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Gemünden
Noch hat Gemünden keinen Hausärztemangel, aber wie ist es in ein paar Jahren?
Gemündener machen sich Sorgen über die hausärztliche Versorgung. Die Ärzte Helmut Aulbach und Matthias Schmidt über Probleme und Herausforderungen sowie ein mögliches Ärztehaus.
Schilder der derzeit noch sechs Allgemeinärzte und Allgemeinärztinnen in Gemünden und Langenprozelten.
Foto: Björn Kohlhepp | Schilder der derzeit noch sechs Allgemeinärzte und Allgemeinärztinnen in Gemünden und Langenprozelten.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:49 Uhr

Die Menschen in Gemünden sorgen sich, dass es bald nicht mehr genügend Hausärztinnen und Hausärzte in der Stadt geben könnte. Ende 2019 hat Dr. Günther Graf seine große Praxis in der Bahnhofstraße geschlossen, im Juni 2021 hörte Dr. Lutz Deicke, der in seiner Praxis in der Innenstadt ebenfalls viele Patientinnen und Patienten hatte, auf. Die Idee eines Ärztehauses kommt nicht recht voran.

"Im Moment ist es kein Problem", sagt Allgemeinarzt und Stadtrat Helmut Aulbach. Die Stadt habe mit derzeit sechs Hausärzten und Hausärztinnen in Gemünden und Langenprozelten – Aulbach, Geyer, Hemmerlein, Schenk, Seltsam, Steinhauer – immer noch einen mehr als früher einmal für das Stadtgebiet vorgesehen. Aber Aulbach ist 68, und die anderen werden auch nicht jünger.

Versorgungsgrad bei Hausärzten im Raum Gemünden liegt bei 102 Prozent

Der Burgsinner Hausarzt Dr. Matthias Schmidt ist als Delegierter vom Hausarztverband für Main-Spessart so etwas wie der Sprecher der Allgemeinärzte. Laut dem Versorgungsatlas der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns beträgt der Versorgungsgrad bei Hausärzten im Raum Gemünden derzeit 102 Prozent. Durch eine zurückgegebene Zulassung, die noch nicht berücksichtigt sei, liege man eigentlich schon knapp unter 100 Prozent, sagt Schmidt. "Unterversorgt ist ein Gebiet erst unter 80 Prozent." Zumindest auf dem Papier gebe es also derzeit keine Unterversorgung. Schmidt sagt aber auch: "Da ist die Altersstruktur nicht berücksichtigt."

"Theoretisch gibt es in Gemünden keinen Ärztemangel, aber wir müssen Vorsorge treffen."
Bürgermeister Jürgen Lippert

"Theoretisch gibt es in Gemünden keinen Ärztemangel", sagt Bürgermeister Jürgen Lippert, "aber wir müssen Vorsorge treffen." Er habe mit fast allen ansässigen Ärzten und Ärztinnen gesprochen, diese seien durchaus bereit noch ein paar Jahre zu machen. Die Stadt hatte das Gebäudeensemble mit dem ehemaligen Gemischtwarenladen Sitzmann/Pfeiffer an der Ecke Obertorstraße/Mainstraße gekauft, damit dort ein Ärztehaus entstehen kann. Daraus wurde aber bislang nichts.

Nun solle das Ensemble im Zug des integrierten städtebaulichen Entwicklungskonzepts (ISEK), das für Gemünden entwickelt werden soll, noch einmal angeschaut werden, so Lippert. Bei der Parkplatzfrage wäre die Stadt sogar bereit, Patientinnen und Patienten die Zufahrt zu ermöglichen. Das Problem sei jedoch, Ärzte für das Projekt zu gewinnen.

Wie steht es um das Medizinische Versorgungszentrum?

Die Stadt könne da gar nichts tun, sagt Aulbach und erzählt, dass er sich gegenüber dem Bürgermeister und einem Investor bereiterklärt habe, eventuell als ärztlicher Leiter für das angedachte Medizinische Versorgungszentrum (MVZ) tätig zu werden. "Ein MVZ wäre wahrscheinlich auf Dauer die einzige Möglichkeit", um die Hausarztversorgung in Gemünden sicherzustellen, glaubt er. Dies umzusetzen sei aber "sehr, sehr schwierig".

Ein Investor müsste ein Gebäude hinstellen, und Ärzte müssten sich zwei Jahre vorher verpflichten, sich dort einzumieten. "Ich kriege aber jetzt keinen Arzt, der sagt: ja, in zwei Jahren lasse ich mich hier nieder." In einem MVZ wären mindestens drei Ärzte und ein Facharzt nötig. Ein HNO-Arzt wäre da ideal, findet Aulbach, da fehle jetzt schon einer im Landkreis. Aber HNO-Ärzte hätten gern Belegbetten in Krankenhäusern, im neuen Klinikum seien seines Wissens nach keine vorgesehen. Das mache den Landkreis für einen HNO-Arzt weniger attraktiv.

Helmut Aulbach ist seit über 30 Jahren Notarzt in Gemünden (Archivbild).
Foto: Klaus Gimmler | Helmut Aulbach ist seit über 30 Jahren Notarzt in Gemünden (Archivbild).

Als grundlegendes Problem sehen Aulbach und sein Burgsinner Kollege Schmidt jedoch, dass sich im ländlichen Raum kaum mehr ein Arzt niederlassen möchte. Mit einer Hausarztpraxis habe man viel Verantwortung, verdiene aber auch nicht mehr als ein Oberarzt in einem Krankenhaus, sagt Aulbach. Junge Ärzte und Ärztinnen blieben außerdem gern in Würzburg, sie pendelten allenfalls nach Karlstadt, das noch nahe genug dran ist, so Schmidt.

In Marktheidenfeld steht ein Ärzte-Mangel unmittelbar bevor

"Main-Spessart ist außer Karlstadt überall schlecht versorgt", sagt er. In Lohr sei es jetzt schon katastrophal, von dort kämen Patienten zu ihm nach Burgsinn. Aber auch er habe einen Aufnahmestopp, es sei denn, es gehe um Verwandte von Patienten oder um Notfälle. In Marktheidenfeld stehe mit vielen älteren Ärzten ein Mangel unmittelbar bevor.

"Ein MVZ wäre wahrscheinlich auf Dauer die einzige Möglichkeit."
Allgemeinarzt Helmut Aulbach zur Sicherstellung der Hausarztversorgung in Gemünden

Hinzu komme, und das machen beide Ärzte als weiteres Problem aus, dass der Arztberuf zunehmend ein weiblicher ist. Weil es für das Medizinstudium einen NC als Zulassungsbeschränkung gebe, seien heute zwei Drittel der Medizinstudenten in Deutschland Frauen, da sie bessere Noten haben, sagt Aulbach. Aber junge Frauen nähmen Mutterschutz und Elternzeit in Anspruch und würden oft nur Teilzeit arbeiten wollen. Aulbach: "Das geht als Selbstständiger mit eigener Praxis nicht."

"Wenn Sie heute junge Leute wollen, müssen Sie ihnen etwas anbieten", sagt Matthias Schmidt. Er selbst betreibt mit dem Gemündener Arzt Dr. Ulrich Seltsam eine Gemeinschaftspraxis und könne so etwa Teilzeit anbieten. "Der Trend geht zu großen Praxen." Da das Lohrer Krankenhaus jetzt im Weiterbildungsverbund ist, hofft er, dass künftig auch junge Ärztinnen und Ärzte in Main-Spessart hängen bleiben.

Die Hausarztpraxen in Gemünden gehören oft den Ärztinnen und Ärzten

Er habe auch schon Medizinerinnen zur Ausbildung bei sich gehabt, sagt Schmidt. Aber er sehe derzeit einen "Kampf zwischen Stadt und Land" um Ärzte, die häufig lieber Facharzt werden. Außer in den bayerischen Großstädten gebe es überall Probleme, sogar in Würzburg bekomme man derzeit ohne Schwierigkeiten eine Zulassung. Die Effekte von Gegenmaßnahmen wie einer Weiterbildungsförderung werde man erst in zehn Jahren spüren, glaubt er.

Schmidt hat die Hoffnung, dass sich die Lage in Zukunft etwas entspannt. Er glaubt aber nicht, dass ein Ärztehaus in Gemünden funktionieren wird. Dort gebe es viele angestammte Hausarztpraxen, die den Ärztinnen und Ärzten oft selber gehören. In einem Ärztehaus oder MVZ müssten sie dann zusammenarbeiten und Miete zahlen. Er fürchtet, dass Gemünden dafür zu klein ist.

Aulbach ist schon auf der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin

Ein MVZ hätte laut Aulbach den Vorteil, dass dort angestellte Ärzte mit Dingen wie Verwaltung und Personal nichts zu tun haben und ein festes Gehalt bekommen. Aulbach sieht den von der Stadt vorgesehenen Standort als ideal an. Das vor Jahren einmal in Langenprozelten nahe dem Hagebaumarkt ins Gespräch gebrachte Ärztehaus hingegen sei von allen abgelehnt worden.

Helmut Aulbach weiß noch nicht, wann er aufhört. Er ist aber schon auf der Suche nach einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin. Er möchte seine Praxis in der Innenstadt sogar noch einmal renovieren, um sie attraktiv zu machen für eine Übernahme. Auch wenn er jemanden fände, könnte er sich vorstellen, weiter als Notarzt tätig zu bleiben.

"Wenn Sie heute junge Leute wollen, müssen Sie ihnen etwas anbieten."
Matthias Schmidt, Sprecher der MSP-Allgemeinärzte

Gebe es in der mittleren Zukunft weniger Arztpraxen, könne es sein, dass es länger dauert, einen Arzttermin zu bekommen oder dass der ein oder andere keine zusätzlichen Patientinnen und Patienten mehr aufnehme. Vielleicht gebe es künftig auch größere und damit für junge Kolleginnen und Kollegen attraktivere Praxen.

Bürgermeister Lippert gibt sich optimistisch: "Wir werden für Gemünden eine Lösung finden." Auch die Politik müsse ja irgendwie an dem Thema mitarbeiten, die Landarztprämie alleine helfe noch nicht weiter. Das Problem der mangelnden finanziellen Attraktivität von Hausarztpraxen müsste von der KVB, den Krankenkassen und der Politik gemeinsam angegangen werden, findet Aulbach.

 
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