
Während es immer wieder Hochwasser gibt, ist Grundwasser vor allem in Unterfranken knapp. Der Klimawandel wird diese gegensätzlich erscheinenden Probleme verschärfen, das prognostizieren Expertinnen und Experten. Die Gemeinde Eußenheim mit ihren Ortsteilen im Bachgrund steht aktuell noch vor einem Problem, das vor diesem Hintergrund beinahe unglaublich erscheint: Die Orte kämpfen mit zu viel Grundwasser.
Genauer gesagt ist es das Kanalsystem, in das zu viel Fremdwasser eindringt. Die Orte liegen, wie der Name es schon sagt, im Grund auf Höhe des Bachlaufs, teils umgeben von Hanglagen. Das Wasser sucht sich also auf verschiedene Weisen seine Wege in den Kanal. Bis Ende Juli liefen zwischen 3500 und 4000 Kubikmeter Wasser am Tag in die Kläranlage Eußenheim.
Göbel: Kläranlage in Eußenheim wird nicht überlaufen
Anfang Juli sei die Belastung auf etwa 2500 Kubikmeter täglich zurückgegangen, was aber immer noch zu viel ist. Denn der Wasserwart gibt nur etwa 800 Kubikmeter Trinkwasser an die Gemeinde aus. Das heißt: Zu Spitzenzeiten handelt es sich bei 3200 Kubikmetern um Fremdwasser, also etwa Grundwasser, Hang- und Schichtenwasser. Das müsste eigentlich gar nicht gesäubert werden.
Eine erste Entwarnung kann Klärwärter Marco Göbel geben: Die Kläranlage wird nicht überlaufen, denn sie ist für knapp 5000 Einwohner ausgelegt, wobei Eußenheim nur rund 3200 Einwohner hat. "Wir haben Puffer, das ist kein Problem", sagt Göbel. Das Zuviel an Fremdwasser bringt eine andere Gefahr mit sich: Das Schmutzwasser wird stark verdünnt. "Die Bakterien brauchen diesen Schmutz, das ist ihre Nahrung", erklärt Bürgermeister Achim Höfling. Das Reinigungssystem droht zu kippen, weil weniger Bakterien in mehr Wasser den Schmutz nicht mehr abbauen können.
Auch dafür hat Göbel eine Zwischenlösung: Er kann im Notfall zufüttern, also Kohlenstoff ins Wasser geben. "Soweit sind wir noch nicht", sagt er. Derweil macht er sich im Austausch mit Bürgermeister und Gemeinderat auf die Suche nach der Ursache.
Bürgermeister: "So viel wie heuer war es noch nie"
In den Winter- und Frühjahrsmonaten, Februar, März und April, sei die hohe Belastung der Anlage normal und habe sich in vergangenen Jahren wiederholt. "Aber es geht leider nicht zurück", sagt Göbel. "So viel wie heuer war es noch nie und so lange wie heuer war es noch nie", sagt auch Höfling. Mit Dringlichkeit sollte die Ursache gefunden werden.
"Der ganze Bachgrund steht auf Grundwasser", sagt Göbel. An sich wäre das kein Problem. Doch viele Hausbesitzer und -besitzerinnen müssten eine Drainage um ihre Keller legen, um das Wasser in den Kanal abzuleiten. Auch für landwirtschaftliche Flächen gibt es Drainagen. "Wir vermuten, dass wir auch ein paar Kanaldefekte haben", sagt Göbel. In Obersfeld wurde eine Kamerabefahrung gemacht. In Hundsbach gibt es außerdem Quellen, die das Wasser in die Keller und in den Kanal drücken.

Problem verschärft sich durch viel Regen
Zwar zeige sich das Problem dieses Jahr durch die vielen Regenfälle stärker, aber tun müsse die Gemeinde gegen die Schäden sowieso etwas. Die Kanäle im Gemeindegebiet seien etwa 40 Jahre alt, zuletzt ist in der Berggasse in Eußenheim der Kanal teilweise eingebrochen. Die Defekte seien trotz des Alters der Kanäle aber nur punktuell, so Göbel.
Im neuen Siedlungsgebiet seien bereits zwei Kanäle verlegt, also ein Trennsystem, erklärt der Bürgermeister. Früher habe man argumentiert, der Kanal müsse mit ausreichend Wasser gespült werden. "Dass Regenwasser in denselben Kanal wie Schmutzwasser läuft, ist eine Sache, die man heute nie mehr machen würde", sagt Höfling.
Für die Sanierung einer Straße fallen siebenstellige Summen an
Einige kaputte Stellen ließ Göbel mit sogenannten Inlinern reparieren und dicht machen. "Der Inliner ist quasi wie ein Luftballon, der innen im Kanal aufgeblasen wird und verhärtet", sagt Göbel. Mit einem Ingenieurbüro gab es bereits Gespräche, um die Möglichkeiten abzuklopfen, die die Gemeinde habe. Es könnte ein zweiter Kanal für die Ableitung des Drainagenwassers geschaffen werden, eventuell in Hundsbach und Aschfeld. In der Gartensiedlung in Bühler funktioniere dieses Prinzip – dort führen die Drainagen in den Bach.
Weitere Möglichkeiten wären ein offener Graben oder eine Spülbohrung. Bei letzterer wird ein Loch gegraben und mit einem Bohrgerät eine Leitung unter der Straße gelegt, ähnlich wie bei einer Kabelverlegung. Wenn kein Gewässer in der Nähe existiert, lasse sich noch eine Versickerung auf einer größeren Fläche schaffen. "Wir können nur darauf hoffen, dass uns die Bürger helfen und uns die Möglichkeit geben, das getrennt aus dem Grundstück heraus zu sammeln", sagt Höfling.
Wasserwirtschaftsamt kann höchstens 50 Prozent Fremdwasser dulden
Der Bürgermeister sagt aber auch: "Jede Lösung ist unglaublich teuer. Sobald man etwas aufgräbt und Rohre verlegt, ist man sofort bei sechsstelligen Beträgen, bei einer ganzen Straße bei siebenstelligen Beträgen." Das Landratsamt, das für das Wasserrecht zuständig ist, dränge jedoch darauf, den Fremdwasseranteil zu reduzieren.
Auf Nachfrage der Redaktion heißt es, dass gesetzlich zulässig ein Fremdwasseranteil von 25 Prozent sei, in der Kläranlage Eußenheim liege der Anteil bei 70 Prozent. Können das Netz und die Anlage mehr verkraften, könnten auch 50 Prozent geduldet werden. Darüber hinaus sei eine Sanierung der Kanäle in jedem Fall erforderlich. Ein höherer Fremdwasseranteil führe zu hohen Betriebskosten und auf Dauer zu einer erhöhten Abwasserabgabe. Eine Sanierung entlaste Kanalnetz und Kläranlage und sei zudem sinnvoll für den generellen Wasserhaushalt der Natur und der Gewässer.