
Der Eingang zur Praxis des Karlstadter HNO-Arzt Dr. Heinz Hauck: Am Freitag öffnet er zum letzten Mal regulär, einen Nachfolger hat er nicht gefunden.
Foto: Björn Kohlhepp | Der Eingang zur Praxis des Karlstadter HNO-Arzt Dr. Heinz Hauck: Am Freitag öffnet er zum letzten Mal regulär, einen Nachfolger hat er nicht gefunden.
Katrin Amling
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:56 Uhr

Gut zwei Jahre lang hat der Karlstadter HNO-Arzt Dr. Heinz Hauck einen Nachfolger gesucht – ohne Erfolg. Seine Praxis wird deshalb geschlossen. Der reguläre Betrieb endet bereits an diesem Freitag, offiziell besteht die Praxis noch bis Ende nächster Woche, dem Quartalsende. Seine Patienten und Patientinnen müssen sich einen neuen Facharzt suchen, erklärt eine Medizinische Fachangestellte am Telefon.

Im Landkreis Main-Spessart bleibt ihnen da keine große Auswahl mehr: Der einzig verbleibende Hals-Nasen-Ohren-Arzt ist Dr. Friedrich Hochapfel in Lohr. Doch auch er wird für seine Praxis in Lohr in absehbarer Zeit einen Nachfolger suchen. Vor einem Jahr sagte er der Redaktion, er wolle seine Praxis maximal noch sieben Jahre führen. 2029 wäre also spätestens Schluss. Die Arbeitsbelastung in der Praxis ist hoch, Zeit für ein Gespräch mit der Redaktion bleibt nicht.

Schon seit Jahren gilt der Landkreis bei den Hals-Nasen-Ohren-Ärzten als unterversorgt. Eigentlich stünden laut der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern (KVB) 4,5 Sitze zur Verfügung, besetzt ist ab April nur noch einer. Axel Heise ist Pressesprecher der KVB und bestätigt, dass der Landkreis nun auch offiziell als unterversorgt eingestuft wird. Zuvor lief er nur als "drohend unterversorgt".

Wer sich als HNO-Arzt niederlässt, bekommt einen Zuschuss von 90.000 Euro

Die KVB bemüht sich laut Heise intensiv darum, Nachfolger für Main-Spessart zu finden. Man biete eine Niederlassungsberatung an, es gebe Seminare und Veröffentlichungen in den Medien. Außerdem verspricht die KVB einen großen finanziellen Anreiz: Wer sich als HNO-Arzt in Main-Spessart niederlässt, erhält einen Zuschuss von 90.000 Euro. Heise sagt jedoch auch: "Der Mangel an HNO-ärztlichem Nachwuchs seit vielen Jahren, insbesondere in ländlich geprägten Regionen, ist kein lokales, sondern ein bundesweites Problem."

Doch warum ist es so unattraktiv, einen HNO-Sitz zu übernehmen? Bereits vor einem Jahr erklärte der Karlstadter Arzt Dr. Hauck gegenüber dieser Redaktion, dass viele jüngere Ärzte heute lieber in einer Klinik arbeiten würden, als in die Selbstständigkeit zu gehen. "Als Oberarzt ist der Verdienst dort gleich. Aber sie haben nicht so viel Organisatorisches zu erledigen wie in einer eigenen Praxis", so Hauck damals.

Praxen haben kaum Inflationsausgleich erhalten

Laut Pressesprecher Heise spielt auch der Trend zum Arbeiten in Teilzeit eine große Rolle. "Für das Arbeitsvolumen, das früher ein Arzt geleistet hat, braucht es künftig gegebenenfalls zwei Ärzte in Teilzeit", so Heise. Das hänge auch damit zusammen, dass in der Medizin immer mehr Frauen arbeiten und Familien sich die Sorgearbeit für Kinder heute gleichberechtigter aufteilen als früher.

"Auch die explodierenden Energiekosten wirken sich ausgesprochen negativ auf die wirtschaftliche Kalkulationsgrundlage der Praxen aus", erklärt Heise. Da sie die Preise nicht einfach erhöhen könnten, würden die niedergelassenen Ärzte auf den Mehrkosten durch die Inflation größtenteils sitzen bleiben. Das stehe im Gegensatz zu der finanziellen Unterstützung, die viele Krankenhäuser vom Staat erhalten haben.

Keine Belegbetten für HNO-Ärzte im Klinikum in Lohr

In einem Gespräch über die Hausärzteversorgung in Gemünden erklärte der Allgemeinarzt Dr. Helmut Aulbach Mitte Februar, für ein Medizinisches Versorgungszentrum wäre ein HNO-Arzt eine ideale Ergänzung. In diesem Zusammenhang wies er auf die fehlende Möglichkeit zu HNO-Operationen über Belegbetten am Klinikum in Lohr hin. Das mache den Landkreis für einen HNO-Arzt weniger attraktiv, so Aulbach.

Grundsätzlich hat das Klinikum Main-Spessart Interesse, das Fachgebiet HNO anzubieten, erklärt Jessica Werthmann, Assistentin des Klinikreferenten. Die Geschäftsführung habe in den vergangenen Jahren Gespräche mit potentiellen HNO-Ärzten und -Ärztinnen geführt, um ein Belegarztsystem mit niedergelassenen Ärzten zu etablieren. "Diese Gespräche waren jedoch erfolglos", so Werthmann. Als mögliche Erklärung führt sie an, dass die hohe Komplikationsrate nach HNO-Operationen für viele Ärzte ein Hindernis darstelle. Denn das impliziere, dass die Fachärzte in unmittelbarer Nähe des Klinikums verortet sein müssten, um schnell reagieren zu können.

HNO grundsätzlich ein attraktives Fachgebiet

Dass die OP-Möglichkeit ausschlaggebend ist, das denkt Dr. Bernhard Junge-Hülsing jedoch nicht. Er ist bayerischer Landesvorsitzender des HNO-Berufsverbandes. "Im Jahr 2000 waren circa 40 Prozent belegärztlich tätig, jetzt sind auch aufgrund der völlig unzureichenden Vergütung nur noch etwas mehr als 15 Prozent ambulant und belegärztlich operativ tätig", erklärt er. Wichtiger ist in seinen Augen, dass die Anzahl der Studienplätze erhöht wird. "Außerdem hat die Bürokratie in den Praxen mittlerweile ein Ausmaß angenommen, die jede Vorstellungskraft übersteigt", so Junge-Hülsing. Trotz allem habe er den Eindruck, dass die Hals-Nasen-Ohrenheilkunde ein eher attraktives Fachgebiet für junge Ärzte und Ärztinnen sei.

 
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  • S. C.
    Die 90.000 "Starthilfe" für den Nachfolger könnte H. Hauck gerne aus eigener Tasche bezahlen. Ich habe noch nie so eine Turbo-Massenabfertigung wie in seiner Praxis erlebt.
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    90 000€ sind einfach nur lächerlich... Eine Praxis zu übernehmen mit dem vollen unternehmerischen Risiko und den permanenten Gängelungen durch Behörden, den gesetzlichen Auflagen, den Zwangssprechstunden, der miesen Bezahlung der Kassen ohne Inflationsausgleich und das Damoklesschwert der MDK Prüfung mit existenzbedrohenden Regressen, die erst Monate später auftauchen.
    Explosionsartige Preissteigerungen bei Lohn und Medizinprodukten, die nicht durch dir Kassen refinanziert werden. Das komplexe Abrechnungssystem und mangelndes Fachpersonal für die Abrechnung. Wer heute eine Praxis übernimmt der muss schon sehr gute Gründe dafür haben und sehr leidensfähig sein.
    Der Kommentar zum Thema Teilzeit ist übrigens lächerlich. Eine Praxis bedeutet eine 80 Stundenwoche plus Zwangsdienste. Ich möchte mal einen KVB-ler sehen der schon jemals in seinem Leben 80 h in einer Woche gearbeitet hat. Eine Teilzeitstelle als Praxisinhaber ist immernoch mehr als eine 100 Prozentstelle sonst wo!
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