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Aschaffenburg
Fall Mezgin: Gericht spricht angeklagten Vater vom Mordvorwurf frei
Das Landgericht Aschaffenburg sah nicht genug Beweise für einen Schuldspruch wegen Mordes an der 19-jährigen Mezgin. Dennoch wurde Hashem N. zu einer Haftstrafe verurteilt.
Der Angeklagte Hashem N. musste sich in Aschaffenburg wegen Mordes an seiner Tochter Mezgin verantworten.
Foto: ArchivFrank Rumpenhorst, dpa | Der Angeklagte Hashem N. musste sich in Aschaffenburg wegen Mordes an seiner Tochter Mezgin verantworten.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 09.02.2024 15:06 Uhr

Aus Mangel an Beweisen sprach das Landgericht Aschaffenburg den Vater der getöteten Mezgin vom Verdacht des Mordes frei. Der 46-jährige Angeklagte muss dennoch in Haft: Der Vorsitzende Richter Sebastian Geis verurteilte Hashem N. für den Mordversuch an Mezgins Freund zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren und neun Monaten. 

Oberstaatsanwalt Jürgen Bundschuh hatte wegen des Mordversuchs elf Jahre Haft gefordert. Aber auch er sah am Ende den Mord an Mezgin für nicht bewiesen an. Jürgen Vongries, Verteidiger des Angeklagten, hatte noch am Donnerstagmorgen Freispruch in beiden Punkten gefordert. 

Lebenswandel der Tochter soll Angeklagtem nicht zugesagt haben

Damit endet nach sechs Wochen ein Mordprozess, der bundesweit für Aufsehen gesorgt hatte. Die junge Frau, die 2015 aus Syrien geflohen war, hatte in Aschaffenburg eine neue Heimat gefunden. Mezgin galt seit Anfang Mai 2017 als vermisst, als sie von der Berufsschule nicht mehr nach Hause kam. Mit hohem Aufwand wurde nach der 19-jährigen Frau gesucht, schließlich gingen Ermittler von ihrem Tod aus.

Die Nachforschungen konzentrierten sich schnell auf den Vater des Mädchens. Denn in ihrer neuen Heimat hatte Mezgin einen Freund aus ihrem Heimatland gefunden. Das soll Hashem N. nicht gepasst haben. Dem Vater habe der Lebenswandel der Tochter nicht zugesagt, die wie gleichaltrige deutsche Mädchen auch mit ihrem Freund intim sein wollte, sagten Zeugen vor Gericht. 

Angriff auf den Freund der Tochter

Vier Wochen nach dem Verschwinden der jungen Frau wurde ihr Freund mit lebensbedrohlichen Stichverletzungen im Bereich des Aschaffenburger Floßhafens gefunden. Er sagte: Hashem N. habe ihn nachts zu einem heimlichen Treffen bestellt. Dort habe er nach längerer Unterhaltung plötzlich auf ihn eingestochen.

Mezgins Vater hätte am nächsten Morgen eine Haftstrafe wegen früherer Misshandlungen seiner Tochter antreten sollen. Er floh in die Türkei, beteuerte im Telefongespräch mit Journalisten aber seine Unschuld am Verschwinden seiner Tochter. Erst im vorigen Herbst wurde er ausgeliefert und angeklagt.

Spaziergänger hatten Ende 2018 Mezgins Leichnam im Wald gefunden – in einem Zustand, der kaum noch Aussagen darüber zuließ, ob und wie sie ermordet worden sein könnte.

Belastet hat den Angeklagten vor allem eine Aussage seines zur Tatzeit 13-jährigen Sohnes, der inzwischen untergetaucht ist. Dieser hatte behauptete: Der Vater habe ihn zur Teilnahme am Mord an seiner Stiefschwester gezwungen. Mal belastete er den Vater, mal will er selbst zugestochen haben.

Die Beweisaufnahme hat das aber nicht untermauern können. Es wurden keine Blutspuren in dem Wagen gefunden, mit dem Hashem N. mit beiden Kindern unterwegs gewesen sein soll. Auch am Skelett der Schülerin konnten keine Stichverletzungen festgestellt werden.

Zweifelhafte Aussagen

Eine Gutachterin hatte nach Sichtung der Videoaufnahmen von der Vernehmung des Bruders große Zweifel am Wahrheitsgehalt seiner Aussagen. Auch ein überraschend aufgetauchter Zeuge brachte zuletzt nicht die Wende: Der Zellengenosse des Angeklagten behauptete zwar (in der Hoffnung auf ein eigenes milderes Urteil), Hashem N. habe ihm den Mord an seiner Tochter und den Mordversuch an ihrem Freund beim Kaffee gestanden.

Diese Aussage in letzter Minute war dem Landgericht Aschaffenburg allerdings zu dubios – und die restliche Beweislage zu dünn. Doch den Mordversuch am Freund Mezgins sah man durch die Aussage des Opfers im Zeugenstand für belegt an.

Am Ende bricht der Angeklagte sein Schweigen

Dies nahm der Angeklagte zum Anlass, ganz am Ende doch noch sein Schweigen zu brechen. Nach den Plädoyers ergriff er gegen Mittag die Gelegenheit zum letzten Wort, das traditionell den Angeklagten vor dem Urteil zusteht: Selbstbewusst widersprach er dem Verdacht, auf den jungen Mann eingestochen zu haben.  

Er versicherte, er hätte den Freund seiner Tochter "bestimmt getötet", wenn er an jenem Abend da gewesen wäre. "Aber ich war nicht da." Er betont, dass ihm Mezgins Freund nicht entkommen wäre: "Ich war sportlich, kann laufen, ich kann ihn erwischen. So kräftig ist er nicht."

Das Gericht glaubte ihm das aber nicht und sprach ihn zumindest in dem Punkt wegen versuchten Mordes in Zusammenhang mit gefährlicher Körperverletzung schuldig.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig

 
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