Laute Musik, flatternde Lichter, Alkohol. All das gehört zur Geschichte des Waldschlösschens, einer ehemaligen Discothek in Hafenlohr. Doch das hölzerne Eingangsschild vor dem Hof ist das einzige, was aus der Vergangenheit geblieben ist. Vor 15 Jahren schloss der Club seine Tore. Heute sitzt die ehemalige Besitzerin Eva Mayer nachdenklich an ihrem Wohnzimmertisch im ersten Stock und blättert durch ein altes Fotoalbum. Der kräftige rote Lippenstift betont ihr ausdrucksstarkes Auftreten.
Hier, wo Mayer noch immer lebt, riecht es nicht mehr nach verschütteten Cocktails, sondern nach frisch gebrühtem Kaffee. Auf dem Tisch liegen Fotos aus früheren Tagen. Über ihr Alter möchte Eva Mayer nicht sprechen. Nur so viel: "Ich bin Ende 50, Anfang 60", sagt sie schmunzelnd. Direkt unter ihrer Wohnung fanden bis 2004 wilde Partynächte, Gothik- und Reggae-Veranstaltungen oder Themenabende statt. "Von Abba bis Zappa eben", beschreibt Mayer das vielfältige Angebot von damals. Heute ist es ruhig geworden auf dem idyllisch gelegenen Anwesen mitten in der Natur.
Wie aus der "Gummimühle" das "Waldschlösschen" wurde
Gräbt man noch tiefer in der Vergangenheit, so wurden hier in der ehemaligen "Gummimühle" Reifen zerkleinert und das Granulat zu Batteriekästen verarbeitet. Später betrieben Evas Eltern, Alfons und Elisabeth Gwosdz, dort ein Restaurant. Doch es lief nicht so recht. Und so wurde aus dem Restaurant eine Discothek namens "Waldschlösschen". Eva Mayer erinnert sich noch gut an die Anfänge. "Ich sagte damals zu meinen Eltern: Wenn die Alten nicht wollen, dann machen wir eben etwas für die Jungen." Mit Erfolg. Seit der Eröffnung am 15. März 1978 kam das gemeine Partyvolk in Scharen nach Hafenlohr.
Mit ihrem damaligen Ehemann Hans übernahm Eva Mayer den Betrieb zehn Jahre später. "Es war einfach eine geile Zeit und es lief sofort", erinnert sich die gelernte Medizinisch technische Assistentin (MTA). Menschen aus dem ganzen Umkreis, vor allem aus Wertheim und dem Lohrer Raum seien damals wöchentlich gekommen, im Winter sogar mit Schlittschuhen. Das Besondere: "Von Beginn an hatten wir einen DJ, der eine monströse Plattensammlung besaß." Wobei es den Leuten damals recht egal gewesen sei, welche Musik lief. "Hauptsache, sie konnten tanzen", so Mayer.
Auch der heutige Landrat kam ins Waldschlösschen
Auch die lokale Prominenz gehörte damals zu den Gästen des Waldschlösschens. "Tatsächlich war ich in jungen Jahren - aber eher selten - im 'Schlösschen'", sagt etwa Landrat Thomas Schiebel. Da er mit einer Discothek in Rieneck aber eine ortsnahe Anlaufstelle hatte, war er nur gelegentlich in Hafenlohr zugegen. Schiebel beobachte heute eine grundsätzliche Veränderung des Weggehverhaltens. "Nach meiner Einschätzung haben Discos in der heutigen Zeit nicht mehr den gleichen Stellenwert wie früher, da die jungen Leute andere Möglichkeiten der Kommunikation haben und nutzen."
Ähnlich sieht es Marktheidenfelds Bürgermeisterin Helga Schmidt-Neder. Sie war ebenfalls "früher ein paar Mal mit Freunden und Kollegen" im Waldschlösschen. "Mit den Discotheken im ländlichen Raum ist das meiner Einschätzung nach wie mit den ,Tante Emma-Läden' auf dem Dorf. Wenn niemand mehr hingeht, sondern die ,großen' Läden bevorzugt, machen sie zu."
Mayer: "Es ist heute einfach lächerlich, was der Jugend angetan wird"
Doch glaubt man den Worten von Eva Mayer, dann würden die Menschen noch immer hingehen. Die gebürtige Frankfurterin, die erst mit 18 Jahren nach Hafenlohr kam, blickt wehmütig auf die Zeit zurück. Vor allem aber sorgt sie sich um die Jugend der Gegenwart. "Es ist heute einfach lächerlich, was der Jugend angetan wird", sagt sie und meint damit das generelle Disco-Sterben auf dem Land. Durch den Mangel an Angeboten würden die Menschen gezwungen, in größere Städte zu fahren.
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Schuld daran seien Gesetze und Auflagen, die es Veranstaltern immer schwerer machen würden. "Deshalb schließen ja alle, deshalb gibt es hier fast nichts mehr", klagt Mayer. Das Feier- und Weggehverhalten habe sich indes nicht verändert. Junge Menschen wollen heute, genau wie damals, Musik hören, Tanzen und neue Leute kennenlernen, sagt die Mutter von zwei Töchtern. Doch das Eingreifen der Behörden setze einen Teufelskreis in Gang, unter dem letztendlich die Jugend leide.
Das Rauchergesetz kam dem Waldschlösschen in die Quere
"Ich würde das Waldschlösschen heute sofort wieder aufmachen", sagt Mayer. Das Konzept würde nach wie vor funktionieren. Aber: Die Behörden würden dies erheblich erschweren, so Mayer. Vor allem das damals aufkommende Thema Rauchverbot kam ihr in die Quere. "Das hat alles kaputt gemacht, das hätten unsere Gäste einfach nicht mitgemacht", sagt sie und begründet damit die Schließung im Jahr 2004. Durch eine solche Änderung hätten die Besucher immer erst klingeln müssen, um in die Disco zu gelangen.
Häufig diskutierte Probleme wie Gewaltbereitschaft junger Menschen und Ruhestörung würden ohne Rauchergesetz gar nicht aufgetreten, versichert Mayer. "Dadurch müssen sie aber mit ihren Zigaretten immer auf den Hof gehen, sind dann natürlich laut und es kann zu Auseinandersetzungen kommen." Die Beschwerden würden dadurch häufiger werden, die Auflagen strenger und die Strafen für die Betreiber härter.
Dieser Teufelskreis führe laut Mayer dazu, dass immer mehr Clubs schließen müssten. Und das sei nicht nur für die Betreiber problematisch, sondern vor allem für die Jugend. "Wenn die Treffpunkte wegfallen, dann saufen viele an der Tankstelle und fahren danach betrunken nach Würzburg", sagt Mayer besorgt. Der Mangel an örtlichen Ausgehmöglichkeiten sorge aus purer Langeweile für erhöhten Alkoholkonsum. "Diese Entwicklung tut mir einfach nur leid für die Jugend."
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Wie geht es weiter in der Discotheken-Szene?
Ein Teil der ehemaligen Discoräume wird mittlerweile gewerblich genutzt, der Rest privat bewohnt oder vermietet. Eva Mayer ist anzusehen, dass sie noch immer für die Jugend und deren Feiermöglichkeiten brennt. "Es tut total weh, dass es das Waldschlösschen nicht mehr gibt", sagt sie. Doch sie kann es nicht mehr ändern. Den Jugendlichen werde alles weggenommen, beklagt sie und meint damit nicht nur Discotheken, sondern auch Jugendzentren. Generell fehlten jungen Menschen Orte, an denen sie zusammensitzen und sich abreagieren können.
Wie es generell in der Discotheken-Szene weitergeht, weiß Eva Mayer nicht. "Aber ich denke, es wird sich alles auf größere Städte konzentrieren." Was ihr bleibt, sind die Erinnerungen an eine aufregende Zeit im Waldschlösschen. "Mir war immer wichtig, dass sich die Jugendlichen wohlfühlen", sagt sie. Deshalb hatte die Hafenlohrer Disco sogar am 1. Weihnachtsfeiertag und an Silvester geöffnet. Doch seit vielen Jahren bleibt es auf dem idyllisch gelegenen Anwesen zwischen Hafenlohr und Windheim auch in dieser Zeit ruhig und besinnlich.