Die Straße zwischen Morlesau und Michelau ist kaum breiter als ein Radweg. Etwa auf halber Strecke befindet sich das Freizeitzentrum Roßmühle: Eine Pension, ein Campingplatz, eine Gaststätte, eine Reitstation und ein Wohnmobilverkauf liegen direkt an der Saale, umgeben von Hügeln, grünen Wiesen und viel Wald. "Die Natur ist unser Kapital hier. Wir sind alle abhängig vom Tourismus und werben mit einem unberührten Naturerlebnis", sagt Anna Abed. Doch ihr "idyllisches Saaletal", wie sie es nennen, sehen die zwölf Bewohner und Bewohnerinnen durch die Stromtrasse P43 in Gefahr. Im Gegensatz zu Südlink sollen bei dieser Trasse die Stromleitungen oberirdisch verlaufen.
Der Korridor der geplanten Fulda-Main-Leitung liegt komplett über dem Gebiet der Roßmühle. Franz Volkert, der den Campingplatz und die Pension Roßmühle betreibt, sagt, er sei schockiert gewesen, als er von dem neuen Verlauf erfahren habe. Das war zwei Tage vor einer Informationsveranstaltung in Gemünden. Nicht genug Zeit, um sich umfassend über die drohenden Auswirkungen zu informieren, sagt Elmar Kütt, der Wohnwägen verkauft und vermietet.
Freizeitzentrum Roßmühle ist ein Familienbetrieb, der Wert auf die Natur legt
Das gesamte Freizeitzentrum ist seit vier Generationen in Familienhand und ist die Lebensgrundlage für mittlerweile vier Familien. "Es gibt kaum einen Betrieb, der ökologischer ist als wir", sagt Heinrich Volkert, der die Gaststätte betreibt, über das Freizeitzentrum. Sie seien komplett autark. Sich selbst und ihre rund 100.000 Übernachtungsgäste pro Jahr versorgen sie über eine eigene Quelle mit Trinkwasser, es gibt eine voll biologische Kläranlage und das Warmwasser komme seit über 50 Jahren von einer Solaranlage. Für die Stromversorgung gibt es ein Wasserkraftwerk. "Das hat schon mein Uropa gebaut", sagt Franziska Volkert.
P43 könnte die zweite Schneise durch den Wald sein, die direkt neben der Roßmühle verläuft
"Plötzlich ist die Natur nichts mehr wert", sagt Elmar Kütt zur geplanten Trasse. Wegen einer Gasleitung wurde unmittelbar neben dem Gelände der Roßmühle bereits eine Schneise in den Wald geschlagen. Auf der anderen Seite des Campingplatzes droht nun das Gleiche durch die Fulda-Main-Leitung. "Dann sind wir von zwei Trassen eingerahmt", betont Kütt mehrmals im Gespräch. Von grünem Strom könne man dann nicht mehr sprechen, ergänzt er.
Laut einer Planungsskizze, die in Gemünden auf einer Informationsveranstaltung vom Netzbetreiber Tennet gezeigt wurde, betrage der geringste Abstandspunkt zur Roßmühle unter 50 Meter, so die vier Familien. Laut Thomas Wagner, Bürgerreferent von Tennet, seien dies nur vorläufige Planungen. Gebäude, in denen dauerhaft Menschen leben, dürften nicht überspannt werden. Es gebe jedoch "keine Verordnung, dass wir einen gewissen Abstand zu Gebäuden oder Wohnhäusern einhalten müssen", erklärt Wagner.
Tennet will möglichst wenig Beeinträchtigung für das Freizeitzentrum Roßmühle
Tennet sei allerdings bemüht, die größtmöglichen Abstände einzuhalten. "Wir nehmen den Wunsch der Campingplatzbetreiber sehr ernst", betont Wagner. Da es im Bereich der Roßmühle "sehr eng" sei, müsse Tennet sich ganz genau anschauen, wie möglichst wenig Beeinträchtigung für das Freizeitzentrum entstehen.
Die Situation beschäftige die Familien ständig. "Selbst im Urlaub kannst du keinen Tag abschalten", sagt Stephanie Volkert. Franz Volkert hat deshalb einen alternativen Verlauf der Stromleitungen ausgearbeitet. Der liegt allerdings außerhalb des geplanten, ein Kilometer breiten Korridors, in dem die Stromtrasse verlaufen muss. Durch seine geringfügige Anpassung könne 90 Prozent des Waldbestandes erhalten bleiben, ohne dass umliegende Ortschaften oder die Roßmühle Einschränkungen hätten, so der Besitzer des Campingplatzes.
Manche Bewohner sprechen sich gegen Alternativen aus
Mit diesem alternativen Vorschlag sind nicht alle Roßmühlen-Bewohner einverstanden: Elmar Kütt und Heinrich Volkert argumentieren gegen die Änderungen von Franz Volkert. "Wenn wir Alternativen vorschlagen, dann nehmen die an, dass wir den Trassenverlauf durch unsere Region akzeptieren", sagen Kütt und Heinrich Volkert. Für sie spreche alles für die Trasse entlang der A7, deshalb wollen sie den ganzen geplanten Trassenverlauf durch Main-Spessart nicht akzeptieren.
"Natürlich will niemand die Stromtrasse vor seiner Haustür, auch ich nicht. Irgendwo wird sie aber hin müssen. Und sollte sie zu uns kommen, brauchen wir eine Alternative, mit der wir alle leben können", erwidert dagegen Franz Volkert. Alle zusammen haben sich allerdings an Umweltbehörden, politische Vertreter, die Bundesnetzagentur und Tennet gewandt, um auf die Probleme aufmerksam zu machen.
Bundesnetzagentur ist für den Korridor verantwortlich
"Den Korridor der Stromtrasse legt die Bundesnetzagentur fest", sagt Thomas Wagner von Tennet auf Nachfrage. Bei den entsprechenden Behörden würden aktuell die Unterlagen von Tennet zur Auswahl von verschiedenen Korridoren liegen. Deshalb sei es auch möglich, dass sich die Korridore noch verschieben oder ein anderer Korridor gewählt werde. "Darauf haben wir keinen Einfluss mehr", so Wagner. Den konkreten Verlauf der Trasse innerhalb des Korridors plane zurzeit ein Planungsbüro, sagt Wagner.
Anfang nächsten Jahres wolle Tennet vor Ort den Verlauf der P43-Leitung vorstellen und sich Rückmeldungen von den Anwohnerinnen und Anwohnern einholen. Bis der Verlauf endgültig feststeht, geht für die Bewohnerinnen und Bewohner der Roßmühle der Widerstand weiter. "Die Probleme sind da und müssen gelöst werden", sind sich die vier Familien einig.
Etwas mehr Sorgfalt wäre angebracht, zumal Michelau in Spessart keine eigene Gemeinde ist.