Vor sieben Jahren bemerkte Margrit Mielke-Fritzsch (72) die ersten Veränderungen an ihrem Mann Reiner: "Er hat immer wieder Dinge verlegt, in der Garage habe ich wichtige Dokumente gefunden. Und auch sein Gang hat sich verändert, wurde schlurfender." Vor fünf Jahren folgte dann die erste niederschmetternde Diagnose: Parkinson. Kurz danach wurde bei dem heute 73-Jährigen auch Demenz festgestellt.
Seine Frau bezeichnet es so: "Es gibt da meinen Mann und die Krankheit, den Dämon, der ihn verändert." Die 72-Jährige hat früher als gerontopsychiatrische Fachkraft in der Karlstadter Heroldstiftung gearbeitet, pflegt ihren Mann seit einiger Zeit liebevoll zu Hause in Karlburg. Seit den Diagnosen baute Reiner Fritzsch immer mehr ab, vor einem Vierteljahr dann merklich: Seitdem ist er häufig nachtaktiv, macht durch Rufe oder Klopfen auf sich aufmerksam.
Das belaste auch sie zunehmend, sagt Margrit Mielke-Fritzsch. Immerhin müsse sie sich jetzt am Tag und in der Nacht um ihren Mann kümmern. Rund um die Uhr. "Ich habe gemerkt: Ich muss etwas unternehmen." Und auch das Gehen fällt Reiner Fritzsch immer schwerer, die Gefahr eines Sturzes nehme zu. Ans Schachspielen, seine große Leidenschaft, sei nicht mehr zu denken. "Das tut mir weh, denn es ist ja nicht er. Es ist diese Krankheit, die ihn zerstört", sagt seine Frau mit Tränen in den Augen. Die beiden sind seit 1989 verheiratet.
Bayrisches Pilotprojekt im Karlstadter Altersheim
Als Mielke-Fritzsch Ende Januar in dieser Zeitung von einem neuen Angebot der Heroldstiftung las, wusste sie: "Das ist genau das richtige für uns. Und für mich eine Chance, endlich wieder durchzuschlafen." Seit Anfang des Jahres wird in dem Karlstadter Altersheim in einem bayerischen Pilotprojekt die Nachtpflege für Demenzerkrankte erprobt. Begleitet wird es wissenschaftlich von Forschenden der Universität Bayreuth. Ein ähnliches Projekt ist im Alten- und Pflegeheim in Bad Neustadt (Lkr. Rhön-Grabfeld) gestartet.
Häufig würden pflegende Angehörige berichten, dass sie überlastet seien, "weil sie nicht schlafen können", sagte Pflegedienstleiterin Gabriele Molnar zum Start des Projekts. Denn der oder die Erkrankte sei zu später Stunde umtriebig. Viele Demenzerkrankte entwickeln eine Hin- oder Weglauftendenz und zunehmend einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus. Davon kann auch Margrit Mielke-Fritzsch berichten: "Am Anfang ist man noch ruhig, in der dritten Nacht reagiert man schon etwas gereizt – aber er kann ja nichts dafür!"
Derzeit ist Reiner Fritzsch der einzige Nachtpflege-Patient in Karlstadt
Pro Nacht kann in Karlstadt derzeit ein Demenzerkrankter oder eine Demenzerkrankte in der gerontopsychiatrischen Station aufgenommen werden. Hier leben 23 Menschen mit Demenz, die rund um die Uhr von Pflegefachkräften betreut werden. Mielke-Fritzsch nimmt das Angebot für ihren Mann Reiner seit zwei Monaten und zweimal pro Woche in Anspruch. Sie bringt ihn um 19.30 Uhr und holt ihn am nächsten Morgen nach dem Frühstück wieder ab. "Ich hatte anfangs Angst, denn mein Mann hängt an mir. Aber es tut ihm so gut, die Pflegekräfte gehen voll auf ihn ein. Er ist gerne hier. Ich bin dankbar, dass es dieses Angebot gibt."
Das Nachtpflege-Angebot kann maximal drei Nächte in Folge pro Woche und nach individueller Absprache genutzt werden. Wer um 20 Uhr kommt, für den wird ein Einzelzimmer reserviert. Wie die Zeit gestaltet wird, sollte individuell besprochen werden. Aktuell ist der Zeitrahmen noch fest vorgegeben, dies könne aber auch individuell angepasst werden, sagt Birgit Edelhäuser, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Heroldstiftung. Das hänge jedoch auch von der Resonanz ab – derzeit ist Reiner Fritzsch der einzige Betreute in der Nachtpflege.
Manchmal helfen auch wildfremde Menschen: "Da kommen mir manchmal die Tränen"
Trotz allem hat sich Margrit Mielke-Fritzsch ihre Lebensfreude erhalten. Das spürt man, wenn sie über ihren Mann und die vielen gemeinsamen Erlebnisse erzählt. Zu Hause wird die 72-Jährige bei der Pflege von der Familie und den Nachbarn tatkräftig unterstützt. Manchmal würden auch wildfremde Menschen helfen, zum Beispiel beim Einkaufen. Dafür sei sie sehr dankbar. "Da kommen mir manchmal die Tränen". Dazu kämen jetzt noch die beiden ruhigen Nachtpflege-Nächte. "So wie es gerade ist, ist es gut", sagt Margrit Mielke-Fritzsch.
Interessierte können sich bei Einrichtungsleiterin Elfriede Roth, Tel.: (09353) 9836010, oder Pflegedienstleiterin Gabriele Molnar, Tel.: (09353) 983 6020, melden. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite der Heroldstiftung unter www.heroldstiftung.de