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Schöllkrippen
Heftige Vorwürfe: Schulleiter schreiben Brandbrief an Kultusminister Piazolo
Zu viele Schnellschüsse, zu kurzfristige Dienstanweisungen, extreme Praxisferne: Bayerns Schulleiter fühlen sich überlastet und laufen jetzt Sturm.
Kultusminister Michael Piazolo – hier bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts am 21. September – steht  unter Druck. Bayerische Schulleiter wenden sich in einem Brandbrief gegen ihn. 
Foto: Sven Hoppe, dpa | Kultusminister Michael Piazolo – hier bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts am 21. September – steht  unter Druck. Bayerische Schulleiter wenden sich in einem Brandbrief gegen ihn. 
Gisela Rauch
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:27 Uhr

In dieser Woche erst hat Bayerns Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) gegenüber der Presse von einem "weitgehend reibungslosen Schulstart" berichtet. Bayerns Schulleiter sehen dies aber vollkommen anders. In einem "Brandbrief" macht der Bayerische Schulleitungsverband, der Rektorinnen und Rektoren bayerischer Grund-, Mittel- und Förderschulen vertritt, dem Minister heftige Vorwürfe: Die Hoffnung der Schulleitungen, nach einem extrem belasteten Corona-Schuljahr  in normaleren Bahnen starten zu können, habe sich bereits jetzt in Luft aufgelöst, heißt es.

Verbandsvorsitzende Mischko: "Uns bleibt die Spucke weg!" 

Wie im vergangenen Schuljahr auch jage ein kultusministerielles Schreiben das nächste, ein Schnellschuss den anderen – und Zeit zum Lesen und zum Umsetzen der oft umfangreichen Anweisungen werde nicht gewährt. 

"Nach 1,5 Jahren Pandemie gibt es von Seiten Ihres Ministeriums noch immer keine klare Planungssicherheit, keine Zuverlässigkeit, keine stringente Kommunikation mit Ihren Schulleitern", klagt Verbandsvorsitzende Cäcilia Mischko im Namen der bayerischen Schulleiter. "Uns bleibt buchstäblich die Spucke weg!"

Auch deutliche Kritik aus Unterfranken

Einer der vielen Schulleiter, die den Brandbrief "zu 100 Prozent voll inhaltlich unterschreiben würden", ist Harald Scherg. Im fünften Jahr leitet Scherg die Mittelschule Schöllkrippen (Kreis Aschaffenburg) mit 365 Schülern in 19 Klassen. "Ich mag meine Schüler und ich mag meine Arbeit", betont Scherg. Aber derzeit zwinge seine Funktion als Schulleiter ihn, den ganzen Tag zu arbeiten und trotzdem sei er spätabends noch nicht fertig mit seinen Aufgaben.

Mitte September hat an den bayerischen Schulen wieder der Unterricht begonnen. Doch der Start läuft nach Sicht der Schulleiter alles andere als reibungslos.
Foto: Sven Hoppe, dpa | Mitte September hat an den bayerischen Schulen wieder der Unterricht begonnen. Doch der Start läuft nach Sicht der Schulleiter alles andere als reibungslos.

Er habe gerade zwölf neue Kollegen bekommen, die stünden jeden Morgen da "mit Fragezeichen im Gesicht", er müsse sie eigentlich einweisen. Gleichzeitig solle er zum Schulbeginn neue Brückenkurse für Schüler mit Defiziten organisieren, abfragen, welche Schüler dafür geeignet seien, dafür die Zustimmung der Eltern einholen und zudem in Zeiten des Lehrermangels dafür Personal organisieren. Zudem stehe er als Mittelschulleiter in der Pflicht, den Impfstatus seiner Schüler abzufragen und selbständig Schülerimpfungen zu organisieren, etwa durch Buchung eines Impfbusses.

Neues Projektfach "Alltagskompetenzen" wird in Frage gestellt

Damit nicht genug: Zusätzlich sei vom Ministerium die Anweisung gekommen, ein neues Projektfach namens "Alltagskompetenzen" für eine gesamte Klassenstufe zu organisieren; dafür müssten aber erst mal rund 50 Seiten Anweisungen durchgelesen werden, berichtet Scherg.

Auch im Brandbrief ist die Vorgabe von Minister Piazolo, ein neues Fach zu installieren, der Autorin Mischko einen Aufschrei wert: "Meinen Sie wirklich, jetzt ist der richtige Zeitpunkt noch etwas Neues in den Schulen zu installieren? Sollen Schulen tatsächlich dafür nun Zeit und personelle Ressourcen aufbrauchen, wo es an allen Ecken und Enden brennt?"

Schulleiter: Ministerium weiß nicht, "wie wir hier auf dem Land Schule machen müssen".

"Ich glaube, dass im Ministerium totale Unklarheit darüber besteht, wie wir hier auf dem Land Schule machen müssen", kritisiert ein unterfränkischer Grundschulrektor, der aus Angst vor Sanktionen lieber anonym bleiben möchte. "Ist dort nicht klar, dass Rektoren von kleinen Grundschulen die Schulleitung neben ihrer Lehrertätigkeit machen, dass sie zu rund 80 Prozent unterrichten und nur 20 Prozent ihres Zeitbudgets für die Verwaltung übrig haben? Ist denen nicht klar, dass es kleine Schulen gibt ohne Schulsekretärin? Offenbar nicht –denn sonst würde uns das Ministerium nicht genauso viele Anweisungen schicken wie einem großen Gymnasium mit einem gut besetzten Sekretariat!"

Auch die Organisation der sogenannten 'Lolli-Tests' gehört zum Aufgabenbereich vieler Schulleiter. 
Foto: Silvia Gralla | Auch die Organisation der sogenannten "Lolli-Tests" gehört zum Aufgabenbereich vieler Schulleiter. 

Was diesen Rektor besonders erzürnt hat, waren die ministeriellen Anweisungen zu den Pooltests in Grundschulen: "Die Anweisungen aus dem Ministerium kamen zu spät und waren kompliziert; der Start zum gewünschten Termin war einfach nicht umsetzbar." 

Bayerns Schulleiter: Poolsoftware des Ministeriums für Abstürze anfällig

Die überstürzte Einführung der Pooltests haben auch Würzburger Schulleiter bereits kritisiert: Grundschulleiterin Martina Rothmund von der Grundschule aus dem Würzburger Stadtteil Versbach etwa und etliche ihrer Kollegen berichteten von "enormem bürokratischen Aufwand" und "Problemen bei der Anmeldung" im Portal des Ministeriums. Laut Brandbrief-Unterzeichnerin Cäcilia Mischko hätte man den Druck auf die Schulleiter herausnehmen können, wenn das Ministerium den Schulen für die Einführung der Pooltests mehr Zeit gegeben hätte: Schließlich hätten die Schulen noch genügend Selbsttests für viele Wochen eingelagert.

"Und der Witz an der Sache ist, dass wir mit der ministeriellen Pooltest-Software das gleiche Problem haben wie zuvor mit der Lernplattform Mebis", berichten hinter vorgehaltener Hand unterfränkische Schulchefs. "Weil alle Lehrkräfte zur gleichen Zeit drauf zugreifen müssen, um die Testdaten einzugeben, stürzt die Software aktuell oft ab", heißt es. Unterricht zu halten, gleichzeitig Pooltestdaten einzugeben und dabei mit der Software herumzukämpfen, sei Wahnsinn. Am Dienstag dieser Woche musste Minister Piazolo gegenüber Journalisten zugeben, dass erst an einem Drittel der bayerischen Grundschulen die Pooltests funktionierten. 

GEW und BLLV kritisieren Hektik, Druck und Ärger zum Schulstart

Nicht nur der Schulleitungsverband, sondern auch der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV) sowie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) lassen aktuell an Kultusminister Piazolo kein gutes Haar. "Die Pool-Tests haben bisher nur für Ärger und Unmut gesorgt und auch bei den Luftfilteranlagen gibt es wenig Positives", kritisiert die Vorsitzende der GEW Bayern, Martina Borgendale. "Wir wollen Schule live und sicher. So kann sie aber nicht starten: Mit Hektik, mit riesigem Druck und mit einem Organisationswahnsinn, der nicht zu stemmen ist", erklärt auch BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann.

Ministerium sieht Pooltests als Projekt, dessen Mehrwert der Schulfamilie zu Gute kommt

Was sagt der Minister selbst zur flehentlichen Bitte der Schulleiter, "das Tempo Ihrer fulminanten Anweisungen endlich zu drosseln"? Seit Beginn der Pandemie werde "die gesamte Schulfamilie immer wieder mit neuen Herausforderungen konfrontiert", kommt die Antwort aus der Ministeriumspressestelle in München. Die Dynamik werde dabei durch den Verlauf der Pandemie vorgegeben. Die Einführung der Pooltestungen sei ein ambitioniertes Projekt, dessen Mehrwert jedoch der gesamten Schulfamilie zu Gute komme. Und das Projekt "Alltagskompetenzen" sei für Schulen "nicht gänzlich neu". Es sei bereits im Januar 2020 vorgestellt, dann aber wegen Corona verschoben worden.

Auf die Frage dieser Redaktion, ob Piazolo auf den Brandbrief der Schulleiter antworten werde, erklärte ein Sprecher, der Minister stehe "im regelmäßigen Austausch mit der Schulfamilie".

 
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  • pacemakerwv
    Das hat sich dann am Sonntagabend erledigt. Hilft aber den Schülern leider nicht kurzfristig.
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  • christian@kreatil.de
    Wieso, ich dachte nur der Bundestag wird neu gewählt?
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  • gsunder-menschenverstand
    Am Sonntag sind Bundestagswahlen, die Schulen sind aber Ländersache.
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  • holle4es
    Ist denn auch Landtagswahl?
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  • Lebenhan1965
    Da ändert sich nach der Bundestagswahl

    leider nichts.

    Der bayrische Kultusminister ist davon unabhängig vermutlich bis zur nächsten Landtagswahl im Amt.
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  • FlyByNight
    @Lebenhan, läuft da nicht was im Oktober? oder hat das eh keine Chance?
    Wird das unter Querdenker Regie laufen?
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  • Lebenhan1965
    @ Flybynight

    Das ist eine Phantasterei der "Leerdenker", ohne wirkliche Basis in der Realität, wie so vieles was diese Hohlköpfe so absondern
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  • al-holler@t-online.de
    wieso, wählen wir da auch einen neuen Landtag? oder ham se dafür eine Wahlbenachrichtigung erhalten?
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  • r.kerber@web.de
    Erschreckend! Aber das Bildungsniveau scheint wie hier sehr weit verbreitet nicht besonders hoch zu sein. Auf so einem Boden lässt es sich mit Angstmachenden Meldungen und Horrorszenarien gut regieren. Der Durchschnittmichel scheint oft gar nicht zu verstehen, um was es geht. Da reichen dann ein paar nackte Zahlen, unterlegt mit ein paar Bildern. Tatsächlich Fakten kommen nicht an und würden sehr wahrscheinlich auch gar nicht verstanden werden.
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  • Lebenhan1965
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
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  • Lebenhan1965
    @ ak24

    Sie haben Recht, es ist erschreckend, wie schlecht unser Bildungsniveau geworden ist.

    Die Anführer der "Quarkdenker" können mit unbegründeten und völlig sinnfreien Äußerungen Menschen aufwiegeln und kassieren von ihren Fans ja sogar noch "Schenkungen" um sich selbst ein sorgenfreies Leben zu gönnen.

    Darüber hinaus schüren Ballweg und Co Hass und Hetze deren schlimmste Auswirkung wir gerade in dem Mord an der Tankstelle erlebt haben.

    Die Regierung kommt mit Vernunft und Wahrheit ja gar nicht mehr durch weil dumme und unbegründete Stimmungsmache einen Großteil der Bürger mit Unwahrheiten und Halbwissen der "YouTube und Google Universität" dumm hält. Mit so einem Bruchteil an Wissen fühlen sich dann die Anhänger und Mitläufer der "Leerdenker" den wirklichen Fachleuten überlegen.

    Oh Herr lass Hirn regnen, kann man da nur beten.
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  • nancarrow
    Dieser Minister gehört zurückgetreten! Permanente überhebliche Fehleinschätzungen der Selbstwahrnehmung und der – nur eingebildeten – Fach-Kompetenz.
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  • deweka
    Einbildung ist auch eine Bildung.
    Bei vielen Politikern ist es die Einzige.
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  • Lebenhan1965
    @ deweka

    Aber vor allem bei den "Leerdenkern".
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  • popp.58
    Piazolo ist der miserabelste KM, den Bayern jemals hatte.
    Nichts, aber gar nichts funktioniert
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  • ChrisZ
    Und das will etwas heißen, bei der Auswahl an Vorgängern.
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  • awounterfranken
    Hat lange gedauert. Habe mit so einer Reaktion bereits im Frühjahr gerechnet.
    Die Regierenden aus München stellen sich halt immer hin, was sie für tolle Hechte sind und dass alles super läuft. Was die Basis dazu sagt, juckt eh net.
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  • holle4es
    So wie sein Chef die erwachsenen Bayern alle vier Wochen mit neuen Regeln "überrascht" ohne langfristige, planbare Strategie, so machts der Herr Minister offensichtlich auch mit seinen Untergebenen.
    Ein kinderloser Jurist ist ja auch prädestiniert für solch einen Posten...
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  • 1958kosb
    H. Piazolo geht wahrscheinlich der Brief gelinde gesagt am A.... vorbei. Er weis schon seit dem Frühjahr das er eh nicht mehr gewählt wird.
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  • 1958kosb
    Ist mir sehr wohl bewusst, und er wird es bis 2023 aussitzen.
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