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Gössenheim
In Gössenheim gibt es bereits Fernwärme durch eine Hackschnitzelanlage: rund 190 Abnehmer
In Gössenheim müssen sich nur wenige Gedanken darüber machen, wie sie es im Winter warm bekommen. Das Heizwerk der Nahwärme-Genossenschaft macht es möglich.
Die Heizzentrale der Nahwärme Gössenheim.
Foto: Björn Kohlhepp | Die Heizzentrale der Nahwärme Gössenheim.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 18.06.2023 02:23 Uhr

Während sich Deutschland derzeit fragt, ob und zu welchem Preis es im Winter die Wohnung warm kriegt, können sich viele Gössenheimerinnen und Gössenheimer entspannt zurücklehnen. Die allermeisten Haushalte werden dort über die genossenschaftlich organisierte Nahwärme Gössenheim eG mit Wärme versorgt – und die wird in einem eigenen Heizwerk mit Hackschnitzeln aus heimischem Holz erzeugt. "Was gut ist, ist, dass wir unseren Preis halten können", sagt Karsten Heeschen, ehrenamtlicher Vorstandsvorsitzender der Genossenschaft. Derzeit liegt der Preis bei acht Cent pro Kilowattstunde. "Unser Hauptzweck ist nicht Gewinn, sondern die Versorgung mit preisgünstiger Wärme." Er freue sich jedenfalls immer über seine Betriebskostenabrechnung.

"Die Gas- und die Ölkunden sind es, die gerade richtig verlieren", sagt Heeschen. Zum Vergleich: Öl liegt ihm zufolge derzeit bei 20, 21 Cent pro Kilowattstunde, bei Erdgas sind es für Neukundinnen und Neukunden nach Informationen des Online-Vergleichsportals Verivox ebenfalls im Schnitt über 20 Cent, Tendenz steigend. Und auch der Preis für Holzpellets hat sich innerhalb weniger Monate mehr als verdoppelt. Die Gössenheimer Genossenschaft habe noch rund 2000 Festmeter Holz auf dem Hof liegen und bereits neues bestellt. Der Preis für die Kilowattstunde sei deshalb voraussichtlich dieses Jahr und vielleicht auch noch die ersten beiden Quartale 2023 zu halten, so Heeschen. Man orientiere sich bei der Frage am Preisindex für Waldhackschnitzel, der von C.A.R.M.E.N. e.V., dem Centralen Agrar-Rohstoff Marketing- und Energie-Netzwerk, erhoben wird.

"Was gut ist, ist, dass wir unseren Preis halten können."
Karsten Heeschen, Vorstandsvorsitzender der Nahwärme Gössenheim

"Wir kaufen unser Holz noch zu einem vernünftigen Preis ein", sagt Heeschen. Lieferantinnen und Lieferanten sind örtliche Forstbetriebsgemeinschaften und die Staatsforsten. Der Genossenschaft genüge schwaches Holz, Käferholz und Holz, das für die Industrie nicht tauge. Meist würden 1000 bis 1500 Festmeter bestellt. Zwar sehe es derzeit danach aus, dass auch die Holzpreise steigen, doch selbst wenn sich der Holzpreis verdoppeln würde, läge der Preis pro Kilowattstunde vielleicht bei 14 oder 15 Cent, aber noch lange nicht bei 20 Cent, rechnet Heeschen vor.

Mittlerweile hat die Nahwärme-Genossenschaft 187 Abnehmerinnen und Abnehmer. Aktuell gebe es weitere Nachfragen, ob neue dazustoßen können, darunter zwei Neubauten und ein saniertes Gebäude. "Wenn die Kapazität reicht", so Heeschen, "können wir das machen." Interessentinnen und Interessenten bekämen in so einem Fall Informationen, was auf sie zukommt, dann könnten sie es sich überlegen. "Wir haben bisher noch keinen gehabt, den wir ablehnen mussten." Aber es gibt Grenzen: In manchen Straßen könnten höchstens noch ein, zwei dazustoßen, sonst reiche die Leistung, die durch den Durchmesser der verlegten Leitung begrenzt ist, nicht mehr für alle Anschlüsse in der Straße.

Dabei verlief die Geschichte der Genossenschaft mit der 2016 eingeweihten Heizzentrale zwischendurch etwas holprig, sie stand sogar einmal vor dem Aus. Nur ein gemeinsamer Kraftakt, über den die Gössenheimerinnen und Gössenheimer heute froh sein dürften, rettete die örtliche Fernwärmeversorgung. Die Wärmeerzeugung war dabei nicht das Problem, die habe von Anfang an einwandfrei funktioniert. Aber die separate Anlage zur Stromerzeugung steht durch einen Schaden an den beiden Motoren seit über fünf Jahren still. Ein Rechtsstreit mit dem Hersteller läuft, weshalb der Nahwärme-Genossenschaft zum Tilgen von Krediten Hunderttausende von Euro fehlen.

Um die Genossenschaft zu retten, wurde mit der Hausbank schließlich ein Sanierungskonzept aufgestellt. Dazu gehörte, dass der Gössenheimer Gemeinderat (auch die Schule, der Kindergarten und das Gemeindehaus sind Abnehmer) im Oktober 2019 beschloss, zehn Jahre lang jährlich 80 Anteile à 300 Euro zu kaufen. Außerdem stimmten 96 Prozent der Anteilseignerinnen und Anteilseigner dafür, dass jedes Mitglied über zehn Jahre jährlich für 600 Euro zwei weitere Anteile hinzukauft.

Wie ging es mit der Stromeinspeisung weiter? Einfach durch einen neuen Investor die Motoren austauschen zu lassen scheiterte daran, dass Bayernwerk die eigentlich bis 2033 vorgesehene Einspeisevergütung von über 20 Cent pro Kilowattstunde nur zusagte, wenn die eingebauten, aber total verteerten Motoren repariert werden, was sehr teuer würde. Hersteller einer anderen Holzvergaseranlage könnten zudem nicht garantieren, dass die alten Motoren mit ihrer Anlage gut laufen.

"Keiner der Angeschlossenen hat bisher frieren müssen oder sich das Heizen nicht leisten können."
Karsten Heeschen

Die aktuelle Situation sei nun die: Mit dem Bayernwerk sei man übereingekommen, dass die Genossenschaft eine Linie durch eine neue ersetzen dürfe, sagt Heeschen. Aber im Moment habe sich das Thema zerschlagen, die Verhältnisse mit den steigenden Preisen machten es schwierig. "Wir arbeiten dran."

Die zentrale Wärmeerzeugung mit Hackschnitzeln sei nachhaltig, ökologisch, CO2-sparend und natürlich preisgünstig, sagt Heeschen. "Keiner der Angeschlossenen hat bisher frieren müssen oder sich das Heizen nicht leisten können."

Durch die aktuelle Situation gibt es in Gössenheim viel Zustimmung für das Nahwärmewerk. Auch Bürgermeister Klaus Schäfer weiß zu berichten, dass die Abnehmerinnen und Abnehmer zufrieden sind, weil sie günstiger heizen als die mit Gas, Öl oder Pellets. "Augenblicklich ist es sehr gut, dass wir die Nahwärme haben", sagt Schäfer.

 
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