zurück
Karlstadt
Viele Bäume sind bereits vertrocknet: Ist der Karlstadter Klimawald am Klimawandel gescheitert?
Das extreme Trockenjahr hat dem Karlstadter Klimawald stark zugesetzt, obwohl die ausgewählten Baumarten eigentlich mit wenig Wasser auskommen sollen. Wie es mit dem Projekt nun weitergeht.
Der Klimawald in Karlstadt hat der extremen Trockenheit und Dürre in diesem Jahr nicht standgehalten. Ein großer Teil der besonders trockenheitsresistenten Bäumchen ist vertrocknet.
Foto: Désirée Schneider | Der Klimawald in Karlstadt hat der extremen Trockenheit und Dürre in diesem Jahr nicht standgehalten. Ein großer Teil der besonders trockenheitsresistenten Bäumchen ist vertrocknet.
Désirée Schneider
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:44 Uhr

Risse im Boden, staubtrockene Gersten-Ähren und dazwischen verdorrte Bäumchen, die bereits ihre schwarz gewordenen Blätter abwerfen – der Karlstadter Klimawald gibt ein trauriges Bild ab. Dabei stehen hier auf einer Fläche von rund 10.000 Quadratmetern im Stettener Wald besonders trockenheitsresistente Baumarten. Der extremen Trockenperiode in diesem Jahr konnten viele der knapp 4000 Pflänzchen dennoch nicht standhalten. "Wir haben erhebliche Ausfälle", sagt Claudia Stiglbrunner, Leiterin des Forstreviers Karlstadt, beim Rundgang über das Gelände. "Ich gehe davon aus, dass es mindestens die Hälfte nicht schafft."

Dabei war Stiglbrunner nach der Pflanzung im vergangenen November mit der guten Entwicklung des Klimawaldes Anfang des Jahres noch sehr zufrieden. "Durch den recht feuchten Winter sind die Bäumchen sehr gut angewachsen. Darüber haben wir uns sehr gefreut", sagt sie. Doch jetzt habe es seit Mai in der Region so gut wie nicht geregnet. Der Boden sei dadurch bis in etwa einen Meter Tiefe komplett ausgetrocknet.

Trotz extremer Trockenheit entschied man sich gegen die Bewässerung

"Etwa Mitte Juni haben wir gemerkt, dass es deutlich trockener wird", sagt die Försterin, "da haben die Bäume schon ihre Blätter zusammengekräuselt." Trotzdem habe man sich aktiv gegen eine Bewässerung der jungen Pflanzen entschieden. Zum einen, weil der Wetterbericht immer wieder Regen vorhergesagt habe, der jedoch nie kam, zum anderen, weil die Versuchsfläche möglichst den natürlichen Gegebenheiten vor Ort ausgesetzt bleiben soll. "Wir hatten von Anfang an geplant hier nicht tausende Liter Wasser zu verbraten, sondern den Wald Wald sein zu lassen", sagt Stiglbrunner, "er muss von selbst hochkommen".

Beim Gang über das Gelände des Karlstadter Klimawaldes bietet sich Martha Bolkart-Mühlrath (links), zweite Bürgermeisterin Karlstadts, und Försterin Claudia Stiglbrunner ein trauriges Bild.
Foto: Désirée Schneider | Beim Gang über das Gelände des Karlstadter Klimawaldes bietet sich Martha Bolkart-Mühlrath (links), zweite Bürgermeisterin Karlstadts, und Försterin Claudia Stiglbrunner ein trauriges Bild.

Als der vorhergesagte Regen mehrfach ausblieb, sei der Boden dann aber bereits so ausgetrocknet gewesen, dass es für eine Bewässerung zu spät gewesen sei. Stiglbrunner erklärt das mit Forschungsergebnissen der Landesanstalt für Wald- und Forstwirtschaft. "Bewässerung macht nur dann Sinn, wenn noch Restfeuchte im Boden ist, damit die Wurzeln nicht komplett zerrissen werden, sondern das Feuchtigkeitslevel einigermaßen konstant gehalten wird", sagt sie. "Als wir so weit waren, doch über eine Bewässerung nachzudenken, war es dann aber eigentlich schon zu spät."

Das Ergebnis ist nun auf der Lichtung oberhalb Karlstadts für jede und jeden sichtbar. Auch Claudia Kohlmann und ihr Mann Manfred Kohlmann, die den Acker bis zur Pflanzung des Klimawaldes mit Getreide bewirtschafteten, konnten sich bereits ein Bild der Lage machen. "Wir haben davon gehört und sind dann hochgefahren, um uns das mal anzuschauen", sagt Claudia Kohlmann. Schön sei der Anblick natürlich nicht. Nach der letzten Ernte hätten sie das Feld noch einmal gegrubbert – jetzt mutet das Gelände an wie ein lichtes Getreidefeld. Das wenige Grün kommt vor allem von ein paar Disteln, die zwischen dem Getreide in die Höhe schießen.

Die Ähren, die aus dem Ausfallgetreide, den liegen gebliebenen Körnern der vorherigen Nutzung, aufgegangen sind, seien dazu gedacht gewesen, den Bäumchen etwas Schatten zu spenden, erklärt Stiglbrunner. "Außerdem geht dann nicht so viel Unkraut auf, wenn das Getreide hier wächst", sagt sie. Doch auch das hat offensichtlich nicht gereicht, um die Pflanzen ausreichend zu schützen.

Stadt Karlstadt will das Projekt trotz Rückschlag noch nicht aufgeben

Auf einer Versuchsfläche von 40 000 Quadratmetern soll im Stettener Wald oberhalb Karlstadts ein Klimawald mit besonders trockenheitsresistenten Baumarten entstehen.
Foto: Désirée Schneider | Auf einer Versuchsfläche von 40 000 Quadratmetern soll im Stettener Wald oberhalb Karlstadts ein Klimawald mit besonders trockenheitsresistenten Baumarten entstehen.

Holzstecken markieren die Stellen, an denen eigentlich vitale Exemplare unter anderem des Schuppenrinden-Hickory aus Nordamerika, der Baumhasel, des französischen Ahorn, des Schneeball-Ahorn und der Orientbuche stehen sollten – alles Baumarten, die Trockenheit und Hitze gewachsen sein sollten. Doch gerade in den ersten Lebensjahren bräuchten auch diese mehr Feuchtigkeit, um etwa den Pflanzschock, den sie durch das Umpflanzen erleiden, zu überwinden, erklärt Stiglbrunner.

"Wenn dann so ein extremes Trockenjahr wie dieses kommt, kann man nicht sagen, es liegt an den Baumarten, dass sie nicht überlebt haben", sagt die Försterin. Schmerzvoll sei zudem die Erkenntnis, dass die gleiche Pflanzung im vergangenen Jahr aufgrund des recht feuchten Sommers vermutlich überlebt hätte, gibt Stiglbrunner zu bedenken.

"Spätestens jetzt wissen wir, wie schlimm es wirklich steht."
Martha Bolkart-Mühlrath, zweite Bürgermeisterin Karlstadts

Besonders traurig dürfte der Zustand des Klimawaldes auch für die Menschen sein, die die Bäume für seine Pflanzung gespendet hatten. Schon deshalb wolle man das Projekt nach diesem Rückschlag noch nicht aufgeben, sagt Martha-Bolkart-Mühlrath, zweite Bürgermeisterin Karlstadts. Die Stadt unterstützt das Projekt jährlich mit 10 000 Euro. "Wir werden das Projekt auf jeden Fall noch eine Weile unterstützen", sagt Bolkart-Mühlrath.

Immerhin habe man hier bewusst eine Versuchsfläche geschaffen, sodass man auch mit Rückschlägen klarkommen müsse. "Das ist auch eine Erfahrung", sagt die Bürgermeisterin beim Blick über das vertrocknete Gelände, "zwar eine schlechte, aber spätestens jetzt wissen wir, wie schlimm es wirklich steht – wenn nicht einmal eine Aufforstung etwas bringt, ohne dass man dauerhaft den Regen ersetzt."

Diese heimische junge Traubeneiche lässt bereits die Blätter hängen. Dennoch ist sie eines der wenigen Pflänzchen, die auf dem Gelände des Klimawaldes in Karlstadt noch grün sind.
Foto: Désirée Schneider | Diese heimische junge Traubeneiche lässt bereits die Blätter hängen. Dennoch ist sie eines der wenigen Pflänzchen, die auf dem Gelände des Klimawaldes in Karlstadt noch grün sind.

Hoffen auf Spenden für eine erneute Pflanzung des Klimawaldes

Wie hoch der Ausfall tatsächlich ist, lässt sich erst in wenigen Wochen, nach der Bestandsaufnahme durch Försterin Claudia Stiglbrunner, sagen. Voraussichtlich sei er jedoch so hoch, dass man die für dieses Jahr geplante Bepflanzung des zweiten Hektars Versuchsgelände verschieben müsse, meint Stiglbrunner. "Es wäre auch gegenüber den Spendern, die hier so tolle Arbeit geleistet haben, nicht fair, den ersten Hektar jetzt links liegen zu lassen", sagt sie.

Sie hoffe nun auf das Verständnis der Bevölkerung und auf eine große Bereitschaft, ein weiteres Mal Bäumchen für die erneute Pflanzung des Klimawaldes kommenden November zu spenden. Ansonsten bleibe nur zu hoffen, dass das kommende Jahr nicht noch einmal so ein Extremjahr wird wie dieses, sagt Stiglbrunner. Sollte dem aber so sein, werde man das Konzept des Klimawaldes wohl noch einmal überarbeiten müssen.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Karlstadt
Désirée Schneider
Baumarten
Bewässerung
Getreide
Stadt Karlstadt
Stadt Lohr am Main
Wasser
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • steffen.cyran@freenet.de
    Der Klimawald ist nicht "am Klimawandel gescheitert", sondern die Zuständigen (z.B. die Försterin) haben kläglich versagt und sollten zur Verantwortung gezogen werden.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • flyarcus@gmx.de
    Hat wohl nicht geklappt, ein paar Bäumchen zu pflanzen? Bald werden die Kühe gegen Kamele getauscht und Datteln statt Getreide angebaut. Wir werden und damit Abfinden müssen….is halt so
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • christian@kreatil.de
    Ich frage mich, was das für ein Ansatz sein soll, hier der Natur freien Lauf zu lassen und die jungen Bäumchen bewusst nicht zu wässern. So frisch gepflanzt konnten diese doch noch gar nicht richtig Wurzeln schlagen. Alleine die riesige, sonnenexponierte Fläche, ohne Schatten, entspricht in keiner Weise den natürlichen Bedingungen. Mit einem solchen Stress kommen selbst Baumarten nicht klar, die eigentlich „trockenresistent" sein sollten.

    Für mich klingt die Erklärung der Försterin daher wie eine Ausrede für das Versagen der Verantwortlichen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • haas-hyr@t-online.de
    Es hilft auch nicht viel, gegen die Klimaschäden ein paar Bäumchen zu pflanzen. An den Ursachen muss angesetzt werden, und das ist vor allem die immer noch praktizierte Blockade von erneuerbaren Energien und die beispiellose Energieverschwendung bei der Stromerzeugung und im Verkehr.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten