Ata Chaudhry nimmt genüsslich einen Schluck von seinem warmen traditionell-indischen Tee. Seine Töchter Waniya (13) und Laiba (9) naschen Datteln und Gemüse-Pakoras. Die kleine Zwischenmahlzeit, der Tee zum Aufwärmen: Beides wird bald für knapp vier Wochen nicht mehr bei der pakistanischen Familie Chaudhry - sie wohnt in Niederlauer - auf den Tisch kommen, solange es draußen hell ist. Denn am Sonntag, 3. April, beginnt für sie der Ramadan. In dem muslimischen Fastenmonat dürfen Muslime nach Sonnenauf- und vor Sonnenuntergang weder essen noch trinken. Auch Waniya und Laiba möchten dieses Jahr freiwillig stundenweise mitfasten.
Die Familie Chaudhry stammt aus Pakistan und gehört den Ahmadiyya Muslim Jamaat-Muslimen an. "In unserer Heimat drohte uns die religiöse Verfolgung", erklärt Ata Chaudhry. Deshalb verließ er 1998 Pakistan, erst 2006 konnte er seine Frau Embreen Chaudhry und die heute erwachsenen Kinder Mahrukh und Shariq nach Deutschland holen. Die jüngeren Töchter Waniya und Laiba wurden bereits in Deutschland geboren.
Ein Kalender zeigt die Essenszeiten
"Ich bin schon aufgeregt, es ist ein gutes Gefühl, mal zu fasten. Vielleicht etwas komisch, dass man dann den ganzen Tag lang nichts isst, aber es ist schön, da mitzumachen", beschreibt Waniya Chaudhry. Die 13-Jährige will zeitweise mitfasten, vor allem am Wochenende und in den Osterferien, während der Schulzeit aber ganz normal essen. Sie sieht dies als wichtigen Teil ihres muslimischen Glaubens an. "Ab zehn Jahren soll man stundenweise versuchen, nichts zu essen und zu trinken. Mit 12 oder 13 Jahren kann man es dann ganztägig versuchen, ab 18 Jahren ist es Pflicht", weiß Waniya. Schwangere, Kranke, Reisende und alte Personen sind vom Fastengebot ausgenommen.
Im Fastenmonat listet ein spezieller Kalender auf, wann "Sahar", die letzte Mahlzeit vor dem Sonnenaufgang, eingenommen werden darf. Da kann es schon mal passieren, dass bis 4.25 Uhr das Frühstück erledigt sein muss, beizeiten aufstehen ist dann angesagt. Auch die neunjährige Laiba steht dafür schon morgens mit auf - freiwillig wohlgemerkt - fastet dann allerdings nur einige Stunden mit.
Worum es im Ramadan noch geht
Wenn es draußen dunkel ist, darf das "Iftar" serviert werden. Traditionell beginnt dieses erste Mahl nach Sonnenuntergang mit einer Dattel für jeden und wird von der ganzen Familie zusammen eingenommen. "Dann gibt es ganz normales Abendessen, im Ramadan haben wir zusätzlich jeden Tag die Pakoras mit verschiedenen Dips", beschreibt Waniya.
Im Ramadan sind die Muslime auch aufgerufen, besonders auf ihr Verhalten zu achten. "Man sollte liebevoll sein und niemanden verletzen, ruhig mit jedem reden. Und Beleidigungen und schlimme Dinge weglassen, über sich selbst nachdenken", erklärt Waniya. Außerdem werden Extra-Gebete gesprochen und Geld an arme Menschen nach Pakistan gespendet. "Das Fasten soll zeigen, das es weh tun kann, nichts zu essen oder zu trinken zu haben. So lernt man, auch an ärmere Menschen zu denken. Außerdem tut es der Gesundheit gut, einmal auf seine Gewohnheiten zu verzichten", erklärt Ata Chaudhry.
Nicht-muslimische Freunde und Kollegen nehmen Rücksicht
Wie geht das nicht-muslimische Umfeld der Chaudhrys mit dem Fasten um? "Bei schweren körperlichen Arbeiten sagen auch meine deutschen Kollegen oft zu mir: Ata, mach langsam, du hast doch Ramadan, und helfen mir", beschreibt Ata Chaudhry. Waniyas deutsche Freunde bekommen ihr Fasten manchmal mit. "Ich erkläre ihnen dann, dass das für mich eine gute Sache ist und dass ich es freiwillig mache. Aber es ist ein schönes Gefühl, wenn die anderen Rücksicht nehmen".
Den Chaudhrys ist es wichtig, die Kultur ihres Heimatlandes, ihren Glauben zu leben und dabei anderen Religionen und Kulturen offen zu begegnen und dazu gehört für sie auch der Ramadan. "Wir feiern zwar zum Beispiel kein Weihnachten, aber deutsche Nachbarn und Freunde bekommen von uns zu diesem Fest trotzdem kleine Geschenke oder wir gehen zu Weihnachtsfeiern, wenn wir eingeladen werden", erzählt Waniya.
Eines der großen Hobbies von Ata Chaudhry ist das Kochen, er hatte schon mehrfach Auftritte in der Kochsendung eines regionalen Fernsehsenders und bringt Interessierten in Volkshochschul-Kursen näher, wie sie pakistanische, deutsche, indische oder andere internationale Gerichte zubereiten können.
Steht der Fernsehkoch stets selbst am Herd?
Am Ende des Ramadans, dieses Jahr am 2. Mai, findet das Zuckerfest statt, ein großes Ereignis, bei dem die Familie zusammenkommt und üppig aufgekocht wird. Wenn nicht gerade eine Pandemie grassiert, laden die Chaudhrys dazu auch gerne ihre deutschen Bekannten ein. Vorspeise, Hauptgerichte, Nachtische und spezieller Tee, allgemein eine Mischung aus deutschem und pakistanischem Essen, werden aufgetischt. Nur Alkohol und Schweinefleisch sucht man vergeblich, denn beides ist für Muslime verboten.
Wenn man schon einen Fernsehkoch in der Familie hat, kocht dann eigentlich jeden Tag der Papa? "Nein, meistens die Mama, und dann auch sehr aufwändig. Bei Papa muss es meistens schnell gehen", antwortet Waniya und lacht. "Aber am Zuckerfest grillen wir oft, was wir sonst selten machen. Und das ist dann Papas Sache."