
Fast wären in Gössenheim diesen Winter die allermeisten Haushalte wie auch die Schule, der Kindergarten und das Gemeindehaus ohne Heizung dagestanden. Die genossenschaftlich organisierte Nahwärme Gössenheim eG, die 187 Gebäude mit zentral erzeugter Wärme aus Holzhackschnitzeln versorgt, stand vor dem Aus. Die Wärmeerzeugung funktioniert problemlos, aber die separate Anlage zur Stromerzeugung steht seit drei Jahren still. Mit deren Hersteller läuft ein Rechtsstreit. Hunderttausende Euro aus der einkalkulierten Stromeinspeisung fehlen der Nahwärme-Genossenschaft zum Tilgen von Krediten. "Und die Politik lässt uns im Stich", sagt Aufsichtsrat Klaus Neumann.
Viele schlaflose Nächte habe es gegeben, berichten der ehrenamtliche Vorstandsvorsitzende der Genossenschaft, Karsten Heeschen, Aufsichtsrat Neumann und Bürgermeister Klaus Schäfer im Gespräch mit der Redakton. Im Frühling sprang ein Investor ab, weil das Bayernwerk sich gegen einen Austausch der Motoren bei gleicher Einspeisevergütung sperrt. Die eigentlich im Juni vorgesehene Generalversammlung der Genossenschaft wurde auf den Oktober verschoben.
Die Gemeinde kauft Anteile für weitere 240 000 Euro
Mit der Hausbank wurde schließlich ein Sanierungskonzept aufgestellt. Das sah vor, dass die Gemeinde, die Anteilseigner (vor allem die Haushalte, die Wärme beziehen) und auch die Bank ihren Beitrag leisten. Einen Tag vor der Versammlung beschloss der Gössenheimer Gemeinderat nichtöffentlich, zehn Jahre lang jedes Jahr 80 Anteile à 300 Euro zu kaufen – macht jedes Jahr 24 000 Euro, insgesamt 240 000 Euro.

Warum nichtöffentlich? Bürgermeister Schäfer sagt, man wollte bei den Genossen nicht den Eindruck erwecken, als müssten sie nichts beitragen, weil die Gemeinde so viel beisteuere. In der Generalversammlung, bei der rund 150 Mitglieder anwesend waren, habe er deshalb nur gesagt: "Die Gemeinde beteiligt sich angemessen." 96 Prozent der Anteilseigner beschlossen schließlich eine Satzungsänderung, die vorsieht, dass jedes Mitglied über zehn Jahre jährlich für 600 Euro zwei weitere Anteile hinzukauft. Sie stemmen somit den Großteil des Sanierungsplans. "Ich war positiv überrascht über die hohe Zustimmung", sagt Bürgermeister Schäfer. Vorstandsvorsitzender Heeschen: "Wir hatten die Alternative: Entweder es machen alle mit oder wir gehen insolvent."
Die Gössenheimer fühlen sich von der Politik im Stich gelassen
"Bei der Einweihung war die ganze Politik da", sagt der Bürgermeister. "Jetzt stehen wir allein da." Dabei, so betonen er und die Vertreter der Genossenschaft, möchten sie kein Geld, sondern lediglich die Unterstützung der Politik, die doch immer von der nötigen Energiewende rede. "Wir sparen 200 0000 Tonnen CO2 im Jahr ein", sagt Heeschen. In circa zwei Dritteln der angeschlossenen Häuser wurde vorher mit Öl geheizt.

Unterstützung wünschen sie sich konkret in einer absurd anmutenden Situation. Das Blockheizkraftwerk zur Holzvergasung und Stromerzeugung steht still. Die beiden großen Motoren, die 250 Kilowattstunden Wärme und 150 Kilowattstunden Strom liefern sollten, waren nach wenigen Monaten Betrieb im Jahr 2016 mit Teer zugesetzt. Die bis 2033 zugesagte Einspeisevergütung von über 20 Cent pro Kilowattstunde hängt aber an diesen Motoren. Im Rechtsstreit mit dem Hersteller geht scheinbar nichts voran.
Motoren sind mit Teer zugesetzt
Also suchten die Nahwärme-Genossen nach einer Ersatzanlage eines anderen Herstellers, damit endlich Strom produziert werden kann. Aber woher das Geld dafür nehmen? Man fand einen Hersteller, der eine komplett neue Anlage mit neuen Motoren installieren wollte. Er hätte die Einspeisevergütung selbst kassiert und Miete und Pacht an die Gössenheimer gezahlt. Aber das Bayernwerk fordert, dass die Gössenheimer ihre Motoren reparieren lassen, sonst gibt es keine 20 Cent. Die Motoren müssten, so die Einschätzung der Genossen, komplett zerlegt und gereinigt werden (Kostenpunkt: rund 70 000 Euro pro Motor).
Das weitere Problem: Hersteller einer anderen Holzvergaseranlage können nicht garantieren, dass die alten Motoren mit ihrer Anlage gut laufen. Bei neuen Motoren gebe es aber nur die aktuelle Einspeisevergütung, die bei lediglich zwölf Cent liege, so das Bayernwerk. Das ließ den Investor im Mai wieder abspringen. Bei Politikern hätten die Gössenheimer ihr Problem vergebens vorgetragen.
Hersteller der Holzvergaser hat weiteren Rechtsstreit
Derweil läuft der Rechtsstreit mit dem Hersteller der zwei Holzstromvergaser. Man habe sich einst nach der Besichtigung einer laufenden Anlage in Schlüsselfeld (Lkr. Bamberg) für den Hersteller entschieden, weil er ein bisschen günstiger als zwei andere war, erklärt Heeschen. Was die Gössenheimer damals nicht wussten, war, dass die Anlage dort nur sehr kurz lief und der Betreiber ebenfalls inzwischen seit Jahren einen Rechtsstreit mit dem Hersteller hat, wie dieser bestätigt.
In Gössenheim sei die Anlage zur Stromerzeugung 2016 ein paar Monate gelaufen, aber mit der Zeit immer schlechter. Irgendwann sei der hineingesteckte Aufwand größer als die Stromausbeute gewesen. Weil der Anlagenbauer die Anlage nie ganz fertig gestellt habe, habe auch nie eine Abnahme stattgefunden, weswegen keine Ausfallversicherung greife.
Tausende Liter Holzteer mussten entsorgt werden
Bei einem Rundgang sieht man das Problem: "Teer an allen Ecken und Enden", so drückt es Heeschen aus. In den Motoren hätte der eigentlich nichts zu suchen gehabt, setzte aber die Zylinderköpfe zu. Nach dem Abstellen der Anlage sei er aus den Luftfiltern getropft. Rund 10 000 Liter stinkendes Teer-Wasser-Gemisch mussten teuer entsorgt werden.

Wie geht es weiter aus Sicht der Gössenheimer? Ein neuer, bereits bestellter Gutachter müsste nachweisen, dass die Motoren nicht wirtschaftlich instandzusetzen seien, dann müsste die Clearingstelle EEG in Berlin entscheiden, ob sie trotz neuer Motoren die zugesagte Einspeisevergütung erhalten. Heeschen: "Wir müssen irgendwie sicherstellen, dass wir die Sache überleben, bis wir Strom erzeugen oder Einnahmen erzielen können." Wenn die alte Anlage dereinst abbezahlt ist, sollen zunächst den Mitgliedern wieder Anteile abgekauft werden statt, wie ursprünglich geplant, den Preis für die Wärme zu senken. Eigentlich hätte sie schon kommendes Jahr abbezahlt sein sollen.
Bürgermeister Schäfer: "Ich denke, dass wir die Kuh vom Eis gebracht haben"
Die Genossenschaft ist froh, dass der Bürgermeister und die Gemeinde hinter ihr steht. Schäfer sagt: "Wir sind stolz auf das, was wir geschafft haben." Die Nahwärme-Genossenschaft sei ein Vorzeigeprojekt. "Ich denke, dass wir die Kuh vom Eis gebracht haben", sagt Bürgermeister Schäfer nach dem im Dezember unterschriebenen Sanierungskonzept – vorausgesetzt, die Zahlungen über die zusätzlich gezeichneten Anteile gingen auch ein. Ein Prüfer vom Genossenschaftsverband habe die Nahwärme-Genossenschaft zum Sanierungskonzept beglückwünscht, erzählt Aufsichtsrat Neumann.
Wenn die Bauhofkutsche hin ist und es nicht mehr rentiert, kommt doch auch was neues. Die 12ct versus 20 ct müsste man jetzt genau nachrechnen, aber aktuell siehts so aus, dass die Gier nach 8 ct eine Insolvenz zur Folge haben könnte.
Ist das Wirtschaftlichkeit oder Dummheit. Recht haben und Recht bekommen sind in diesem Staat zwei sehr unterschiedliche Dinge. Ich hab nix gesagt.
Pionierarbeit hat ihren Preis. Darüber sollte man sich im Vorfeld ganz genau im Klaren sein. Oder ein anderes Sprichwort: Sicherheit geht vor Schnelligkeit. Jetzt ist das Jammern und Klagen groß. Die Anlage diente nie zum Wohle der Bürger, sondern war für andere - für Politiker - eingerichtet worden. Merke: Hackschnitzel sind das Letzte!