
Aus allen Nähten ist am Donnerstagabend der Himmelstadter Sitzungssaal im Rathaus geplatzt. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger waren zur Gemeinderatssitzung gekommen, um sich über das weitere Vorgehen in Bezug auf die geplante Teil-Gemeinschaftsunterkunft für bis zu 100 Geflüchtete im Gewerbegebiet zu informieren.
Die Stimmung war aufgeheizt, zahlreiche Zwischenrufe und -fragen machten deutlich, wie sehr das Thema den 1600-Einwohner-Ort bewegt. Anwältin Kathrin Schilling erläuterte die Rechtslage und die nächsten Schritte – und dämpfte die Erwartungen zumindest teilweise. Der Gemeinderat hielt einstimmig an seiner ablehnenden Haltung in Bezug auf den Bauantrag fest und erntete dafür viel Applaus. Die Anwältin wird dem Landratsamt nun bis 16. Februar schriftlich alle Gegenargumente präsentieren. Zudem wurde beschlossen, dass es bald eine Informationsveranstaltung geben soll.
Landratsamt könnte das gemeindliche Einvernehmen ersetzen
Bereits im Dezember hatte das Gremium den Bauantrag für sechs zweigeschossige Gebäude in Modulbauweise und ein Verwaltungsgebäude in gleicher Bauart sowie Garagen, einen Müllplatz und Stellplätze in der Daimlerstraße 9 abgelehnt. Die Pläne würden den Festsetzungen des Bebauungsplans zur baulichen Nutzung widersprechen. Außerdem wies die Gemeinde auf Formfehler hin. Antragsteller sind zwei private Investoren, betrieben werden soll die Unterkunft von der Regierung von Unterfranken. Die Laufzeit soll zunächst sieben Jahre betragen, eine Verlängerung ist möglich.
Die Untere Bauaufsichtsbehörde am Landratsamt Main-Spessart hat auf den abgelehnten Bauantrag reagiert: Sie vertritt eine andere Rechtsansicht und beabsichtigt, das Vorhaben zu genehmigen, sollte die Gemeinde bis 16. Februar den bestehenden Beschluss nicht aufheben oder nochmal über das Gesuch entscheiden. Die Behörde bezieht sich dabei auf den Paragraph 246 des Baugesetzbuches, in dem geregelt ist, dass von Vorschriften "in erforderlichem Umfang" abgewichen werden kann, wenn Geflüchtetenunterkünfte dringend benötigt werden.
Für Flüchtlingsunterkünfte gelten Sonderregelungen
Der Gemeinderat hatte im Dezember zudem die dritte Änderung des Bebauungsplans "Gewerbegebiet an der B27" und eine Veränderungssperre beschlossen: Unter anderem die soziale und gesundheitliche Nutzung soll hier künftig nicht mehr möglich sein. Der begrenzte Platz soll für Gewerbe genutzt werden. Dies würde auch für den zuvor gestellten Bauantrag gelten, sagte Schilling nun. Der "spontane Wechsel der Rechtsgrundlage" habe beim Landratsamt für Unverständnis gesorgt.
Bislang seien Unterkünfte für Geflüchtete als "Anlagen für soziale Zwecke" nur in bestimmten Baugebieten und unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt gewesen. Der Gesetzgeber habe aber mit dem Paragraphen 246 Sonderregelungen erlassen, so Schilling. Demnach ist es erlaubt, Flüchtlingsunterkünfte in Gewerbegebieten zu bauen, wenn in der betroffenen Gemeinde ein dringender Bedarf besteht, das Vorhaben unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit öffentlichen Belangen vereinbar ist und wenn an dem Standort Anlagen für soziale Zwecke als Ausnahme zugelassen werden können. Das Landratsamt sehe diese Voraussetzungen erfüllt, so Schilling.
Es gibt bislang keine Vorgabe, wie viele Geflüchtete Himmelstadt aufnehmen muss
Durch die erlassene Veränderungssperre könnten sich die privaten Investoren nun aber nicht mehr auf die letzten beiden Punkte beziehen. Ob es in Himmelstadt einen dringenden Bedarf für eine Geflüchtetenunterkunft gibt, sei nicht so leicht zu beantworten. In Bayern werde nicht geregelt, wie viele Geflüchtete eine Gemeinde aufnehmen muss. Die Entscheidung liege bei den Landratsämtern, sagte Schilling. Diese würden bei der Verteilung nach Synergieeffekten, etwa nach verfügbaren Schul- und Kitaplätzen, schauen. Diese seien in Himmelstadt jetzt schon belegt.
"Wir wissen bislang nicht, wie viele Flüchtlinge Himmelstadt aufnehmen soll oder muss", so Schilling. Man erwarte darauf eine Antwort vom Landratsamt. Vorher sei nicht klar, wie hoch der Bedarf tatsächlich ist. Die Gemeinde sehe jedoch keinen Bedarf für bis zu 100 Geflüchtete im Gewerbegebiet.
Schilling plädierte für eine Verteilung, die sich nach der Einwohnerzahl und besonderen Begebenheiten richtet. Die genannte Zahl könne sie nach diesen Gesichtspunkten nicht nachvollziehen. "Ich wüsste nicht, was eine Abweichung nach oben für Himmelstadt rechtfertigen würde. Wir können dem Bauantrag tragfähige Argumente entgegenhalten." Überzeugt werden müsse auch die Regierung von Unterfranken als Verfahrensleiterin, sagte Schilling.
Die Anwältin machte jedoch klar, dass dem Landratsamt im Gegenzug konkrete Brachflächen oder unbewohnte Gebäude im Gemeindegebiet angeboten werden müssten, die zur Unterbringung von Geflüchteten zur Verfügung stehen. Unter Vorbehalt einer weiteren Klärung, betonte Schilling. Denn die Gemeinden seien verpflichtet, an der Unterbringung von Geflüchteten mitzuwirken. "Es gibt da Möglichkeiten, wir haben das zusammengetragen." Etwa die gemeindliche Fläche im Bereich "Fuhrgärtlein". Bislang sei die Gemeinde noch nicht aufgefordert worden, Alternativgrundstücke zu benennen, so der Bürgermeister. Dies sei der nächste Schritt.
Rechtliche Schritte würden langen Zeitraum in Anspruch nehmen
Michael Radke (Neue Liste) wollte wissen, welche rechtlichen Schritte die Gemeinde einleiten könnte, wenn das Landratsamt trotz guter Gegenargumente sein Einverständnis zum Bauantrag erteilt. Schilling sagte, es gebe hierzu bislang noch keine Präzedenzfälle. Es käme jedoch eine Anfechtungsklage in Frage. Unter einem Jahr sei das aber schwierig und: Die Investoren könnten trotzdem auf eigenes Risiko mit dem Bau beginnen. Zusätzlich müsste also per Eilantrag ein Baustopp beantragt werden. Ein Prozess könne durchaus eineinhalb bis zwei Jahre dauern.
Wolfgang Kübert (parteilos) wollte wissen, ob die Gemeinde Flächen für die genannten 100 Geflüchteten anbieten müsse. Laut Regierung lohnt sich eine Unterkunft erst ab einer Belegung von 75 Personen. "Das ist aber doch nicht unsere Sorge." Schilling wies erneut darauf hin, dass der Bedarf für Himmelstadt nicht klar sei. Entweder richte sich das Angebot danach, oder die Gemeinde gebe mit, wie viele Menschen dort unterkommen könnten.
"Es geht hier nicht um Menschen, sondern um Wirtschaftlichkeit", kritisierte Marcus Hilpert (CSU). "Die aktuelle Regierung hat diese Gesetze geschnürt, die Himmelstadt jetzt das Wasser abgraben." Mit dem geplanten Vorgehen könne die Gemeinde das Vorhaben eventuell bis zu einer Gesetzesänderung durch eine neue Regierung hinauszögern.
Ein Bürgerentscheid ist nicht möglich, es wird aber eine Diskussionsveranstaltung geben
Kübert beantragte zudem zu prüfen, ob ein Bürgerentscheid über den Bau einer Flüchtlingsunterkunft durchgeführt werden könne, um das Stimmungsbild abzufragen. Da es sich beim Bauantrag nicht um eine Angelegenheit der Gemeinde handele, sei dies rechtlich nicht möglich, sagte Bürgermeister Herbert Hemmelmann (CSU). Jedoch könne eine Bürgerinitiative gegründet werden. Hilpert sagte an die Zuhörerinnen und Zuhörer gewandt: "Leute, geht auf die Barrikaden und protestiert!" Der Bürgermeister verwies zudem auf die Bürgerversammlung am 20. März.
Auf einen weiteren Antrag von Wolfgang Kübert hin wird es zudem baldmöglich eine Infoveranstaltung geben. "Man sieht, dass die Bevölkerung Interesse hat, wir sollten nicht warten, bis der Bauantrag durch ist." Dazu sollen auch Politikerinnen und Politiker sowie Vertreter der zuständigen Behörden eingeladen werden.
wenn ihnen "neue Mitarbeiter"
direkt vor die Nase gesetzt werden...
kein Wunder das so eine Bombenstimmung im Land ist!