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Gambach
"Feuerwehr an allen Fronten": Käfer, Zukunftsbäume und absterbende Kiefern sorgen für Arbeit im Gambacher Forst
Im Stadtteilwald gibt es großflächige Kahlschläge aufgrund des Käfers. Der Befall wirkt sich auf den Brennholzverkauf aus. Auch das Kiefersterben beeinflusst das Angebot auf dem Holzmarkt.
Claudia Stiglbrunner (Zweite von rechts) und Christoph Kirchner (links) erklären die Vorgehensweise mit ausgewählten Douglasien. Die sogenannten Zukunftsbäume oder Z-Bäume werden mit blauer Farbe markiert.
Foto: Felix Hüsch | Claudia Stiglbrunner (Zweite von rechts) und Christoph Kirchner (links) erklären die Vorgehensweise mit ausgewählten Douglasien. Die sogenannten Zukunftsbäume oder Z-Bäume werden mit blauer Farbe markiert.
Felix Hüsch
 |  aktualisiert: 17.04.2024 02:48 Uhr

Der Klimawandel macht allen Wäldern zu schaffen – auch im Karlstadter Beritt. Im Stadtteilwald Gambach spiele man aktuell "an vielen Fronten gleichzeitig Feuerwehr", wie Claudia Stiglbrunner, die Leiterin des Forstreviers in Karlstadt, es formuliert. Gemeinsam mit Christoph Kirchner, dem Abteilungsleiter am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, zeigte sie den Mitgliedern des Bau-, Umwelt-, Land- und Forstwirtschaftsausschusses sowie weiteren interessierten Bürgern am Dienstag die größten Baustellen im Gambacher Forst.

Den Eichenpracht- und Eichenkernkäfer stellte Stiglbrunner dem Gremium bereits beim Rückblick auf das Forstbetriebsjahr Ende Februar vor. Die Folgen des Befalls offenbart der größte Kahlschlag im Stadtteilwald, auf dem die Begehung startete. "Insgesamt haben wir in Gambach etwa 600 Festmeter Schadholz", sagt die Försterin.  

Eichenprachtkäfer befällt vorgeschädigte Bäume

Ein Großteil davon ist auf den in Europa heimischen Eichenprachtkäfer zurückzuführen, der vor allem vorgeschädigte Bäume befällt und relativ schnell umbringt. Der durch den Klimawandel verursachte Trockenstress infolge des Wassermangels schwächt die Bäume und macht sie leichter angreifbar für tierische Schädlinge. Sie haben sozusagen ein geschwächtes Immunsystem, erklärt Kirchner. 

Dann können die Käfer sich ins gemachte Nest setzen und fangen in der Krone an, das Gewebe zwischen Rinde und Holz zu zerfressen. Sie arbeiten sich am Stamm entlang nach unten und verlassen den Baum durch ovale Ausbohrlöcher wieder. Wird der Eichenprachtkäfer zu spät erkannt, kommt der Eichenkernkäfer dazu, der sich auch in den Stamm frisst.

"Spätestens wenn wir sehen, dass der Specht aktiv war, um nach Larven zu picken, wissen wir, dass ein Baum vom Käfer befallen ist und entfernt werden muss", sagt Stiglbrunner. Das Holz muss dann aus dem Wald gebracht werden, um den Befallsdruck vom Bestand zu nehmen. Der Käfer fliegt normalerweise im zweiten Jahr aus.

Insgesamt verursachte der Käferbefall etwa 600 Festmeter Schadholz im Gambacher Wald. Die größte Kahlfläche (Foto) besteht im Gebiet 'Tongrube'.
Foto: Felix Hüsch | Insgesamt verursachte der Käferbefall etwa 600 Festmeter Schadholz im Gambacher Wald. Die größte Kahlfläche (Foto) besteht im Gebiet "Tongrube".

Käfer kann vom Brennholz zurück in den Wald

Warum das Brennholz nicht trotzdem an Gambacher Bürger verkauft wird? "Der Käfer kann etwa 500 Meter weit fliegen. Von der Gambacher Ortsmitte aus kommen wir bis zum nächsten Waldrand nicht auf diese Entfernung. Er würde es also beim Ausfliegen wieder in den Wald schaffen", erklärt Stiglbrunner. Verkauft wurde aus diesem Grund nur an die Industrie.

Die größeren Kahlflächen sollen bald neu aufgeforstet werden. Der Revierleiterin schweben alternative Arten wie eine Traubeneiche aus Frankreich, Zerreichen oder Flaumeichen vor. "Das wäre dann ein Schmackofatz für Rehe, weshalb wir das Gelände einzäunen müssten", meint Stiglbrunner.

Zukunftsbaum Douglasie als Bauholz-Alternative

Weniger kahl, aber durchaus licht im Bereich der Kronen ist der Wald bei der zweiten Station der Waldbegehung im Gebiet "Bauholz". "Ich habe das Gefühl, als ich vor etwa zwanzig Jahren hier angefangen habe, waren die Kronen deutlich dichter", erinnert sich Kirchner und blickt den Stamm einer gut 30 Meter hohen Douglasie empor. Die Kieferngewächse gelten aufgrund ihrer klimatischen Anpassungsfähigkeit als Zukunftsbäume und werden vom Karlstadter Forstpersonal als solche gekennzeichnet. 

"Wir haben die schön gewachsenen Douglasien mit blauen Strichen markiert. Das ist der Bestand, den wir schützen wollen. Sie sollen bis zu 60 Zentimeter im Durchmesser dick werden und eine große Krone ausbilden", schildert Stiglbrunner ihre Pläne. Im Umkreis der Douglasien bedeutet das, stellenweise Bäume zu entnehmen, damit die Zukunftsbäume genügend Platz zum Wachsen haben. 

Zwar ist die Eiche deutlich teurer als die Douglasie, die Kieferngewächse aber wachsen schneller und eignen sich in Zukunft – alternativ zur Fichte – gut als Bauholz. Trotzdem ist auch die Douglasie kein Selbstläufer, sagt Stiglbrunner: "Sie hat auch mit dem Klimawandel zu kämpfen. Der Kupferstecher, eine Art des Borkenkäfers, war schon drin und manche haben eine schüttere Krone, die durch einen Pilz verursacht wird."

Fast alle Ausschussmitglieder sowie weitere Interessierte nahmen an der Waldbegehung in Gambach teil.
Foto: Felix Hüsch | Fast alle Ausschussmitglieder sowie weitere Interessierte nahmen an der Waldbegehung in Gambach teil.

Kiefern sind vom Klima überfordert

Wirklich schlecht steht es zurzeit um die Kiefern im Bereich "Eichenhecken". Diese kommen, wie Kirchner erklärt, in der hiesigen Region an ihre Verbreitungsgrenze, da es viel wärmer ist als in ihrer Heimat. Die Kiefer kommt eigentlich aus dem borealen Nadelwald, südlich von der polaren und gänzlich baumlosen Tundra, sagt er. 

Die Folge dieses Klimaschocks ist in Gambach nicht zu übersehen. Viele der Nadelbäume verlieren ihre Rinde und haben keine Nadeln mehr. Vom Forstweg aus sieht man haufenweise geschädigte Kiefern auf kleinstem Raum. Stiglbrunner erzählt, dass einige der Bäume bis vor kurzem noch schöne Kronen hatten, die jetzt auf einen Schlag weg sind. Eigentlich wollte sie in diesem Bereich viel später durchforsten, sehe sich aber jetzt dazu gezwungen. 

"Die Kiefer stirbt, die Buche hat Trockenschäden, die Eiche hat den Prachtkäfer, der Ahorn hat die Rußrindenkrankheit, die Esche hat das Eschentriebsterben", bilanziert Stiglbrunner und atmet kurz durch. "Wir sind an einem Punkt, an dem wir uns Gedanken über die Priorisierung der Eingriffe machen müssen."

Nachfrage bestimmt nicht weiter den Markt

Die klimatischen Entwicklungen zwingen Kirchner auch dazu, an das Verständnis der Verbraucher zu appellieren. Er stellt klar, dass die Nachfrage allein nicht weiter den Markt bestimmen kann. Das gilt auch fürs Brennholz. "Wir müssen immer mehr das Holz machen, das von selber kommt, und nicht mehr das, was gerade gewünscht wird", macht er deutlich.

Stiglbrunner und Kirchner wirken vorsichtig optimistisch, da man nicht ganz so trocken in das neue Jahr gegangen ist wie in den Vorjahren. "Das kann aber keine bisherigen Schäden wettmachen", so Kirchner. Zudem macht der feuchte Winter dem Borkenkäfer zum Beispiel überhaupt nichts aus. "Wir hoffen – wie jedes Jahr – insgesamt auf mehr Regen. Wenn es die nächsten zehn Jahre so weitergeht, wird es schwierig für uns", sagt Stiglbrunner.

 
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