
Am 23. März ging die Sonne um 4.29 Uhr in Marktheidenfeld auf. Das weiß Sena Karakoc deshalb so genau, weil an diesem Tag der Fastenmonat Ramadan begann. 15 Minuten vor Sonnenaufgang klingelt ihr Wecker während dieser Zeit. Dann steht die Jugendvorsitzende der Türkisch-Islamischen Gemeinde in Marktheidenfeld auf, um noch einmal zwei Gläser Wasser zu trinken. Dann gilt, bis zum Sonnenuntergang um 18.45 Uhr nichts mehr zu essen und zu trinken. 30 Tage dauert der Fastenmonat. Er endet am 21. April mit dem Zuckerfest.
Der Ramadan ist für gläubige Muslime und Musliminnen der wichtigste Monat im Jahr. Die Zeit wird als "Sultan der elf Monate" bezeichnet, weiß Karakoc. Für jeden Muslim sei das Fasten von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang Pflicht, das sei im Koran verankert. Man versuche während des Ramadans nicht nur den Hunger und den Durst zu bekämpfen, sondern auch, nicht auf schlechte Gedanken zu kommen oder böse Ausdrücke zu verwenden. "Die Gedanken sollen rein gehalten werden", so die 25-Jährige. Auch Alkohol, Rauchen oder Sex sind während des Ramadans Tabu.
Fastenzeit ist wie Betriebsurlaub: Körper und Geist werden gereinigt
Ihr Vater Vedat Karakoc ist Vorsitzender der Türkisch-Islamischen Gemeinde zu Marktheidenfeld. Er vergleicht die Fastenzeit mit dem jährlichen Betriebsurlaub von manchen Firmen. Während diesem werden oft Maschinen gereinigt und gewartet. So sei das auch beim Ramadan, man werde körperlich und seelisch bereinigt.
"Die Message des Ramadans ist es zu verstehen, wie es wäre, wenn man arm wäre und nichts zu essen oder zu trinken hätte", ergänzt Sena Karakoc. Die Gemeinde sammelt daher Spenden für die Erdbebenopfer in der Türkei.

Schwangere, Alte, Kranke, Reisende und Menschen während der Menstruation müssen nicht fasten. Kinder fasten meist erst ab der Pubertät, einige seien aber schon früher neugierig, erzählt Vedat Karakoc. Deshalb würden sie manchmal schon für einen halben Tag auf Essen und Trinken verzichten. Sena Karakoc hat das erste Mal mit zehn Jahren gefastet. Der ältesten Muslim, den Vedat Karakoc kennt und der bei Tageslicht nichts isst und trinkt, ist 83 Jahre alt.
Jedes Jahr verschiebt sich der Ramadan um 15 Tage nach vorne. So kommt es, dass die Fastenzeit mal in den Winter und mal in den Sommer fällt, die Tageslänge variiert also. Im Ramadan kommt zu den üblichen fünf Gebeten das sogenannte Tarawih-Gebet hinzu. Dieses füge man an das Abendgebet an, so Sena Karakoc.
Ramadan ist die Zeit des Fastens, aber auch die Zeit der Familie
Auf ihr alltägliches Leben habe der Ramadan über den Verzicht auf Essen und Trinken hinaus keinen großen Einfluss, sagt die Studentin. Es störe sie nicht, wenn ihre Mitstudierenden in ihrem Beisein essen oder trinken. Nicht fastenden Muslime sollten allerdings Rücksicht nehmen, findet sie.
An manchen Tagen sei das Fasten schwieriger als an anderen. "Manchmal schaut man auf die Uhr, sieht, es ist noch eine Stunde bis zum Sonnenuntergang, aber es fühlt sich dann an wie zehn Stunden und man hat einfach keine Geduld mehr. An anderen Tagen verfliegt die Zeit", erzählt Sena Karakoc. "Wenn der Ramadan naht, freuen wir uns darauf und sind nicht traurig darüber, dass wir tagsüber nichts essen und trinken dürfen. Wir glauben daran, dass wir von Gott dafür belohnt werden."
Das Fastenbrechen am Abend heißt Iftar. Es wird meist mit einer Dattel oder Olive eingeleitet, so soll es Prophet Mohammed getan haben. Wichtig für die Gläubigen ist die Gemeinschaft: "Im Ramadan ist es üblich, dass wir viele Leute zu uns einladen oder Freunde und Familie besuchen", so Sena Karakoc. Deshalb trifft sich die Gemeinde, die 120 Mitglieder umfasst, abends oft zum Fastenbrechen. "Jeder bringt etwas zu Essen mit und wir teilen das", sagt sie. In Vedat Karakocs Herkunftsland, der Türkei, werden während des Ramadans oft auch Zelte aufgestellt, um das Fest zu feiern. "Es ist dann ein bisschen wie bei der Laurenzi-Messe", erklärt Sena Karakoc.
"Im Glauben gibt es keinen Zwang"
Drei Tage, bevor die Fastenzeit mit dem Ramadanfest endet, ist die "Kadir Gecesi" – die Nacht, in welcher der Koran das erste Mal offenbart worden sein soll. Ein paar Tage vor dem abschließenden Zuckerfest starten bereits die ersten Vorbereitungen, es wird gebacken und gekocht. Beim Ramadanfest selbst besucht man Bekannte und Verwandte, betet gemeinsam in der Moschee und gedenkt Verstorbenen. Die Kinder ziehen wie an Halloween umher, wünschen ein fröhliches Zuckerfest und bekommen Süßes oder Geld, erzählt die 25-Jährige.
Es gibt viele Regeln rund um den Ramadan, doch deren Auslegung sei nicht so streng, wie es oft dargestellt werde, sagt Sena Karakoc. "Wir wollen den Ramadan niemandem aufzwingen und unsere Religion auch nicht." Es sei jedem selbst überlassen, was er tue. Länder in denen das anders ist, sehen Vater und Tochter kritisch. "Im Glauben gibt es keinen Zwang", sagen sie. Das stehe so auch im Koran.