Noch hängen die Nebelschwaden zwischen den Bäumen des Spessarts. Es ist früher Morgen, der Wetterbericht verspricht einen sonnigen, trockenen Herbsttag. In einem Waldstück nahe den Grunddörfern – genauer gesagt auf der Bischbrunner Eichenplatte – sind die Eichensammler unterwegs.
Mit bloßen Händen klauben sie die Früchte der Traubeneiche, wie sie im Spessart zu Hauf vorkommt, vom Waldboden auf. Pro gesammeltem Kilogramm Eicheln erhalten sie von den Bayerischen Staatsforsten eine Aufwandsentschädigung von 2,50 Euro.
Eicheln und Steinpilze im Spessart sammeln
Einer der Sammler ist der Bischbrunner Wilhelm Leimeister. Seine Motivation: "Wir unterstützen damit unseren Wald." Sein Leben lang ist er mit dem Spessart vor der Haustür verbunden. Schon am Tag vor Beginn der Sammelaktion war er im Revier unterwegs und hat nach den Eichen gesucht, die am meisten Früchte abgeworfen haben. "Ich habe auch Steinpilze gefunden und mit nach Hause genommen", verrät er.
Das Geld, das er für das Sammeln der Eicheln bekommt, will er in den Skiurlaub der Enkelkinder investieren. Als er vor etwa 30 Jahren zum ersten Mal mit der Familie Eicheln abgeliefert hat, haben er und seine Frau sich eine Spülmaschine geleistet.
Ihren Namen verdankt die Traubeneiche den Samen. Die Eicheln sitzen zu mehreren dicht beieinander an sehr kurzen Stielen, fast wie bei Weinbeeren. Andreas Holzheimer, Leiter des Forstreviers Zwieselmühle, schwärmt: "Die Bäume, die dieses Jahr tragen, haben große Früchte, so groß wie Trauben." Er nennt noch ein Indiz für den Namen: "Die Traubeneiche fühlt sich dort wohl, wo Wein angebaut wird."
Mit dem Klimawandel komme der Baum gut zurecht. Er bohrt seine langen Pfahlwurzeln tief in die Erde. "Jetzt ist es wichtig, dass der Winter sehr feucht wird", so Holzheimer, "damit das Wasser im Boden gespeichert werden kann". Sonst könne die Spessarteiche im nächsten Jahr doch noch Probleme kriegen.
Holzheimers Revier umfasst 1800 Hektar Fläche (18 Quadratkilometer), etwa 70 Prozent davon entsprechen dem früheren Forstamt Bischbrunn. Der Bereich, in dem Eicheln zur Aussaat gesammelt werden, ist 224 Hektar groß. Er reicht vom Torhaus Aurora an der ehemaligen Bundesstraße 8 (zwischen Straßlücke und dem Weiler Breitsol) gen Süden in Richtung Autobahn A 3. Er umschließt die Flurstücke mit den alten Namen Grünthal, Ried, Palmsrain, Lindig und Eichling.
Im Flurstück Eichling bei Bischbrunn wurden schon früher Eichen gesät und aufgezogen
In letzterem wurden schon in früheren Zeiten Eichenbäume aufgezogen und dann weiterverpflanzt, erklärt Holzheimer. Anders als etwa die Buche, fallen die reifen Früchte der Eiche in freier Natur zwar auch auf den Boden, doch sie brauchen viel Sonnenschein, um zu wurzeln. Eine Selbstaussaat findet nur statt, wenn alte Bäume entwurzelt werden und Platz schaffen oder Eicheln durch einen Sturm auf Freiflächen getragen werden.
Und deshalb wird nachgeholfen: Anfang Oktober hat Förster Andreas Holzheimer heuer erstmals orangene Kunststoffsäcke an die Sammlerinnen und Sammler verteilt. Zur ersten Einweisung kamen etwa 20 Menschen. Sie registrierten nicht nur sich selbst, sondern auch Familienangehörige und Nachbarn, die nicht zu dem Termin kommen konnten.
Im Bereich des Forstbetriebs Rothenbuch (Landkreis Aschaffenburg) wird derzeit in drei weiteren Revieren gesammelt. Sammeln darf nur, wer einen offiziellen Sammelschein hat. Gesammelt werden darf nur im ausgewiesenen Revier.
"Das ist wichtig, um die Herkunft des Sammelguts zu sichern", so Holzheimer. Nach dem Forstvermehrungsgutgesetz (FoVG) dürfen zum Beispiel die gesammelten Eicheln aus dem Bischbrunner Gebiet nicht mit anderen Früchten vermischt werden. Sie werden deshalb bis zum Weitertransport in abschließbaren Quartieren im Forstbetriebshof in Rothenbuch aufbewahrt.
Eicheln werden gesät und nachgepflanzt
Ein Teil des Saatguts wird auf einer nahe gelegenen Freifläche von 20 Hektar ausgesät. Dort mussten schadhafte Fichten gerodet werden. Ein weiterer Teil der gesammelten Eicheln wird in den Pflanzgarten der Bayerischen Staatsforsten nach Bindlach bei Bayreuth gebracht. Im nächsten Jahr können die dort aufgezogenen Jungpflanzen im Spessart ausgepflanzt werden. Ist dann noch immer gesammeltes Saatgut übrig, wird es an private Baumschulen verkauft.
Die Aufwandsentschädigung ist üppig, findet Holzheimer. Doch um sie zu erhalten, ist harte Arbeit notwendig. Eine Sammlerin erklärt im typischen Dialekt der Spessartorte: "Gesammelt wird mit den Händen, Hilfsmittel gibt es keine. Am besten, man kniet sich unter einen Baum und wühlt zwischen den Blättern."
Besondere Hilfsmittel und Tricks für das Sammeln
Eine andere Frau berichtet, dass sie sich ihre Fingerspitzen mit Wundpflaster abklebt, um sie zu schützen. Extra für das Sammeln hat sie sich eine Schürze genäht hat, in die sie die Früchte "schaufelt" – scheinbar eine erfolgreiche Taktik. Ihre Ernte bringt immerhin fast 85 Kilogramm auf die Waage und dürfte damit die größte des Tages sein.
Daniela Haarth (24 Jahre aus Bischbrunn) und Tim Leimeister (21, Oberndorf) waren bei der Ausgabe der Sammelscheine am Morgen vermutlich die jüngsten Teilnehmenden. In 3,5 Stunden haben sie immerhin 37,5 Kilogramm gesammelt. "Wir hatten heute nichts anderes vor und sind einfach drauflos gestapft", berichten sie. Beim Sammeln haben sie sich unterhalten oder Musik gehört oder einfach den Geräuschen im Wald gelauscht. "Nur wenn Daniela eine Eichel vom Baum auf den Kopf gefallen ist, hat sie geschimpft", feixt Leimeister.
Auch Wilhelm Leimeister ist einer der ersten Ablieferer. Gespannt blickt er auf die Anzeige der Digitalwaage: 76,25 Kilogramm, gesammelt in 4,5 Stunden – ein guter Schnitt. Er und seine Frau kriegen dafür immerhin gut 42 Euro pro Stunde. Und die Sammelzeit hat gerade erst begonnen. Sie wird vermutlich noch ein paar Wochen andauern.
Wer Interesse hat, im Laufe des Oktobers beim Sammeln zu helfen, kann sich werktags zwischen 16 und 17 Uhr direkt bei Revierförster Andreas Holzheimer am Torhaus Aurora melden.