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Gössenheim/Karsbach
Ein ungewohntes Bild: An der Ruine Homburg weiden nun Dexter-Rinder statt Schafe
Eine Hochleistungsrasse käme mit dem mageren Futter rund um die Homburg nicht klar. Bulle Clemens, der Chef der Herde, war in den vergangenen Jahren im Sommer auf der Alm.
An der Ruine Homburg weiden die Dexter-Rinder von Julia und Nico Leppich. Bulle Clemens links war vorher auf einer Alm.
Foto: Björn Kohlhepp | An der Ruine Homburg weiden die Dexter-Rinder von Julia und Nico Leppich. Bulle Clemens links war vorher auf einer Alm.
Björn Kohlhepp
 |  aktualisiert: 03.10.2024 02:44 Uhr

An der Ruine Homburg bietet sich seit Juli ein ungewohntes Bild: Dort weiden nun Rinder. Wehrhaft sehen sie aus, betrachten menschliche Besucher aber friedlich und gelassen. Hundehalter sollten ihre Tiere aber besser an die Leine nehmen, damit sie nicht auf die Kuhweide laufen, sagt Tierhalter Nico Leppich aus Münster. Sonst könnten die Tiere der kleinen Rasse Dexter sich genötigt fühlen, sich und ihre Kälber zu verteidigen. An diesem Nachmittag hört man die Rinder in eineinhalb Stunden kein einziges Mal muhen. Leppich erzählt, dass er sie, weil sie so still sind, manchmal eine ganze Zeit lang suchen müsse, wenn er morgen und abends vorbeischaue.

Beeindruckend schaut der siebenjährige Bulle Clemens mit seinem Nasenring aus. Der stamme aus Freilassing im Berchtesgadener Land und war sonst im Sommer auf der Alm, erzählen Leppich und seine Frau Julia. Nico Leppich habe zuerst einmal drei Stunden mit dem Verkäufer telefonieren müssen. Der alte Besitzer wollte ihn nur hergeben, wenn er in gute Hände kommt. Weil er für die Rasse eine stattliche Größe hat und handzahm sei, wollten sie ihn unbedingt. Für jüngere Bullen würden zudem horrende Preise verlangt. Schließlich bekamen sie den Zuschlag. Neulich war sogar die Sennerin, die mit Clemens immer auf der Alm war, zu Besuch, um nach ihm zu schauen. Sie habe sich gefreut, dass er hier wie in den Bergen viele Kräuter findet.

Normale Rinderrassen kämen mit den mageren Flächen an der Homburg nicht klar

Die Wiesen an der Homburg sind nicht gerade für ihre Üppigkeit bekannt. Stefan Reuter, Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands Main-Spessart, der die Beweidung der Flächen managt, sagt: "Ein Hochleistungsrind würde auf den Flächen verhungern." Die aus Irland stammenden genügsamen Dexter-Rinder kämen mit solch mageren Flächen aber gut zurecht, "besser als Ziegen", die eher für Gehölze gut seien, findet Reuter. "Man sieht, den Rindern geht es gut auf den Flächen." Vorher haben hier Merinoschafe, eine Hochleistungsrasse, geweidet, allerdings hätten die sich nur das Beste herausgepickt. Kratzige und stachelige Pflanzen könnten die Rinder besser verwerten. Leppich erzählt, dass sie sogar an Wacholderbüschen herumnagen.

"Ein Hochleistungsrind würde auf den Flächen verhungern."
Stefan Reuter, Landschaftspflegeverband

Der Schäfer, der bis vergangenes Jahr seine Tiere an der Homburg hat weiden lassen, habe die Flächen abgegeben und seinen Schwerpunkt verlegt. Für die Beweidung mit Rindern und den Elektrozaun hat es einer Ausnahmegenehmigung der Oberen Naturschutzbehörde bedurft, weil an der Homburg eigentlich nur Beweidung durch Schafe vorgesehen ist. Zum Teil müssten Gehölze händisch nachgepflegt werden, erzählt Reuter. Magerflächen wie diese seien für die heutige intensive Landwirtschaft uninteressant. Ohne die Förderung durch den Freistaat wäre eine Beweidung völlig unrentabel.

Beweidung durch die Dexter-Rinder läuft völlig problemlos

Zwei der fünf Dexter-Kühe an der Ruine Homburg.
Foto: Björn Kohlhepp | Zwei der fünf Dexter-Kühe an der Ruine Homburg.

Die Rinder weiden auf insgesamt 5,4 Hektar großen Flächen auf dem Plateau vor der Homburg, hinter der Ruine und weiter unten im Ölgrund, die den Gemeinden Gössenheim und Karsbach gehören. Gössenheims Bürgermeister Klaus Schäfer war gespannt, wie es mit Rindern an der Homburg laufen soll. Das habe sich niemand so recht vorstellen können, dazu habe es viele Meinungen gegeben. Aber seitdem sie hier sind, habe sich noch niemand beschwert, berichtet er.

Im Naturschutzgebiet Ruine Homburg, dem größten im Landkreis, habe sich durch jahrhundertelange Nutzung des Menschen eine hohe Artenvielfalt entwickelt, sagt Reuter. Er habe schon zu hören bekommen: "Ihr beweidet hier, ihr zerstört hier die Natur." Genau das Gegenteil sei der Fall, diese Erkenntnis habe sich über die Jahrzehnte auch bei manchen Naturschützern erst durchsetzen müssen.

Warum überhaupt beweidet werden muss

"Die Flächen", so Reuter,  "müssen offen gehalten werden. Ohne die Rinder würde sie peu à peu verbuschen." Dann würde Wald draus werden und die Artenvielfalt zurückgehen. Abgesehen davon, dass es zu teuer wäre, solche Flächen nur zu mähen, entstünden dadurch, dass Tiere diese ungleichmäßige beweideten, verschiedene Lebensräume. An manchen Stellen steht das Gras höher als an anderen, ab und zu steht ein Gehölz auf den Flächen.

Rinderhalter Nico Leppich ist eigentlich selbstständiger Forstunternehmer, der mit einem Rückezug Stämme aus dem Wald holt. Zu den Kühen seien sie 2020 aus einer, wie er sagt, "dummen Idee heraus" gekommen. Das sei nur ein Hobby. "Wir machen das, weil wir Spaß dran haben, die Tiere zu halten." Leppich wollte Kühe für den Eigenbedarf, dafür seien Angusrinder oder Fleckvieh aber zu viel. Die kleinen Dexter hätten für ihr Körpergewicht einen hohen Fleischanteil. Für ihn genau das Richtige. Melken könnte man sie auch, das tun die Leppichs aber nicht.

"Wir machen das, weil wir Spaß dran haben, die Tiere zu halten."
Tierhalter Nico Leppich

Zunächst stellten sie drei Tiere in Münster auf die Pferdekoppel seines Vaters. Die weiteren Weiden nördlich von Aschfeld in der Flurlage Arbig und am alten Sportplatz in Münster seien so mager gewesen wie die an der Homburg. Bis Oktober sollen die mittlerweile fünf Kühe, zwei Ochsen und Bulle Clemens nun an der Homburg bleiben. In den Stall kommen sie aber auch im Winter nicht. Schnee und Kälte mache ihnen nichts aus. In Münster hat Leppich lediglich einen offenen Unterstand.

Für andere Flächen in der Nähe gibt es keinen Nachfolger für den Schäfer

In der Nähe gibt es weitere Flächen, für die noch kein Nachfolger für die Schafbeweidung gefunden wurde, sagt Stefan Reuter. Aber in Main-Spessart, dem viehärmsten Landkreis in Bayern, sei es schwierig, Viehhalter für Naturschutzprojekte zu finden

Jungbullen, die die Leppichs nicht verkaufen können, werden kastriert und bleiben in der Herde, bis sie schlachtreif sind. Den Bullen Clemens wollen sie nicht mehr verkaufen, er soll dereinst mal sein Gnadenbrot in ihrer kleinen Herde erhalten.

 
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