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Gerolzhofen
Zehn Länder in zehn Tagen: Gerolzhöfer Rennradler erfüllt sich einen lange gehegten Traum
Gerald Schmidt ist leidenschaftlicher Radsportler. Im Sommer strampelte der 62-Jährige über die Alpen nach Italien. Wie er es schaffte, zehn Grenzen zu überqueren.
Während der Etappe des siebten Tags gönnte sich Gerald Schmidt die Zeit für eine Kaffeepause in Riva del Garda am Gardasee.
Foto: Mona Schmidt | Während der Etappe des siebten Tags gönnte sich Gerald Schmidt die Zeit für eine Kaffeepause in Riva del Garda am Gardasee.
Michael Mößlein
 |  aktualisiert: 08.02.2024 14:19 Uhr

Auf dem Sattel seines Rennrads fühlt sich Gerald Schmidt aus Gerolzhofen wohl. Auf ihm sitzt er fast jeden Tag und strampelt an die 50 Kilometer. Falls er nicht raus auf die Straße kommt, dann sitzt er daheim auf dem Sattel seines Hometrainers. Doch was der 62-Jährige in diesem Sommer geleistet hat, das ist selbst für den passionierten Radsportler eine große Nummer gewesen.

Ende Juni startete er mit seinem Rad, um in zehn Tagen durch zehn Länder zu fahren. Das Abenteuer war für ihn neu. Das Ziel seiner Reise dagegen kannte er bestens: In Riccione in Italien ist er schon zig Mal mit dem Rad gewesen.

Den Urlaubsort bei Rimini an der Adria-Küste besucht Schmidt seit rund 40 Jahren, jedes Jahr mindestens einmal. Nur in drei Jahren hat es nicht geklappt: in den beiden Jahren, in denen seine beiden Kinder zur Welt kamen, und während der Corona-Pandemie. Vor Ort wohnt der Gerolzhöfer immer im gleichen Hotel, einer besonders bei Radsportlern beliebten Unterkunft. Hotelchefin Marina Pasquini ist längst eine gute Freundin.

Nach einer Verletzung zum Radfahren gekommen

"Mit dem Rad bin ich das erste Mal im Jahr 2003 bis nach Riccione gefahren", erzählt Schmidt. Die laut Routenplaner gut 900 Kilometer sind für den durchtrainierten Schmidt kein größeres Problem. "Früher spielte ich Fußball. Nach einer Verletzung bin ich beim Radfahren gelandet", berichtet er zur Vorgeschichte.

Für das Jahr darauf hatte er sich einen etwas tollkühneren Plan: Er wollte mit dem Rad an zehn Tagen durch zehn Länder fahren. In Aachen ging's los – doch am dritten Tag war schon wieder Schluss. Wegen eines Unwetters, das ihn voll erwischt hat, musste Schmidt die Radreise abbrechen.

In den folgenden Jahren hat ihn die Idee von zehn Ländern in zehn Tagen zwar nie mehr losgelassen, doch anderes war wichtiger. Seine Familie und sein Job als Bankberater waren weitere Gründe, weshalb es vorerst bei der Idee blieb.

Geplant hat Gerald Schmidt die Tour schon vor 20 Jahren

Als er vor zwei Jahren, zu seinem 60. Geburtstag, nochmals innerhalb von fünf Tagen auf dem Rennrad nach Riccione fuhr, begleitete ihn seine Tochter Mona Schmidt mit dem Auto. Da drängte die alte Idee wieder nach vorne: Auf diese Weise, mit Begleitfahrzeug, wollte er die Zehn-Länder-Tour nochmals angehen. Dass sein Ruhestand nahte, beflügelte ihn zusätzlich, die Radreise während der folgenden beiden Jahre zu planen. Im Großen und Ganzen hielt er sich dabei an den Ablauf, den er fast 20 Jahre vorher schon geplant hatte.

Nach seiner Ankunft im Hotel in Riccione überreichte Hotelchefin Marina Pasquini Gerald Schmidt erst mal eine große Flasche Bier. Die beiden kennen sich seit vielen Jahren und sind befreundet.
Foto: Mona Schmidt | Nach seiner Ankunft im Hotel in Riccione überreichte Hotelchefin Marina Pasquini Gerald Schmidt erst mal eine große Flasche Bier. Die beiden kennen sich seit vielen Jahren und sind befreundet.

Start war wieder in Aachen, gerade noch in Deutschland. Am 23. Juni fuhr er von dort aus über die holländische Grenze, um gleich darauf nach Belgien zu fahren. "Nach fünf Kilometern bin ich schon durch drei Länder gefahren", beschreibt Schmidt den Beginn seiner Reise. Durch die Eifel ging's weiter nach Luxemburg (Land Nummer vier) und schließlich über die Grenze nach Frankreich (Nummer fünf). In Apach war Endstation des ersten Tages, nach 142 Kilometern im Sattel.

Bestelltes Rennrad wäre fast zu spät gekommen

Bis kurz vor Beginn seiner Reise hatte Schmidt noch gebangt, ob sein neues Rennrad rechtzeitig kommt. Dieses hatte er bereits ein Jahr zuvor bestellt, doch dann verzögerte sich die Lieferung. Er freute sich auf dieses Rad, weil es eine elektronische Schaltung hat – nicht aus Bequemlichkeit, sondern weil ihm wegen einer Armverletzung das manuelle Schalten schwerfällt. Und angesichts der bevorstehenden Mammut-Strecke war ihm dieses Hilfsmittel wichtig. Am Ende war das bestellte Rad gerade noch rechtzeitig geliefert worden.

Der zweite Tag der Tour führte ihn von Apach den Rhein entlang bis nach Straßburg und dann über den Strom nach Kehl, wieder in Deutschland. Das Wetter war an diesem Tag, an dem er 193 Kilometer fuhr: durchwachsen. Ein Lichtblick für Schmidt und seine Tochter im Begleitfahrzeug war, dass während der Etappe mit Pia und Manuel Schömig noch ein befreundetes Paar zum Begleittross hinzustieß.

Unterkunft wurde immer erst mittags festgemacht

Die Begleiter organisierten die Logistik. Dies lief während der Zehn-Tages-Tour laut Schmidt so ab, dass er sich jeden Mittag mit dem Begleitfahrzeug traf. Dann wurde das exakte Tagesziel ausgemacht und dann erst die jeweilige Unterkunft gebucht. Dies habe sich tadellos bewährt.

Tag drei fuhr Schmidt von Kehl den Rhein entlang Richtung Basel in der Schweiz (Land sechs). "Ich dachte mir, das wird ein lockeres Radeln entlang des Wassers", sagt Schmidt. Von wegen. Statt eines asphaltierten Radwegs war die Trasse eine Schotterpiste. So wurden die 140 Kilometer parallel zum Rhein auf dem Rennrad zur Tortur. Danach ging's besser voran. Nach insgesamt 211 Kilometern Tagesleistung erreichte der Gerolzhöfer Waldshut in Deutschland, das Ziel des dritten Tages. Dort stieß noch Thomas Bayer, der Freund seiner Tochter, hinzu. Das Team war jetzt vollzählig.

Vorbei an den Spuren eines nächtlichen Unwetters

Tags darauf lagen morgens Äste und teils ganze Bäume auf den Wegen. Nachts hatte ein Unwetter gewütet. Er ließ sich davon nicht abhalten und fuhr in Richtung Bodensee, auf der Schweizer Seite nach Konstanz, und machte machte dann einen Abstecher nach Liechtenstein (Land sieben). Weiter ging es nach Bludenz in Österreich (Land acht), der Endstation des vierten Tages, an dem Schmidt 180 Kilometer gefahren ist.

Ausgerechnet die vorgesehene 'Königsetappe' über die Hochalpenstraße am fünften Tag musste bei Regen und Gewitter wegen schlechter Sicht abgebrochen werden. Die Weiterfahrt wäre lebensgefährlich gewesen.
Foto: Gerald Schmidt | Ausgerechnet die vorgesehene "Königsetappe" über die Hochalpenstraße am fünften Tag musste bei Regen und Gewitter wegen schlechter Sicht abgebrochen werden. Die Weiterfahrt wäre lebensgefährlich gewesen.

Tag fünf sollte eigentlich zur "Königsetappe" der gesamten Radreise werden: Von Bludenz aus über die Hochalpenstraße. Doch an diesem Tag zogen bereits morgens Gewitter auf. "Die Sicht betrug 30 Meter, es war, als wenn du in eine Wolkenwand fährst", beschreibt Schmidt die graue Suppe, die ihn statt Bergpanorama erwartete. "Die Fahrt runter nach Ischgl wäre unter normalen Umständen traumhaft geworden, doch bei einem solchen Wetter lebensgefährlich." Deshalb brach er die Fahrt auf dem Rad nach 34 Kilometern ab. Mit dem Auto fuhren sie nach Pfunds, dem Tagesziel.

Böllerschützen wecken das Tal auf

Von dort aus führte die Route tags darauf 151 Kilometer weit nach Leifers in Italien (Land neun). Am Morgen gab es noch eine Schrecksekunde: Plötzlich schepperten drei Donnerschläge durchs Tal. Schmidt dachte sofort ans nächste Gewitter. Doch Gottseidank waren es nur Böllerschützen, die morgens um sechs das Kirchenfest Peter und Paul einläuteten. Dafür entschädigte die folgende Etappe (Schmidt: "absolut traumhaft") über den kühlen Reschenpass nach Meran in Südtirol. "Ab hier war das Wetter dann auch klasse, fast schon zu heiß", erinnert sich Schmidt.

Der siebte Tag sollte eigentlich von Leifers aus auf einem Radweg um den halben Gardasee herum führen. Doch der geplante Radweg war gesperrt. Die Alternative, auf der Straße zu fahren, wurde bereits nach dem ersten Tunnel als Himmelfahrtskommando abgehakt: Als "lebensgefährlich" stuft Schmidt die Fahrt durch den engen Tunnel ein. Und das war nur der erste von über 70 Tunneln, die auf der Strecke gelegen hätten. Gezwungenermaßen stieg er also nach knapp 60 Kilometern auf dem Rad ins Auto ein. Der Tag endete 159 Kilometer weiter in Garda.

Temperaturen klettern auf über 40 Grad

Tag acht brachte auf der Strecke nach Sermide wenig Abwechslung, was die Landschaft angeht. Als "eine trostlose Gegend" beschreibt Schmidt das, was ihn da bei Temperaturen von 40 Grad in der Mittagszeit erwartete. Nach 113 Kilometern erreichte er die Unterkunft, die er von früher her kannte, und wo er sich einen halben Tag zum Ausruhen gönnte.

"Ich bin eher der Typ, der das nochmals wiederholen möchte."
Gerald Schmidt

Am neunten Tag ging es von Sermide nach San Marino. Mit dem Besuch des Zwergstaats hatte er sein Ziel, zehn Länder abzuklappern, erreicht. Gluthitze von über 40 Grad begleitete ihn den ganzen Tag. "Bloß nicht vom Rad steigen", lautete das Motto. Zu sehen gab es im italienischen Hinterland eh nicht viel, meint Schmidt, so dass er die 197 Kilometer an diesem Tag stramm durchradelte.

Der zehnte und letzte Tag war dann quasi ein bequemes Ausradeln: Von San Marino nach Riccione hatte er lediglich 28 Kilometer vor sich. 

Über 1400 Kilometer und über 8000 Höhenmeter

Alles in allem fuhr Schmidt während der zehn Tage nach eigenen Angaben 1408 Kilometer und bewältigte auf dieser Strecke 8250 Höhenmeter. Zusammengezählt 88 Stunden verbrachte er auf dem Sattel seines Rennrads.

Gerald Schmidt (Zweiter von rechts) zusammen mit seinem Unterstützterteam und einem befreundeten Paar nach der Ankunft im Hotel in Riccione. Mit im Bild (von links) Pia Schömig, Manuel Schömig, Jürgen Trotzko, Susi Trotzko, Thomas Bayer, Hotelchefin Marina Pasquini und Mona Schmidt.
Foto: Schmidt | Gerald Schmidt (Zweiter von rechts) zusammen mit seinem Unterstützterteam und einem befreundeten Paar nach der Ankunft im Hotel in Riccione.

"Ich habe das jetzt zwar geschafft, aber ich bin eher der Typ, der das nochmals wiederholen möchte", lautet Schmidts Antwort auf die Frage, ob's das jetzt war mit seinen Mammut-Radtouren. Solange er merke, dass ihm das Radfahren gesundheitlich gut tut, möchte er gerne daran festhalten, weiter auch solche Strecken zu fahren – allerdings nur mit Begleittross, der sich um das Organisatorische einer solchen Reise kümmert. Hierfür ist er seiner Tochter und den drei weiteren Begleitern sehr dankbar.  

Und bis es wieder soweit ist, dass Schmidt seinen Drahtesel zum großen Ausritt sattelt, kann er von diesem Sommer zehren. "Ich habe während der zehn Tage so viel erlebt, dass ich noch viel zu verarbeiten habe", sagt er und ist zufrieden –  bis auf Weiteres.

 
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  • J. S.
    Schleicher der Marathonmann
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    • Antworten
  • I. W.
    Tolle Leistung!
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