Mit den Worten "Er ist mit dem Hinterrad zur Welt gekommen", beschreibt Katja Manger ihren Partner Klemens Baumann. Scherzhaft fügt sie noch hinzu, "ich glaube, wenn wir in der Stadt wohnen würde, wäre er Radkurier." Baumann, der in seiner Freizeit auch als Winter-Schneetourenleiter für den Deutschen Alpenverein in Main-Spessart tätig ist, sei schon immer sportlich aktiv gewesen. Doch erst nach einer Rücken-OP, habe er laut eigener Aussage angefangen "mehr und mehr Fahrrad zu fahren." Mittlerweile lege er alle Wege, egal ob zur Arbeit oder für Besorgungen auf dem Rad zurück.
Auslöser sei ein Bericht über den an Krebs erkrankten Oliver Trelenberg gewesen, der mit seiner Radtour quer durch Deutschland Spenden für schwerkranke Jugendliche sammelt und auch in Karlstadt Halt machte. "Da dachte ich mir, das finde ich cool, so eine Tour mache ich auch", sagt Baumann, "außerdem wollte ich mal sehen, an welche Länder wir überhaupt angrenzen." Gesagt getan: Auf dem heimischen Sofa habe er die Strecke mithilfe einer App geplant und beschlossen sich an den großen Flüssen zu orientieren, denn da "könne man sich nicht verfahren."
Rakotzbrücke, Fürst-Pückler-Park und Schloss Muskau begeisterten sie
Für die 5896 Kilometer benötigte er mit dem Rad rund 60 Tage. Eine Strecke, die er sich in den vergangenen vier Jahren auf sechs Etappen aufgeteilt hat. Im Schnitt sei er täglich 100 Kilometer in sechs Stunden geradelt. "Er ist immer dann gefahren, wenn mal Zeit war und es gepasst hat", erklärt Katja Manger, "und immer wieder mit dem Zug an den Ort gefahren, wo er aufgehört hatte." Vor allem seinen Sommerurlaub nutzte der ehemalige Bauarbeiter für die Radtour, die er mal alleine, mal gemeinsam mit seiner Partnerin bestritt. "Ich war meistens eine Woche im Jahr dabei", erklärt diese, "das war mein jährliches Geschenk an ihn, weil es ihn immer so freut, wenn ich dabei bin." Und ihr Partner bestätigt: "Zu zweit ist es schöner."
- 1. Etappe: Von Altfeld über Frankfurt, Trier und Aachen nach Gronau
- 2. Etappe: Von Gronau über Willhelmshafen nach Cuxhafen
- 3. Etappe: Von Glücksstadt über Sylt nach Flensburg
- 4. Etappe: Von Flensburg über Kiel, Rostock, Stralsund und Stettin nach Forst (Lausitz)
- 5. Etappe: Von Bad Spremberg nach Bad Muskau über die Böhmische Schweiz nach Dresden, Passau und Salzburg
- 6. Etappe: Von Kiefersfelden über Schaffhausen und Idar-Oberstein bis Hochheim bei Frankfurt
Baumann habe sich in erster Linie auf die Tour konzentriert, "ich wollte nur Rad fahren, das war das Ziel". Doch sobald seine Lebensgefährtin ihn begleitete, musste auch er sich einige Sehenswürdigkeiten anschauen. "Für Dresden haben wir uns einen Tag Zeit genommen, da waren wir noch nie und in Kiel haben wir uns die Gorch Fock angeschaut", schwärmt Katja Manger.
Begeistert waren sie auch von der Rakotzbrücke in Gablenz, die auch als "mythische Teufelsbrücke" bezeichnet wird, dem Fürst-Pückler-Park und Schloss Muskau. Beide sind sich aber einig, dass sie die schönsten Orte – Wasserfälle, abgelegene Landschaften oder Hütten am Wegesrand – nur durch Zufall entdeckten.
Radeln abseits der Touristenwege
Einheimische hat Baumann bei seiner Tour nur selten getroffen, wenn dann abends in der Pension. An ein lustiges Treffen kann er sich dann aber doch erinnern, denn er habe bei seiner Tour tatsächlich Oliver Trelenberg getroffen. "Ich habe zu ihm gesagt, 'du bist schuld, dass ich hier rumfahren muss'", erzählt der Sportler und fügt grinsend an, "das war gut." Gemeinsam hätten sie dann einen Kaffee getrunken und sich ein bisschen unterhalten. Auf den Radwegen, die direkt an der Grenze entlangführten, habe er hingegen kaum andere Radfahrer getroffen.
"Bei unserem Weg durch die böhmische Schweiz, dachten wir, der Wolf frisst uns. Da waren schon lange keine Menschen mehr unterwegs und ich musste immer an den Fernsehkrimi "Wolfsland" denken", erinnert sich seine Partnerin. Und weiter witzelt sie: "Von Tschechien zurück nach Deutschland habe ich irgendwann gezweifelt, ob wir das alles überleben." Andere Reisende und Einheimische hätten sie eher abends in den Pensionen kennengelernt. Deshalb wurde es auch zur Herausforderung, als das Paar einen platten Reifen hatte. "Da vergeht es einem", gesteht Manger, "und wenn es dann auch noch kalt ist und viel regnet, nimmt man sich am Abend ein Hotel mit Sauna."
Übernachten in "Draculas Villa"
Wenn der Schneetourenleiter allein unterwegs war, übernachtete er auch mal auf einem polnischen Campingplatz oder zeltete wild, verrät er im Gespräch. "Einmal habe ich meinen Geldbeutel verloren und dann hat jemand vor meinem Zelt meinen Namen gerufen", das fand der Radfahrer dann doch unheimlich. Seine Lebensgefährtin bemerkt: "Klemens vergisst überall Sachen, einmal hat er sogar sein Hörgerät verloren und nicht mehr wiedergefunden." Generell sei das Grenzgebiet laut dem Paar unerschlossen, sodass die Suche nach einer Unterkunft zur Herausforderung wurde, da viele Pensionen auch nicht im Internet auffindbar seien.
Doch eine Übernachtungsmöglichkeit ist ihnen ganz besonders in Erinnerung geblieben, weil sie das Paar an eine Villa erinnert hat, die auch Bram Stokers Dracula gehört haben könnte. "Von außen sind es oft Hotels, da würde man einfach vorbeilaufen und sich denken, 'nichts wie weg'", erzählen sie, "und dann ist man drinnen und denkt sich 'das ist ein Schuppen'. Das war dann ein riesen Herrenhaus und das muss man im Niemandsland erst einmal finden."
Nach dieser Tour hat er schon das nächste Projekt ins Auge gefasst: Baumann könne sich vorstellen das sogenannte grüne Band, sprich an der ehemaligen deutschen Grenze, entlang zu radeln. "Dann gibt es noch das europäische Band, das geht dann vom schwarzen Meer ans Nordkap", fügt er an.